3.57 Uhr

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„Trotzdem kommt es so rüber." Ich machte eine Pause. Schaute kurz weg. „Als sei es etwas verrücktes, dass ich andere Interessen habe, als die Mädchen in meinem Alter."

„Sorry, so sollte es nicht rüberkommen." Er schüttelte den Kopf. Neugierde blitzte in seinen Augen auf. „Aber wenn du es schon ansprichst, was sind denn genau deine Interessen?"

Ich verdrehte die Augen. „Hast du das nicht mitbekommen? Nach zig Stunden, die wir hier zusammen sitzen und uns über dies und jenes unterhalten?" Dennoch lächelte ich ein wenig. Es war schön, Aufmerksamkeit zu bekommen. Jemanden bei sich zu haben, der sich für mich interessierte. Für mich und meine Interessen.

„Du machst gerne Sport."

„Siehst du. Da hast du doch schon die Antwort auf deine Frage."

„Aber abgesehen davon. Was interessiert dich noch? Was machst du gerne?", drängte Erik weiter.

„Hm, also Mathe ist eigentlich ganz cool", überlegte ich.

„Natürlich. Wie konnte ich Mathe vergessen." Sarkasmus schwang in seiner Stimme mit.

Angesichts seiner Worte musste ich lachen. „Ich meine es echt ernst. Mathe macht Spaß. Mochtest du es nicht?"

„Mathe? Wer macht das freiwillig?" Er schnaubte verächtlich auf.

„Ich!"

Für ein paar Sekunden betrachtete er mich schweigend. Mich und mein trotziges Grinsen. „Okay, ich hab mich doch geirrt." Er machte eine kurze Pause. Das Stirnrunzeln verschwand. Wich einem Lächeln. „Du bist verrückt."

„Siehst du. Das krieg ich immer wieder zu hören."

„Aber bestimmt nicht, weil du Mathe magst."

„Nee, das nicht. Da gibt es noch andere in meiner Klasse." Ich lachte bei der Erinnerung an meine Schulklasse. Sie schien mir so weit weg in diesem Moment. So ungreifbar. Wie in einer anderen Welt. Einem anderen Universum. Ganz weit weg. Unerreichbar für den Moment. Unscheinbar. Nichtssagend.

„Warum dann?"

„Wegen meinem Sport. Niemand kann es nachvollziehen. Warum ich so viel Zeit darin investiere. Warum ich deswegen sogar zweimal eine Klasse wiederhole." Ich lehnte mich ebenfalls seitlich an die Rückenlehne an. Schaute Erik an. Wieder waren wir ernst geworden. Wie schnell es sich gewandelt hatte. Die Stimmung. Einfach so. Ohne unangenehm zu sein.

„Wenn es deine Leidenschaft ist..."

„Das ist es."

Er lächelte. Ehrlich. „Dann ist es doch nur logisch, dass du so viel Zeit wie möglich damit verbringst."

„Eben. Aber das kann eben nicht jeder nachvollziehen. Erst recht nicht in diesem Alter." Ich spielte mit dem Ende der Fleecedecke herum.

„Was sagen deine Freunde dazu? Dass du nicht viel Zeit hast für sie."

Wieder schaute ich zu ihm auf. „Meine Freunde treffe ich beim Sport. Meine richtigen Freunde. Der Rest ist eben da. Sie glauben nur, mich zu kennen." Meine Stimme wurde immer leiser. Ich schaute wieder nach unten. Auf meine Finger. Die noch immer mit der Ecke der Decke spielten.

„Hey." Erik sprach leise. Legte zwei Finger an mein Kinn. Drückte meinen Kopf leicht nach oben. Dass ich ihn wieder ansehen musste. Er lächelte. Leicht. „Jetzt hast du mich. Ich bin für dich da."

Ich erwiderte sein Lächeln. „Danke, das ist lieb."

Schlagartig veränderte sich der Ausdruck in seinem Gesicht. Er nahm seine Finger von meinem Kinn. Kälte ersetzte die Wärme seiner Haut. „Echt jetzt? Ich bin lieb?" Skeptisch schaute er mich an.

Und Wenn Die Nacht Endet (Erik Durm)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt