Als ich die Ladentür aufdrücke, empfängt mich direkt der Stress und Trubel der Menschen aus dem Viertel, welche dem Anschein nach viel zu kurze Mittagspausen haben und keine Sekunde verschwenden können. Denn schon gleich drängt sich ein älterer Mann im Anzug an mir vorbei und beinahe hätte er auch noch seinen Kaffee auf mich verschüttet. "Passen Sie doch auf", meckere ich ihn an, doch er hört mich schon längst nicht mehr und ist bereits in der Menschenmasse draußen verschwunden. Kopfschüttelnd betrete ich Starbucks.
Wenn dieses Kleid auch nur einen Fleck abbekommt, kannich mich erhängen gehen. Es kann meine Absicherung für meine nächste Monatsmiete darstellen, wenn Tim mich jetzt wirklich feuern wird. So gut es ging drängle ich mich an den ganzen anstehenden Menschen vorbei und ernte dafür nur empörte Kommentare. Diese ignoriere ich aber gekonnt und schaffe es mich dann tatsächlich letzten Endes bis zum Mitarbeiterraum vorzudrängeln. Hoffentlich machte gerade jemand Pause. Bevor ich klopfen kann, stürmt eine Angestellte auf die Tür zu, doch ich halte sie auf.
"Entschuldigung", fang ich höflich an und ernte nur einen verwirrten Blick aufgrund meines Aufzuges. "Ich müsste mal kurz telefonieren, hab kein Handy", sage ich und lächle sie entschuldigend an. Etwas verwirrt nickt sie und deutet mir an ihr zu folgen. Der Mitarbeiterraum war kein Vergleich zu dem im Café Noir. Hier ist viel mehr Platz für alle Angestelltenund es wirkt nicht nach einer billige Abstellkammer. Mein Blick fällt auf das hilfsbereite Mädchen. Sie ist ungefähr in meinem Alter, wenn nicht auch ein oder zwei Jahre älter. Ihre dunkle Haut und ihr kurz frisierter Afro schmeicheln ihren zierlichen Gesichtszügen. Sie ist verdammt hübsch.
"Hier ist jetzt nur so ein Kabeltelefon", erklärt sie mir und ich beiße mir nervös auf die Lippe. "Ich benötige vorher noch die Nummer von meinem Chef, welche ich auch im Internet nachgucken kann", erkläre ich ihr meine erbärmliche Situation und laufe beschämt ein wenig rot an. Daraufhin musst sie nur schmunzeln und zückt ihr IPhone. "Ich hab grad Pause und wollte eine Rauchen gehen, du kommst dann bitte mit", erklärt sie mir und zieht mich schon am Handgelenk nach Draußen. Sofort als ich das Handy in die Hand gedrückt bekomme, fange ich an im Internet nach der Nummer vom Café Noir zu recherchieren.
"Vielen Dank nochmal. Du rettest mir quasi mein Leben", erzähle ich ihr nebenbei, während sie schon eine Zigarette und ein Feuerzeug zückt. Es ist neon-lila mit weißen Punkten und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. "Kein Ding", nuschelt sie während sie sich ihre Zigarette ansteckt. "Ich hab dasselbe in rot", sage ich grinsend und deute mit einem Nicken auf ihr Feuerzeug. Etwas überrascht zieht sie ihre Augenbrauen hoch und legt ihren Kopf schief. Ihr Feuerzeug lässt sie zwar wieder in ihrer Tasche verschwinden, blieb aber beim Thema. "Niemals hätte ich über so eine wie dich gedacht, dass sie raucht", erläutert sie ihre Gedanken und nimmt einen Zug. Ich habe mittlerweile die Nummer entdeckt und bin schon dabei die sie einzutippen.
"Naja, du weißt ja wahrscheinlich, wie anstrengend Kellnern sein kann", zwinkere ich ihr zu und halte mir das Handy ans Ohr. Das mir nur allzu bekannte Tuten ertönte eine Weile, bis sich endlich Tim meldete. "Café Noir, Tim is dran. Was kann ich für Sie tun?", fragt wie immer ganz der Charmeur. Ich hole noch einmal tief Luft, bevor ich mich ihm stelle. "Tim, es tut mir so unglaublich leid. Aber heute morgen bin ich irgendwie bei so zwei fremden Typen aufgewacht und der eine sollte mich dann wieder zurück fahren, doch es war dann schon so spät und", versuche ich es, doch er gibt mir nicht mal eine Chance. Er seufzt laut auf und ich ahne schon, wie er seinen Kopf schüttelt.
"Du bist gefeuert. Punkt", erklärt er mir hart und ich schlucke, als er danach ohne weitere Worte auflegt. Tränen bilden sich in meinen Augen. Vielleicht war New York doch nicht so meine Stadt. Ich spüre den Blick des Mädchens auf mir und drehe mich ihr zu. Auf ihren Lippen hat sich ein mitleidiges aber dennoch aufmunterndes Lächeln gebildet. "Du warst jetzt also mal Kellnerin?", schlussfolgert sie aus dem, was sie gehört hat. Traurig nicke ich und seufze frustriert auf. "Alles nur, wegen dieser dummen Gala." Die Kellnerin verzieht zwar überrascht erst ihr Gesicht, sagt aber glücklicherweise nichts dazu. Das einzige was sie tut, ist mir ebenfalls eine Zigarette hinzuhalten. "Gegen den Stress", lächelt sie und ich nehme ihr Angebot dankend an. Sie überreicht mir auch ebenfalls ihr Feuerzeug, was mich kurz schmunzeln lässt. Ich stecke mir die Zigarette an und ziehe genüsslich daran. Der Qualm dringt tief in meine Lungen und ich bin ihr überaus dankbar für ihre Hilfe. "Wie heißt du eigentlich?", frage ich sie dann noch irgendwann und schenke ihr einen fragenden Blick. "Naima", antwortet sie und drückt ihre Zigarette schon aus. "Und du?", entgegnet sie mir ein wenig interessiert. "Mary", lächle ich ihr zu und halte ihr meine Hand hin, welche sie lachend schüttelt.
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Me and my millionaire
Teen FictionNew York, 2015- Mary hat nun schon seit einiger Zeit ihren Abschluss hinter sich gebracht und treibt sich nun durch ein paar Jobs ein wenig Geld fürs College zusammen. Denn in der Stadt die niemals schläft gibt es mehr als genügend Möglichkeiten. Si...