Es war wie ich erwartet hatte. Laut. Stickig. Voll. Voller als noch vor ein paar Stunden, als Simon und ich hergekommen waren. Unangenehmer. Ich konnte kaum zwei Meter gehen, ohne gegen jemanden zu stoßen. Erik neben mir ging es nicht anders. Er hatte die Tür nach draußen wieder geschlossen. Der angenehme Luftzug erstarb. Schloss mich ein. Zusammen mit den ganzen Leuten um mich herum.
„Weißt du, wo hier die Toiletten sind?", brüllte ich Erik ins Ohr.
Der Bass dröhnte. Ließ den Boden vibrieren. Eine Unterhaltung in normaler Lautstärke war unmöglich.
Erik nickte nur vage in eine Richtung. Nahm mich sanft am Ellbogen und führte mich durch die tanzenden Menschen. Wenn sie nicht tanzten, dann standen sie in Gruppen zusammen und tranken aus billigen Plastikbechern. Meinen Bruder sah ich nicht. Auch sonst niemanden, den ich kannte. Den Traum von Sebastian Kienle hatte ich aufgegeben. Bei sowas würde der sich bestimmt nie blicken lassen.
Erik führte mich einmal quer durch den Raum. In Richtung der Tür, durch die Simon und ich vor einigen Stunden gekommen waren. An der Wand links daneben war eine weitere Holztür. Er drückte sie auf. Knipste das Licht an. Um sicherzugehen, ob es leer war, wie ich annahm.
„Ich warte hier draußen auf dich", brüllte er mir zu.
Als Antwort nickte ich nur. Ich hatte keine Lust, gegen die Musik anzuschreien.
Schnell schloss ich die Tür hinter mir ab. Die Musik war deutlich gedämpft. Dennoch spürte ich den Bass unter meinen Füßen vibrieren. Ich drehte mich in den Raum. Er war recht klein. Mir gegenüber war ein kleiner Spiegel. Darunter ein Waschbecken. An der Wand daneben eine Toilette. Die Wände und der Boden waren gefliest. Es sah teuer aus. Und sehr edel. Wie das Holz an der Tür.
Doch mein Blick war gefangen von dem Spiegel. Von meinem eigenen Anblick.
Langsam ging ich näher heran. Bis ich dicht vor dem Glas stand. Schaute mich selbst an. Die junge Frau im Spiegel vor mir. War das ich? Ich hob eine Hand. Mein Spiegelbild tat es mir gleich. Doch es sah mir nicht ähnlich. Nicht so, wie ich mich in Erinnerung hatte. Als ich mich für die Party hier fertiggemacht hatte, was ein ziemlich übertriebener Ausdruck war, war ich genervt gewesen. Meine Haare hatte ich einfach zusammengebunden. Ohne besondere Mühe. Wie immer eben.
Jetzt sah ich anders aus. Meine braunen Augen strahlten mich an. Sie funkelten. Vergnügt. Wie noch nie. Ließen mein Gesicht hübscher erscheinen. Nahmen meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Es war so unwirklich. Ich hatte mich noch nie so gesehen. Noch nie mit einem solchen Ausdruck in den Augen.
Ich konnte nur vermuten, weshalb es so war. Wegen Erik vielleicht?
Bei dem Gedanken zog sich mein Magen kurz zusammen. Der Anflug eines Lächelns schlich sich auf meine Lippen. Erklären konnte ich es nicht. Es passierte einfach.
Ich schüttelte nur den Kopf. Zog das Gummi aus meinen Haaren. Sie fielen mir in sanften Wellen bis auf die Schultern. Das dunkle Braun glänzte. Lag es an der Beleuchtung? War hier irgendetwas mit dem Licht anders?
Erneut schüttelte ich den Kopf. Meine Haare flogen um meinen Kopf. Zerzausten ein wenig. Es kümmerte mich nicht weiter. Wer sollte mich schon großartig sehen? Wen würde es interessieren?
Erik!
Es war nur ein leiser Gedanke in meinem Hinterkopf. Den ich schnell wieder verdrängte. Ich kannte ihn ja nicht wirklich. Warum sollte ich so viel an ihn denken? Nur, weil er gerade für zwei Minuten nicht bei mir war. Er war nur mein Retter auf dieser Party. Dank dem ich überlebte. Oder?
Er wartete draußen auf mich. Ich sollte mich beeilen, dachte ich mir. Es war ja keine Ausrede gewesen, dass ich aufs Klo musste.
Nur wenige Minuten später öffnete ich die Tür zum Partygeschehen wieder. Eine Rothaarige drückte sich mit säuerlichem Gesichtsausdruck an mir vorbei in das kleine Badezimmer. Ups, da hatte ich mir wohl doch etwas Zeit gelassen. Wirkliche Reue verspürte ich dennoch nicht.
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Und Wenn Die Nacht Endet (Erik Durm)
Fanfiction„Ich bin nur wegen meinem Bruder hier. Er hat mich hierher gebracht.“ „Und wieso bist du dann noch hier, wenn es dir nicht gefällt?“ Ich lächelte nur. „Ist das nicht offensichtlich?“ Eine Party. Eine Begegnung. Eine gemeinsame Nacht.