Kapitel 11

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Mittlerweile ist eine Woche vergangen. Abgesehen von Scarlett und mir weiß noch niemand von der Schwangerschaft. Hauptsächlich liegt das natürlich an Scarlett, aber auch ich habe keine Lust von Glückwünschen oder Bemitleidungen überhäuft zu werden. Vor allem, weil ich weiß, dass Letzteres überwiegen wird. Ich schäme mich zwar nicht, dass ich mit Scarlett zusammen bin oder wie auch immer man das nennen kann, aber es bereitet mir ziemlich viele Unannehmlichkeiten. Ich möchte mein Gesicht nicht schon wieder im Tagespropheten sehen oder von Rita Kimmkorn womöglich gewaltsam zu einer Stellungnahme gezwungen werden. So eine Story würde sie sich nie im Leben entgehen lassen.

Es missfällt mir, dass Scarlett den ganzen Tag alleine Zuhause ist. Alleine mit ihren Gedanken. Aber ich kann mir nicht freinehmen. Vielleicht wird ihr ja auch so klar wie bereichernder ein Leben mit einem Kind ist. Trotzdem habe ich jeden Abend, wenn ich nach Hause komme, Angst, dass sie sich was angetan hat.

Meine Arbeit lenkt mich nur bedingt ab. Obwohl der Krieg schon sieben Jahre her ist, wurden immer noch nicht alle Todesser vor Gericht gestellt. Im Moment haben wir wieder eine heiße Spur, die nach Cornwall führt. Seitdem Scarlett wieder aus Askaban raus ist, wurde mir keine Leitung eines Ergreifungskommandos mehr übertragen. Man hat wohl Angst, dass meine Einschätzungsgabe nicht mehr so recht funktioniert. Aber das Schlimmste daran ist, dass genau das nicht stimmt. Seit Scarlett wieder bei mir wohnt, fühle ich einen noch stärkeren Drang alle Todesser in Askaban zu sehen. Und das macht mir Angst. Beurteile ich Scarletts Taten nur deshalb als nicht so schlimm, weil ich sie liebe? Kann ich meiner Einschätzungsgabe dann überhaupt noch vertrauen? Das ist das Kernproblem: Vertrauen. Vertraue ich Scarlett genug, um zu wissen, dass sie sich nie wieder in ihr „Todesser-Ich" verwandelt? Vertraue ich ihr genug, um sie mit meinem ungeborenen Kind alleine in unserer Wohnung zu lassen? Ich weiß nicht, ob ich beide Fragen mit einem klaren ja beantworten könnte. Doch was ich weiß, ist, dass ich einen positiven Effekt auf sie habe, der sie erdet. Hoffe ich auf jeden Fall.

Scarletts Sicht:

Es gibt Momente im Leben, in denen man einfach nur verschwinden, oder aber gewissen Flüche auf gewisse Anwesende abfeuern will. Dies ist einer dieser Momente. Und doch zwinge ich mich nichts dergleichen zu tun.

Ich sitze am Esstisch im großen Salon des Malfoy Manor, zusammen mit Lucius, Narzissa, Draco, Astoria, Sienna, Julien und Damien. Ein Familienessen. Oder sowas. Es herrscht eine krampfhafte Atmosphäre. Lucius und Damien haben eine eindeutige Abneigung gegen einander.

Narzissa lässt immer wieder durchblicken, dass sie es lieber hätte ich würde bei ihr wohnen.

Sienna bemüht sich das Gespräch in unverfängliche Bereiche zu lenken und unterhält sich deshalb mit Narzissa und Astoria über Schwangerschaften und Babys im Allgemeinen. Das wiederum macht Damien neben mir ziemlich nervös und Julien wirft uns immer wieder bedeutsame Blicke zu, dass das jetzt ein guter Moment wäre um von meiner Schwangerschaft zu erzählen. Ich weiß, dass wir das früher oder später tun sollten und dass das sicherlich nicht von allen gut aufgenommen wird. Dennoch ist das nicht der Hauptpunkt für mein Unwohlsein.

Ich will weg von hier, weil ich immer wieder daran denken muss, was ich an diesem Esstisch in diesem Salon alles erlebt habe. Natürlich sind da gewisse Kindheitserinnerungen, doch die werden überschattet von anderem. Todesser-Versammlungen. Mein Vater. Das Aufnahmeritual. Mein erster Mord. Mit fünfzehn Jahren habe ich genau hier Professor Umbridge umgebracht. Genau auf diesem Tisch lag ihre Leiche. Ein hässlicher pinker Klecks inmitten von Dunkelheit. Nicht, dass es besonders schade um Umbridge gewesen wäre, aber ein Mord ist ein Mord. Den Gedanken daran wird man nicht einfach los.

Im Gegensatz zu meinen düsteren Gedanken erscheint mir die Diskussion darüber, wie lange man sein Kind mit Muttermilch stillen sollte, geradezu surreal.

Dennoch lasse ich mir nichts anmerken. Ich bin nicht schwach.

Während ich versuche, die Erinnerungen zu verdrängen, fällt mein Blick auf Skys rosa Kuscheltier. Rosa wie Umbridges schreckliche Kleidung. Mir wird schlecht. Und das liegt sicherlich nicht an meiner Schwangerschaft.

„Scarlett, Liebes, stimmt etwas nicht?", fragt Narzissa besorgt. Erst jetzt merke ich, dass ich wie hypnotisiert das Kuscheltier anstarre, während alle anderen schon längst essen.

„Ich... ich habe keinen Hunger mehr.", flüstere ich.

„Ist es nur das? Du bist schon den ganzen Tag so still.", bohrt Narzissa weiter nach.

Bevor ich antworte, spüre ich wie etwas meine Wange trifft. Sky hat begonnen mit Erbsen zu werfen. Narzissa lenkt ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Quasi-Enkelin.

„Und wie geht es unserer kleinen Sky? Freut sie sich schon auf ihre Geschwister?", fragt Narzissa.

„Ich weiß überhaupt nicht wie das mit noch zwei Kindern werden soll.", funkt Lucius dazwischen, „Als Vater muss man seine Kinder disziplinieren." Er wischt sich eine Erbse von seinem Jackett. „Und das scheint ja bei einem schon nicht zu funktionieren."

„Lucius!", zischt Narzissa.

„Wieso ist doch wahr", verteidigt sich Lucius hochnäsig, „Zum Glück ist Scarlett noch nicht mit Dashwood verheiratet, ein Balg von ihm könnte ich überhaupt nicht vertragen."

„Tja, da hast du dann wohl Pech gehabt ich bin nämlich schwanger.", spreche ich es endlich aus.

„Du bist schwanger?" Ungläubig guckt Narzissa mich an.

„Ja."

„Dir ist schon klar, dass ihr nicht verheiratet seid?", mischt sich Lucius wieder ein und wendet sich Damien zu.

„Ja und? Es war ja auch nicht wirklich geplant!"

„Nicht geplant? Jetzt ist auch meine zweite Nichte an einen Blutsverräter gebunden! Hast du denn keinerlei Selbstachtung?! Sie ist die Tochter des Dunklen Lords!"

Das ist ja wohl total bescheuert!

„Mein Vater ist tot, Lucius! Er hat keiner Macht mehr über mich! Und du bestimmt auch nicht! Du magst dich ja jetzt mächtig fühlen, doch ich habe nicht vergessen wie du ängstlich vor meinem Vater im Staub gekrochen bist! Du hast weder mir noch Damien etwas vorzuschreiben und wenn wir nicht verwandt wären, würde ich mich schon längst nicht mehr mit dir abgeben! Aber auch das wird nicht mehr ausreichen, wenn du so weiter machst. Deine Entscheidung. Soll ich dich nochmal an deine extrem kleine und peinliche Rolle in der Schlacht erinnern? Wieviel Flüche hast du abgefeuert? Zwei?" Höhnisch grinse ich ihn an.

Lucius läuft tiefrot an.

Ich greife nach Damiens Hand und disappariere mit ihm. Ich habe keinen Nerv darauf, mich noch länger mit Lucius herumzuschlagen.

Das war ein dramatischer Abgang, wie ich ihn mochte. Obwohl Lucius mich extrem beleidigt hat, lächle ich am Gedanke daran, wie die anderen jetzt etwas verdutzt im Salon zurückgeblieben sind.

Zurück in der Wohnung starrt auch Damien mich sprachlos an. Erst jetzt wird mir klar, dass ihn mein Verhalten Lucius gegenüber wahrscheinlich an früher erinnert und er es wahrscheinlich nicht gut heißt. Einerseits beunruhigt mich das, doch andererseits bereue ich mein Verhalten nicht. Lucius hatte es eindeutig verdient.

Abwartend sehe ich Damien an. Er fährt sich durch die Haare und fängt an zu grinsen. „Wow. Ich stehe drauf, wenn du das machst, weißt du? Also, solange es gerechtfertigt ist."

Erleichterung macht sich in mir breit. „Und ich stehe auf dieses Grinsen, weißt du?"

„Ach wirklich?", fragt er und überwindet die Distanz zwischen uns.

„Wirklich.", flüstere ich und küsse ihn.

A/N

Ein weiteres Kapitel! Wir hoffen, dass es euch gefällt! Seid ihr genauso froh, wie wir das es endlich heraus ist?

Über Kommentare und Votes würden wir uns freuen!

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