Krankenhäuser und Strände

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Ich konnte nichts erkennen. Tränen nahmen mir die Sicht, ließen alles um mich herum verschwimmen. Jedes Mal wenn ich sie wegblinzelte traten neue Tränen an ihre Stelle. Mein Knie tat höllisch weh. Ich konnte spüren, dass irgendetwas nicht richtig war. Nur vage bemerkte ich, dass meine Mitschüler um mich herum standen. Mr. Matsen schien auf mich einzureden, doch ich hörte nichts. Der Schmerz betäubte meine Sinne und ließ mich nichts außer den Qualen spüren.

Plötzlich spürte ich zwei starke Arme unter meinen Beinen und an meinem Rücken, die mich hochhoben und mich empfingen. Schluchzend und dankbar lehnte ich mich an die Brust, die den Armen gehörte, erleichtert, dass mir endlich jemand half. Ebenso erleichtert ließ ich mich in die Dunkelheit gleiten, die sich in meinen Blickrändern auftat, und mir Ruhe und Heilung versprach...


Die Brise strich mir die Haare aus dem Gesicht und ich öffnete meine Augen. Der Meeresduft schloss sich um mich und hüllte mich ganz ein. Langsam trat ich einen Schritt vor und schaute mich um. Dann stellte ich überrascht fest, dass mein Knie nicht mehr wehtat und mir wurde bewusst, dass ich auch sicherlich nicht mehr in der Turnhalle war. Stirnrunzelnd drehte ich mich um die eigene Achse. Ich stand an einem wunderschönen Strand, das Wasser war wunderbar türkis und dennoch klar. Das Sand, in welches sich meine Zehen gruben, war warm. Ich schaute zum Himmel und sah keine einzige Wolke. Die Sonne schien gleißend hell auf mich nieder, so dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Lächelnd schaute ich mich weiterhin um. Nichts konnte jetzt mein Glück zerstören. Ich liebte den Strand und jedes Mal wenn ich da war, war ich glücklich.

"Melissa", sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um und erblickte Jack. Meinen Jack. Er trug kurze Hosen und ein weißes Hemd, das jedoch offen war und seinen wunderschönen Körper präsentierte. Auch er hatte keine Schuhe an. Lächelnd streckte er seine Hand aus und ohne zu zögern ergriff ich sie. Es fühlte sich natürlich an, richtig. Ich schaute ihm in die Augen und lächelte. Die Wirkung dieser wunderbaren Augen würde sich niemals verflüchtigen. Ich spürte wie mein Herz anfing zu rasen. Es fühlte sich so an, als ob es herausspringen würde, und voller Spannung wartete ich darauf, dass Jack etwas darauf erwiderte. Darauf, wieso mein Herz denn so schnell schlug. Aber ich konnte mein Körper nicht unter Kontrolle halten.

Jack strich mir über die Wangen, was dazu führte, dass mir das Blut in die Wangen schoss. Ich konnte mir schon ausmalen wie rot ich war. Meine Atmung beschleunigte sich und überall wo er mich berührte kribbelte es. Er hinterließ eine Spur aus glühender Hitze. Seine wunderbaren Lippen kamen immer näher und näher und legten sich auf meine. Leidenschaftlich erwiderte ich den Kuss und zog ihn näher zu mir heran. In meinem Bauch explodierte ein Schwarm Schmetterlinge. Jack strich mir über den Rücken, immer tiefer und drückte mich an sich. Er löste sich von mir und schaute mich an. Dann öffnete er den Mund und...

Ich öffnete meine Augen und blinzelte gegen das helle Licht, welches von oben herab auf mich schien. Stöhnend drehte ich den Kopf und sah einen Monitor neben mir stehen. Es war ausgeschaltet. Ich spürte, dass mein Mund trocken war und griff nach einer Flasche Wasser. Als ich mich aufsetzte wurde mir bewusst, dass ich im Krankenhaus war. Seufzend wollte ich den Deckel aufschrauben als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Blitzschnell drehte ich meinen Kopf in die Richtung und bereute es sogleich. Mir wurde schwindelig und ich sah schwarze Punkte vor meinen Augen herumtanzen.

"Hey, langsam", sagte eine Stimme neben mir sanft. "Trink erst was."

Ich gehorchte. Nach ein paar großen Schlucken schaute ich den Mann an. Es war Jack. Scham und Freude zugleich machten sich in mir breit. Scham, weil ich von ihm geträumt hatte, von meinem Lehrer! Und Freude, weil eben dieser Mann hier bei mir geblieben war. Und dass er der Erste war, den ich beim Aufwachen erblicken durfte. "Ist alles okay bei dir? Hast du Schmerzen?", fragte er nach einer Weile und ich konnte die ehrliche Besorgnis aus seiner Stimme hören. Langsam schüttelte ich den Kopf, instinktiv. Insgeheim suchte ich mich aber nach Schmerzen ab. Jack nickte erleichtert und wandte den Blick ab.

"Jack?", begann ich leise. Er schaute auf und sah mich an. "Was hatte dein Kuss heute zu bedeuten?"

Ich bemerkte, wie er sich anspannte und gleich darauf wieder lockerer wurde. Als wäre er um Jahrhunderte gealtert ließ er sich in dem Stuhl zurücksinken und massierte mit einer Hand seine Schläfe. Dann zuckte er mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." Stille. "Was ich weiß ist, dass es nicht hätte passieren dürfen. Ich bin dein Lehrer und könnte meinen Job verlieren. Ich sollte mich von dir fernhalten." Wie um diese Worte zu unterstreichen stand er auf und ging ans Fenster. So verharrte er einen Augenblick und drehte sich nach einer ewig langen Pause wieder um. "Aber mir ist bewusst geworden, dass ich das nicht kann. Ich weiß nicht wie es dir geht..."

Schnell unterbrach ich ihn. "Mir geht's doch genauso. Ich kann und will mich von dir nicht fernhalten Jack. Diese paar Tage die ich dich kenne haben mir bewusst gemacht, dass ich ohne dich nicht kann. Okay, wir sollten uns noch besser kennenlernen, aber ich kriege dich nicht aus dem Kopf. Und das geht sicher nicht, wenn wir uns jeden Tag in der Schule sehen."

Jack kam mit langsamen Schritten auf mich zu, setzte sich wieder auf den Stuhl und nahm meine Hand. "Glaubst du, wir schaffen das? Ich will dich besser kennenlernen, ich will wissen, was du denkst, ich will deine Träume kennen und ich will sie dir ermöglichen. Aber da ich dein Lehrer bin könnte unsere Beziehung schwer werden."

Ich zuckte mit den Schultern. "Wann ist eine Beziehung denn nicht schwer?", fragte ich, während ich mit den Augen rollte. Er lachte, beugte sich über mich und gab mir einen ganz sanften Kuss. Ich grinste und räusperte mich, um meine Verlegenheit zu überspielen. "Also, was hab ich denn? Was hat der liebe Arzt gesagt?" Jack verzog die Miene und erzählte mir, dass meine Kniescheibe rausgesprungen war. Während er mir erzählte was die Ärzte gemacht hatten, schweiften meine Gedanken ab. Jack war, naja, MEIN Jack. Als ich daran dachte, fing ich an zu lächeln und eine wohlige Wärme machte sich in mir breit.

Forbidden LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt