Eine weitere Chance?

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Ich war gerade vertieft in ein Gemälde, welches jede Menge Menschen zeigte, die in einer Menge standen. Verängstigt, erschrocken, einige aber auch mit Genugtuung in den Augen und einem fiesen Lächeln. Erschaudernd drehte ich mich weg und blätterte in dem Flyer des Museums herum. Ich ging ein paar Schritte und prallte mit jemandem zusammen. "Oh, sorry", murmelte ich verlegen und schaute hoch in ein Paar schwarze Augen.
Bens Arme hielten mich fest und bewahrten mich davor runterzufallen. "Pass auf", sagte er und die Kälte und Distanz in seiner Stimme ließ mich zurückschrecken. Ich versuchte von ihm wegzukommen und er ließ mich los. Automatisch torkelte ich ein paar Schritte zurück und drehte mich weg. Ben kannte mich gut genug, um in meinen Augen erkennen zu können, wenn ich traurig war. Und ich war traurig. Jack stand nur ein paar Meter von mir entfernt und schaute sich ein Gemälde an, während Mrs. Sandy versuchte ihn in einen Gespräch zu verwickeln.
Mit Schmerzen im Herzen wandte ich den Blick ab und sah mich nach Violet um. Ich spürte Bens Anwesenheit immer noch hinter mir und versuchte es zu verdrängen. Wenn ich doch bloß Vi finden könnte. Dann wäre ich nichts wie weg hier. Weg von Ben.
Plötzlich und ohne Verwarnung spürte ich zwei Finger auf meinem Unterarm, die auf und ab fuhren. Ohne es zu merken reagierte mein Körper von alleine auf diese vertrauten Berührungen und ich bekam einen Gänsehaut. Dann spürte ich, dass Ben noch näher hinter mir stand. "Melissa", flüsterte er mir ins Ohr. Er sprach meinen Namen mit einer so tiefen Intensität aus, dass meine Atmung sich beschleunigte. "Können wir reden?"
Ich presste stumm die Lippen aufeinander und schüttelte kurz den Kopf. Ich benahm mich wie ein kleines Kind, das sich mit seinem Freund um einen Spielzeug gestritten hatte und ihm nun schwor, nie wieder mit ihm zu reden.
"Lissa, komm schon", bettelte er. "Es geht um neulich Abend."
"Na schön ", sagte ich genervt, aber trotzdem neugierig. Lächelnd nahm Ben meine Hand und zog mich weg von den anderen. Flüchtig bemerkte ich Jacks Blick auf uns ruhen. Er sah verwirrt aus und auch etwas wütend. Mit Genugtuung bemerkte ich, dass er eifersüchtig war. Ich reckte meinen Kinn und stolzierte an ihm vorbei. Versuchte wenigstens ein wenig so auszusehen, als ob es mir gut gehen würde.
Wir traten aus der Tür zu dem Ausstellungsraum raus und setzten uns auf eine samtbezogene, rote Bank. Ben wirkte nervös, stützte sich an seinen Knien ab und schaute auf den Boden. Obwohl ich wissen wollte, was er mir zu sagen hatte, hielt ich still und schaute die Wand mir gegenüber an.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, setzte er sich auf und wandte sich mir zu. "Zuerst solltest du wissen, dass das, was letzte Nacht geschehen ist, mir nicht leid tut. Ganz und gar nicht. Ich finde, dass ich richtig gehandelt habe..." Ich wollte ihn unterbrechen, ihm sagen, dass Gewalt nie eine Lösung war, dass es ihm leid tun musste und dass er sich gefälligst entschuldigen sollte. Nicht bei mir, bei Jack. Doch Ben ließ mich nicht zu Wort kommen. "Nein, sag jetzt nichts. Du hast deine Meinung und ich habe meine Meinung. Mr Matsen ist ein Mistkerl. Aber als ich euch da gesehen hab, wie ihr zusammen einfach glücklich wart, da ist mir einfach nur klar geworden, was ich verloren habe. Ich habe meinen größten Schatz verloren. Mein größtes Glück auf Erden."
Ich schwieg. Langsam dämmerte mir, was hier vor sich ging. Ben wollte sich nicht entschuldigen. Er wollte mich zurück. Aber ich wollte ihn nicht. Ich wollte Jack. Denn er war mein größter Schatz, mein größtes Glück auf Erden.
"Bitte, Lissa. Gib mir noch eine Chance. Gib uns noch eine Chance."
Meine Hände verkrampften sich in meinem Schoß. Kopfschüttelnd stand ich auf. Ich konnte das nicht. Ben bedeutete mir nichts mehr. Gar nichts.
"Nein", erwiderte ich einfach nur, drehte mich auf dem Absatz um und ging zurück ins Ausstellungsraum. An der Tür drehte ich mich noch einmal um und sah Ben wie ein Häufchen Elend auf der Bank sitzen. Er fuhr sich durch die Haare und ließ sie verwuschelt in alle Himmelsrichtungen abstehen. Kurz fuhr mir ein Stich durch den Herzen. Doch ich drehte mich um und ging weg.

Forbidden LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt