Kapitel 17 - Victorya

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(Level 2; Themsenufer)


Ich hatte nicht gemerkt, wie es zu regnen begonnen hat. Müde lag ich am Ufer. Neben mir Drake. Ich zog meinen Körper neben seinen. Seine Augen waren geschlossen. Lebte er?

Ich versuchte seinen Namen zu sagen, doch es kamen nur verstörende Blubbergeräusche aus meinem Mund.

Ich stupste ihn an. Allein das war so anstrengend wie ein Weltmarathon. Doch Drake bewegte sich nicht. Ich schlug ihn sanft auf die Schulter. Nein. Er war doch nicht ...

„Drake ... Drake!", keuchte ich.

„Lass mich in Ruhe!", stöhnte er und drehte mir den Rücken zu. Er lebte! Erleichtert ließ ich mich auf den Rücken fallen. Jetzt merkte ich, wie kalt mir war. An der Luft war es noch viel kälter als im Wasser. Wir mussten aufstehen!

Langsam richtete ich meinen triefend nassen Körper auf. Meine Kleidung musste Tonnen wiegen. Ich sah auf das rauschende Wasser im Fluss.

Hinter uns hielt ein Auto. Der Motor ächzte. Dann war es still. Schwere Schritte liefen über den Kies.

Knirsch. Knirsch. Knirsch.

Ich wollte mich umdrehen, doch ich konnte nicht. Mein eiskalter Körper hörte nicht auf mich.

Ich hörte ein dumpfes Geräusch. Ich spürte Schmerz an meinem Hinterkopf. Und ich sah die Dunkelheit, die plötzlich über mich hereinbrach.

Als ich meine Augen wieder öffnete, wurde ich von einer grellen Lampe, die direkt über meinem Kopf hing, geblendet. Reflexartig drehte ich mich zur Seite und fiel. Verzweifelt wollte ich etwas greifen.

Mit einem Knall und mehreren weiteren Krankenhausutensilien landete ich auf dem harten Betonboden. Um mich herum drehte sich alles. Es dauerte einige Minuten, bis ich mich zu Recht fand.

Ich war in einem kleinen Raum. Die gerillten Wände waren aus grünlichem Plastik. Ein Vorhang ersetzte die Tür. Es musste eine Art Notkrankenstation sein. Als ich aufstand spürte ich den feinen, weichen Stoff auf meiner Haut. Wo waren meine Klamotten?! Ich lief Barfuß in einer Leggins und einem ärmellosem Top. Eine weiße Bluse ersetzte meine Jacke.

Und plötzlich fiel mir auf, dass alleine ich war. Ich lief durch den Vorhang und sah nebenan weitere Kabinen. Waren es Zimmer oder Krankenstationen? Wo war ich hier? Es sah aus wie ein steriler Slum.

Am Ende des Flures traf ich auf eine kahle Betonwand. Mist, Sackgasse.

„Okay ...", flüsterte ich in mich hinein. „Drake?", rief ich leise, „Drake?!"

Und als ich mich wieder umdrehte, blickte ich nicht wie erwartet wieder in den Gang aus Plastikzimmern. Zwei große, blaue Augen starrten mich an. Erschrocken taumelte ich einen Schritt zurück. Die Augen gehörten zu einem kleinen Mädchen in einem blauen Kleidchen mit weißer Schleife. Ihr lockiges Haar war mit einem Band zusammengebunden, es glänzte im Schein der LED Lampen golden.

Es starrte mich an wie eine Außerirdische. Ich hörte nur das Geräusch der Lampen, so still war es. Ich überlegte, was ich sagen sollte. Was sollte ich fragen? Doch bevor ich mich entscheiden konnte, kehrte es mir den Rücken zu und rannte weg.

„He!?", rief ich verwirrt und lief ihr nach.

Sie lief den langen Flur entlang, drehte sich kein einziges Mal um, sprintete durch eine Tür an einer mächtigen Betonwand und verschloss sie hinter sich.

Ich hämmerte dagegen. Die Metalltür bekam kleine Dellen. Der Lärm hallte durch die gesamte Halle.

„Hey!", rief ich. „Mach die Tür auf! Du da!"

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