Persönliche Gespräche

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Ein paar Tage später war ich auf dem Weg in die Bibliothek. Ich hatte ein paar Bücher, die ich wieder zurückgeben musste. Ich betrat die Bibliothek, die in einem alten Gebäude errichtet worden war. Die braunen Ziegelsteine empfingen mich mit Wärme und die Luft wehte mir den Geruch von Papier entgegen.
"Hallo", begrüßte ich die Frau hinter dem Tresen und gab ihr die Bücher. Sie hatte gefärbte, platinblonde Haare, die sie zu einem Dutt hochgesteckt hatte. Ihre Brille thronte auf ihrer Nase und ihre Lippen öffneten sich zu einem breiten Grinsen. Sie scannte schnell die Bücher ein, gab mir mit einem Nicken ein Zeichen, dass alles okay war und stellte die Bücher auf einen Wagen.
Sofort verkroch ich mich in die Abteilung mit den Klassikern und Biografien. Ich liebte diese Abteilung. Die Klassiker waren die wahre Literatur, nicht so ein Fantasykram wie von heute. Allgemein liebte ich Bücher und Literatur. Ich schrieb auch selber. Bücher entführten mich in andere Welten, Zeiten. Ins 20. Jahrhundert, 19. oder 18. Sie gaben mir Stoff zum Nachdenken und inspirierten mich.
Mit flinken Fingern suchte ich nach Sturmhöhe. Die Geschichte von Heathcliff und Cathryne, von Hass und Liebe, hatte mich schon immer gefesselt. Leider hatte ich aber noch nie die Chance dazu, die Geschichte selbst zu lesen. Schnell las ich mir nochmal den Klappentext durch. York, 19. Jahrhundert. Perfekt, dachte ich mir und packte das Buch ein. Dann schaute ich mich weiter um.
Als ich um eine Ecke bog prallte ich mit jemandem zusammen. Erschrocken und aus Reflex ließ ich meine Tasche fallen. Sturmhöhe fiel raus, ebenso wie meine Schlüssel, mein Handy und mein Lipgloss.
"Shit", fluchte ich und sank auf die Knie.
"Tut mir leid", murmelte eine tiefe männliche Stimme und sank ebenfalls auf die Knie.
Gemeinsam sammelten wir die Sachen ein. Als ich wieder aufstand sah ich den Kerl an... und erstarrte. Diese blauen Augen, die aussahen wie Diamanten hatte ich nicht vergessen. Im Gegenteil, sie waren mir vor ein paar Nächten in meinem Traum erschienen.
"Jack?", fragte ich verwundert.
Er grinste leicht als er mich erkannte. "Melissa, richtig?", fragte er.
Ich nickte. "Ja, ähm... Was tun Sie denn hier?"
"Du kannst mich doch dutzen, schon vergessen?", lächelte er mich an. "Ich habe nach einem Buch gesucht. Was soll man in einer Bibliothek denn sonst machen?", fügte er noch hinzu.
Verlegen senkte ich den Blick. Das war die Dümmste Frage, die du hättest stellen können, Lissa!, dachte ich. "Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Lesertyp bist", murmelte ich.
Jack lachte kurz in sich hinein. "Doch. Klassiker sind die Besten. Emily Brontë, Charles Dickens. Shakespeare ist immer noch mein Liebling. Romeo & Julia. Ein Genie!", schwärmte er.
Überrascht schaute ich auf. "Romeo & Julia? Wow, du steckst echt voller Überraschungen."
Er neigte den Kopf. "Geht es dir wieder besser?", wechselte er das Thema.
Ich versteifte mich. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er das nicht ansprechen würde. Nach der Trennung von Ben ging es mir miserabel. Ich verkroch mich in meinem Bett und heulte mir die Augen aus, bis ich heute beschloss, dass es an der Zeit wäre, rauszugehen. Anscheinend merkte Jack, dass ich das Thema meiden wollte, denn er räusperte sich und fragte: "Kann ich dich zum Kaffee einladen?" Erleichtert atmete ich aus und nickte. "Kaffee klingt gut."

"Einen Latte Macchiatto und einmal Cappuccino, bitte", bestellte Jack.
Die Kassiererin lächelte ihn  zuckersüß an und sagte mit hoher Stimme: "Das macht 4,90€."
Jack bezahlte und schaute, während wir auf die Bestellung warteten mich an. Die Kassiererin bemerkte dies, denn ich sah wie ihr Blick sich merklich verfinsterte. Anscheinend hatte sie gehofft, dass er nicht mit mir hier wäre. Grimmig drehte sie sich weg, um den Nächsten an der Schlange zu bedienen.
"Was ist?", murmelte ich und sah ihn zögernd an.
Er schüttelte leicht den Kopf. "Ach, nichts."
"Ihre Bestellung", ging die nervtötende Stimme von der Kassiererin dazwischen.
Wir nahmen die Kaffeebecher und setzten uns draußen hin. Ich nahm einen Schluck und seufzte wohlig auf. Ich liebte Cappuccino. Jack öffnete sein Becher und schüttete etwas Zucker rein. Ich beobachtete ihn und wieder einmal fiel mir auf, wie schön seine Augen waren. Sie leuchteten eisblau wenn das Sonnenlicht sich in ihnen brach.
Er schaute auf und lächelte mich an. "Willst du mir erzählen was du gerade denkst?", fragte er und trank einen Schluck.
Ich grinste betreten und schaute in mein Kaffeebecher. Dann schüttelte ich den Kopf. "Nein, lieber nicht."
Er nickte. "Na schön." Eine Weile herrschte Stille. Dann brach er sie. "Melissa, was ist an dem Abend passiert?"
Ich erstarrte. Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich dieses Thema irgendwie umgehen könnte. Der Gedanke an Ben und an das, was im Kino vorgefallen ist, schnürte mir die Luft zu. Und auch jetzt konnte ich fühlen, wie sich die Eiseskälte in mir ausbreitete.
"Du musst nicht wenn es--", fing Jack an. Ich unterbrach ihn jedoch. "Doch, es fällt mir nur schwer."
Ich atmete ein und aus und ließ meinen Blick durch die Gegend schweifen.

"An dem Abend war ich mit meinem Freund im Kino. Er ist auf die Toilette gegangen und als ich ihn suchen gegangen bin, hab ich ihn dabei erwischt wie er mit einem anderen Mädchen rumgeknutscht hat." Ich schaute auf und sah Mitleid in seinen Augen aufblitzen. "Du musst mich nicht so anschauen", sagte ich etwas schärfer als ich eigentlich wollte.
Jack lächelte leicht. "Mir tut der Junge leid. Er hat so ein tolles Mädchen verloren."
Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Hatte er gerade gesagt, dass ich toll wär? Das hatte er, oder?! Das hatte icj mir nicht eingebildet! Ich spürte, wie mein Herz anfing zu rasen und meine Hände schwitzig wurden. Aber, halt mal. Ich hatte mich doch vor ein paar Tagen von Ben getrennt. Und schon saß ich hier mit einem Kerl, den ich nicht mal nicht unattraktiv fand und er schien mit mir zu flirten. War ich womöglich eine Bitch?

Forbidden LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt