Kapitel 10

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Damiens Sicht:

Seit der Nacht von Caitlyn und Blaises Hochzeit hatte Scarlett sich immer mehr zurückgezogen. Sie hatte Angst, das wusste ich und vor allem hatte sie Angst davor ihre Angst zu zeigen. Sie wollte nicht schwach wirken. Ich wollte ihr klarmachen, dass es nicht schlimm war seine Gefühle zu zeigen. Es war nur menschlich, aber sie ließ mich kaum noch an sich heran. Und dabei hatte es sich doch gerade alles zum Guten gewendet. Das dachte ich jedenfalls. Ich wusste auch, dass es Opfer bedeutete mit Scarlett zusammen zu sein, aber ich war bereit ihr alles zu geben. Ich liebte sie. Auch wenn das bedeutet, dass wir nie eine Familie haben würden.

Auch im Ministerium war es nicht einfach für mich. Viele meiner Kollegen und auch Freunde hatten die Aufgabe bekommen Scarlett nie aus den Augen zu lassen. Harry vertraute meine Einschätzung von Scarlett nicht, auch wenn er sich oft bei mir dafür entschuldigte. Doch ich konnte ihm keinen Vorwurf machen. Ich hätte vermutlich genauso gehandelt.

Ich konnte mittlerweile auch die Drohbriefe, die Scarlett bekam nicht mehr zählen. Ich hatte einen Bann auf unsere Wohnung gelegt, so dass alle Eulen kurz vor unserem Haus kehrtmachen mussten und in mein Büro flogen. Ich hatte jeden einzelnen gelesen. Manchmal saß ich noch eine Stunde nach Dienstschluss in meinem Büro, um mich zu sammeln. Ich wollte nicht, dass Scarlett mitbekam, wie sehr mich die schrecklichen Anschuldigungen von so vielen Hexen und Zauberern an sie erschreckten. Hatte sie das alles wirklich getan und hatte sie so vielen Morden tatenlos zugesehen?

Die Artikel von Rita Kimmkorn halfen auch nicht besonders meine Stimmung zu verbessern. Sie kramte mindestens einmal in der Woche irgendeine „Exklusivstory" aus Scarletts Vergangenheit heraus. Sie stand auch immer häufiger vor meinem Büro, um mit mir ein „Exklusivinterview" zu führen.

Mit einem Seufzen schließe ich die Tür meines Büros. Es war ein langer Arbeitstag. Einer dieser Tage die sich zäh wie Muggel-Kaugummi dahinziehen und an denen man sich einfach nicht auf das konzentrieren kann, worauf man sich konzentrieren sollte. Okay, wenn ich ehrlich bin, geht es schon seit drei Wochen so. Seit der verhängnisvollen Nacht...

Ich erreiche den Aufzug. Er ist schon ziemlich voll, doch da ist noch Platz für zwei oder drei weitere Zauberer. Bevor ich den Aufzug betreten kann, quetscht sich jedoch Gavin Lancaster an mir vorbei. Er versucht den Platz so gut wie möglich auszufüllen und grinst mich fies an.

„Der Aufzug ist voll. Hier ist kein Platz für Verräter, die sich mit Todesser-Schlampen einlassen!"

Ich verdrehe die Augen. Seit bekannt ist wie ich zu Scarlett stehe bin ich an Anfeindungen auf der Arbeit gewöhnt, auch wenn nicht alle dabei so offensiv vorgehen wie Gavin. Am Anfang hat es mich wirklich wütend gemacht, doch inzwischen habe ich mich damit abgefunden.

Da ich heute wirklich keinen Nerv darauf habe mich mit Gavin herumzuärgern, schließe ich die Aufzugtür mit einem Schlenker meines Zauberstabs, sodass die laut zuknallt und der Aufzug losfährt. Ich drehe mich um und nehme die Treppe.

Kurze Zeit später lasse ich mich auf einen Stuhl im Tropfenden Kessel fallen, wo Julien bereits mit zwei Butterbieren auf mich wartet. Er schiebt eins davon zu mir herüber.

„Erzähl!", fordert er mich auf.

„Das ist ja mal eine nette Begrüßung für seinen besten Freund, den man gefühlt ewig nicht gesehen hat.", entgegne ich trocken und wende mich meinem Butterbier zu.

„Wir sind nicht hier um nette Begrüßungen auszutauschen. Du musst dir ganz offensichtlich mal deine Probleme von der Seele reden und als dein bester Freund bin ich natürlich der perfekte Zuhörer."

„Klingt nach einer Therapie-Sitzung."

Julien schmunzelt. „Nenn es wie du willst. Aber fang an zu reden."

Ich sehe ihm an, dass er sich Sorgen macht. Wir haben uns wirklich schon länger nicht gesehen, er weiß nicht was los ist, nur dass etwas los ist.

„Es besteht die Chance, dass Scarlett schwanger ist.", presse ich hervor.

„Oh. Okay. Aber das ist doch eigentlich nichts Schlimmes."

„Für sie schon. Sie... sie will keine Kinder. Sie meint die Bürde ihr Kind und das Enkelkind des dunklen Lords zu sein sollte niemand tragen müssen." Jetzt sprudeln die Worte nur so aus mir heraus. „Ich kann ja auch nachvollziehen, dass das Kind es nicht leicht hätte. Aber es würde klarkommen. Ich meine es ist schließlich das Kind von Scarlett und mir. Außerdem ist das doch kein Grund auf das Glück einer Familie zu verzichten! Ich meine klar, wir sind noch recht jung, man müsste nicht jetzt sofort ein Kind haben, aber irgendwann... Aber wenn es jetzt schon so weit ist, dann ist es halt so! Da kann man jetzt auch nichts mehr dran ändern, also sollte man das Beste daraus machen. Aber Scarlett... Sie ist seitdem wieder so unnahbar. Sie wartet auf Gewissheit und das nimmt anscheinend ihr ganzes Denken ein. Und ich kann ihr einfach nicht helfen! Wenn ich versuche mich ihr zu nähern, zuckt sie zurück, wenn ich versuche sie mit Worten zu trösten, sagt sie nur ich verstehe es nicht. Ich... Wenn ich nur besser aufgepasst hätte, so etwas vorhergesehen hätte..." Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

„Damien.", sagt Julien nach einer Weile, „Mach dir keine Vorwürfe. So etwas passiert. Wenn du ihr jetzt nicht helfen kannst, dann gib ihr den Abstand den sie braucht. Auch wenn es schwer ist. Bis ihr Gewissheit habt kannst nichts tun."

Ich seufze und kippe den Rest meines Butterbiers herunter. „Das Leben ist verdammt kompliziert.", stelle ich fest. Wieder einmal.

Julien lacht. „Sonst wäre es doch langweilig."

Es hat gut getan Julien alles zu erzählen. Aber es ändert nichts. Die Probleme bleiben.

Ich appariere in meine Küche. Bevor ich überhaupt richtig angekommen bin, liegt Scarlett in meinen Armen. Sie weint hemmungslos.

„Was ist los?", frage ich und komme mir sogleich total bescheuert vor. Es kann nur eines sein.

„Ich bin schwanger!", schreit sie, windet sich aus meinen Armen, schnappt sich einen Teller von der Arbeitsplatte und schmettert ihn gegen die Wand. Es ist nicht der erste, der ihrer verzweifelten Wut zum Opfer fällt, doch ich bemerke die Scherben kaum.

„Du bist schwanger.", hauche ich. Der Gedanke haut mich um. Natürlich wusste ich seit Wochen, dass die Chance besteht, aber es jetzt wirklich zu wissen, ist etwas ganz Anderes. Im ersten Moment bin ich einfach nur geplättet, dann beginnen meine Gedanken sich zu überschlagen. Ich sehe wie die Zukunft sein könnte. Ich bin glücklich, eine Familie mit Scarlett, das ist es was ich will. Doch dann schleichen sich andere, düstere Visionen ein. Scarlett, wie sie einen Weg findet das ungeborene Kind in ihr zu töten (ich habe einmal gehört, dass die Muggel so etwas können). Scarlett, wie sie das Kind weggibt, zu einer Mutter die es ihrer Meinung nach verdient hat. Ich versuche verzweifelt, diese Gedanken wegzuschieben.

„Damien? Willst du gar nichts dazu sagen?", fragt Scarlett.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich noch immer wie vom Blitz getroffen in der Küche stehe.

Ich sehe sie an. Ihr Gesicht ist nass und gerötet, ihr Blick verzweifelt. Und doch ist sie wunderschön.

„Ich liebe dich.", sage ich, „Und ich werde das Kind lieben. Ich werde es lieben, mit dir eine Familie zu haben. Das ist für mich alles, was zählt."

Sie öffnet den Mund. Schließt ihn wieder. Es kommen neue Tränen.

Ich nehme sie in den Arm.


A/N

Und das nächste Kapitel ist da!!! Werden die Beiden das alles zusammen schaffen? Oder wird Scarlett eine verhängnisvolle Entscheidung treffen?

Über Kommentare und Votes freuen wir uns wie immer sehr!


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