Kapitel 34

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*Bens Sicht*

Das einzige was ich von der Spritze, die Jack mir verabreichte, spürte, war der starke Druck, als er die Kanüle runterdrückte und das Brennen, als das Betäubungsmittel durch meinen Hals und meinen Kopf rannte. Es ging schnell. Es war eine Tat von nicht mal drei Sekunden. Vor lauter Schreck öffnete ich noch kurz meine Augen, um zu sehen wer dort stand. Als ich dann sah, dass sich Jack vor meinem Bett befand, fing mein Herz an schneller zu pochen. Adrenalin schüttete sich aus und Angstschweiß bildete sich, doch bevor ich etwas sagen konnte, wurde alles um mich rum schwarz.
Diese Schwärze legte sich über mich, wie ein Schatten. Ich stand nun alleine in der Dunkelheit. Doch war es nicht nur Dunkelheit, in der ich mich da befand. Als ich meine Augen öffnete befand ich mich in einem kleineren Raum. Ich schwebte nur ein paar Zentimeter über dem Fußboden und atmete keuchen ein und aus. In dem Raum, befand sich ein kleines Fenster, welches mit dem schwachen Schein des Mondes das Zimmer flutete. Es stand leer. Bis auf einen kleinen Gegenstand...
Ein kleines Bett. Es stand in der hintersten Ecke des Raumes. Wo war ich und was war hier passiert? Plötzlich hörte ich eine Stimme. Es war Jacks  aufgeregte, belustigte Stimme. ,,Weißt du, warum ich das jetzt gleich mache?", flüsterte er. ,,Kannst du es dir nicht mal denken?"

Eine kalte Angst überkam mich. Doch hatte ich wahrscheinlich nicht nur aufgrund dessen Angst, dass ich vermutlich gleich sterben würde, denn mir kam dieses Zimmer so merkwürdig vertraut vor. Es war als wäre ich schon mal hier gewesen. Plötzlich wurde das Zimmer hinter mir ebenfalls von Licht überflutet und ich drehte mich zögernd um. Mein Herz schlug in unregelmäßigen Abständen so laut, dass ich kaum meinen keuchenden Atmen wahrnahm. Als ich mich umdrehte sah ich die Lichtquelle. Es war ein Fernseher. Doch kein neumoderner Flachbild-, sondern ein älterer Antenenfernseher. Zuerst sah man nichts außer einen weißen, flackernden Bildschirm und man hörte nichts außer einem unangenehm lauten Rauschen. Doch bei genauerer Betrachtung, wurden nach un nach Umrisse erkennbar. Es waren die Umrisse von 2 Personen. Ich wagte mich näher heran zu gehen und setzte mich vor die flackernde, rauschende Kiste. Das Bild wurde von Sekunde zu Sekunde klarer und das Rauschen ließ ebenfalls etwas nach. Ich erschrak, als ich erneut Jacks Stimme hörte. Er schrie aufgebracht: ,,WEIßT DU VERDAMMTER SCHWACHKOPF ES NICHT?? BIST DU WIRKLICH SO BESCHEUERT DU ARSCHLOCH???''      Ich hörte das Knarren meines Bettgestells, ich vermutete, dass sich Jack auf das Bett stützte, und anschließend hörte ich ein flüstern. ,,Es ist meine Rache für Jane. Und es ist mein Geschenk für Lucy... Sie soll für das was sie mir angetan hat büßen, für das was sie Jane angetan hat...'' Er verstummte für einen Augenblick und fügte dann lachend hinzu:,, Und dass funktioniert nur mit deiner Leiche!!''  Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Fernseher, der nun stimmenartige Geräusche hervorbrachte. Es war wie eine art murmeln. Als wenn jemand stetig im selben Tonfall den selben Satz wiederholen würde. Das Bild hatte sich verschärft und die erkannte nun die Schatten zweier Personen. Sie standen sich gegenüber. Die linke schien etwas größer zu sein, als die rechte. Ihr Mund öffnete und schloss sich im immer gleichbleibendem Abstand. Plötzlich kehrte das Rauschen wieder zurück und wurde begleitet von einem unangenehmeren piepen. Es zog stechend durch meine Ohren zog zu meinem Gehirn. Ein stechender Schmerz zog durch meinen Körper. Ich biss die Zähne fest zusammen und hielt meine schmerzenden Ohren zu. Meine Augen richtete ich weiterhin auf den Fernseher, jedoch kniff ich auch diese etwas zusammen. Das Rauschen wurde lauter und schmerzhafter. Ich ließ einen schrillen Schrei von mir und hoffte, dass es schnell verschwinden würde. Nach nicht mal einer Minute verstummte das Geräusch endlich und der Bildschirm wurde schwarz. Immer noch in dieser Position verbleibend sah ich mein Spiegelbild im Fernseher. Die Hände fest auf die Ohren gepresst, Zähne zusammengekniffen und Augen halb geschlossen. Ich saß dort, als wäre die Zeit stehen geblieben. Als wäre ich aus Stein.

Nachdem etwa eine Minute in der Stille vergangen war, erschien in der Mitte des Bildschirms ein kleiner, weißer Punkt. Er verlängerte sich und wurde zu einem schmalen Spalt, der in innerhalb von Sekunden erneut wuchs, sodass nun der Bildschirm weiß aufleuchtete. Noch bevor ein Bild zu sehen war, hörte ich bereits Gelächter und Geschrei. Die Stimmen waren Anfangs laut, doch verklangen sie zum Ende hin immer weiter. Es war als wäre ich in einem Tunnel gefangen. Immer wieder kamen die Stimmen wieder auf mich zurück. Doch was mich am meisten verwunderte war, dass auch diese Stimmen mir bekannt waren. Es waren die Stimmen zweier Männer... Als das Bild erschien, riss ich meine Augen auf und staunte. Was ich dort sah, war etwas was ich bereits erlebt hatte. Ich sah eine Gruppe von Schülern, die im Halbkreis versammelt vor einer großen Backsteinmauer standen. Sie standen nur da und taten nichts außer in die Mitte zu sehen. Ich rieb meine Augen, um zu überprüfen, ob das nicht alles nur ein Traum war. Doch als ich sie wieder öffnete, stand ich ebenfalls in dieser gewaltigen Menschenmasse, die mit großen Augen das Geschehen miterlebten.
Ich stand nun mitten in dieser großen Menge. Vor mir standen zwei junge, große Männer. Sie starrten abwertend auf den Jungen hinab, der zusammengekauert an der Backsteinwand hockte, und hatten die Arme vor ihrer Brust verschränkt. Er schaute auf seine Hände. Sie waren voller Blut und seine Nase hatte eine merkwürdige Form. Auch aus dieser strömte Blut. Mit angewinkelten Beinen saß er nun auf dem blanken Betonfußboden. Man konnte sein Gesicht, vor lauter Blut, nicht erkennen. Einer der Männer hockte sich vor ihn und grinste schadenfroh. Mit belustigtem Ton in der Stimme sprach er:,, Und ich dachte ihr Nerds könnt nicht bluten, sondern lauft über Herzleiste." Schallendes Gelächter brach aus. Die Gruppe krümmte sich vor lachen, doch der zweite Mann blieb souverän und stand nur grinsend da.
Nun meinte der Mann erneut:,, Ach Ben... Komm schon... Mach es uns doch nicht zu einfach. Wehr dich." "Ben?"
Sofort wurde mir bewusst was dort passierte. Der Junge der dort zusammengekauert saß, war ich. Es war ich. Die beiden Männer waren Erik und Thomas Schiller. Sie waren die angesagtesten Jungs der Schule und, wie der Name wahrscheinlich verriet, Brüder. Der schlimmste von beiden war Erik. Er war derjenige der mich demütigte und verprügelte. Der mir jegliche Ehre an der Schule nahm. Thomas war zwar immer an Eriks Seite und hielt ihn nie davon ab, so wie jeder es eigentlich nie tat, aber tat nie selbst etwas. Erik schnappte mich an meinem grünen Hoodie und zog mich an der Mauer hoch. Ich ließ meinen Kopf zur Seite fallen und Blut tropfte auf den Boden. ,,Das dachte ich mir...", meinte Erik. Er starrte grimmig in meine halb geschlossenen Augen. ,,...Du bist nicht mehr als ein schwaches Stück scheiße. Nicht mehr als ein verdammter kleiner Nerd." Er ließ mich auf den harten Steinboden fallen und ich rieb mir schwach den Hinterkopf. Mein blonder Scheitel fiel auf meine Stirn und die Haare färbten sich rot. Erik drehte sich nun zu der lachenden Masse und steckte die Arme in die Luft. ,,HEUTE ABEND PARTY BEI MIR!!!"
Die Menge jubelte und der Halbkreis löste sich auf. Selbst als es zur weiteren Unterrichtsstunde klingelte und selbst als es langsam zu nieseln begann, blieb ich wie tot auf dem Boden liegen. Inzwischen hatte meine Nase aufgehört zu bluten und auch der Schmerz war verflogen, doch hatte ich irgendwie Angst davor, noch einmal über diesen Schulhof zu gehen. Ich hatte Angst davor nochmal anderen Mitschülern zu begegnen und noch einmal vor anderen Gedemütigt zu werden. Ich stand weiterhin an der Stelle vor dem zusammengekauertem, 17 jährigen Jungen mit blutverschmiertem Gesicht. Als es stärker anfing zu regnen wollte ich zu ihm und versuchen ihn mir anzusehen. Ich wollte wissen, was mich in diesem Moment wirklich davon abhielt aufzustehen und wegzulaufen. Ich wollte wissen, was der Grund war, dass ich mich nicht gegen ihn gewährt hatte. Doch, als ich einen weiteren Schritt näher kam verschwamm mein Blickfeld und nach zwei Schritten konnte ich nichts mehr sehen außer purer Lehre...

Jeff the Killer versteckte ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt