„Du bist ja richtig technikfeindlich." Es war eine Feststellung. Weiter nichts. Aber dennoch hörte ich so einen Unterton in seiner Stimme, den ich nicht zuordnen konnte. Überraschung vielleicht?
„Nein, das nicht." Ich schüttelte den Kopf.
„Sondern?"
„Ich finde das alles ja nicht grundsätzlich schlecht. Ich arbeite ja selbst mit Sportuhren, Pulsmesser und den Auswertungen am Computer. Und auch sonst ist Technik ja nichts Schlechtes. Wir brauchen sie ja, stell dir nur vor, was ohne Strom wäre? Nur diese... diese totale Abhängigkeit von beispielsweise Handys ist das, was ich nicht mag. Was mir Angst macht." Ich machte eine kurze Pause. Suchte den Blickkontakt zu ihm. Er hing geradezu an meinen Lippen. Hörte mir zu. Aufmerksam wie selten jemand. Und es ermutigte mich. „Ich meine, wo soll das hinführen? Sitzen wir dann in zehn, zwanzig Jahren nur noch vor den Bildschirmen? Gehen wir dann überhaupt noch raus? Gibt es dann Sport noch, so wie wir ihn kennen? Oder ist dann alles nur noch online?"
Er schwieg kurz. Wich meinem Blick aber nicht aus. „Solche Gedanken habe ich mir da noch nie drüber gemacht."
Ich lächelte. Es wirkte dünn. Das wusste ich auch, ohne mich selbst dabei zu sehen. „Warum sollte man sich auch Gedanken darüber machen? Wenn man doch ganz zufrieden ist mit seiner Illusion von Kommunikation und Zusammenkommen mit den Freunden ist? Und es nicht schlimm findet, den ganzen Tag vor einer digitalen Kiste zu sitzen."
„Wie... wie kommst du darauf, so etwas zu denken? Du bist 18 Jahre alt. Oder jung, besser gesagt. Als ich so alt war, da hab ich mir ganz andere Gedanken gemacht." Bewunderung schwang in seiner Stimme mit.
„Naja, als du 18 Jahre alt warst, da war die Technik auch noch nicht so weit und die Menschen noch nicht so abhängig davon." Ich zwinkerte ihm zu. Er war zwar nur fünf Jahre älter, aber dennoch musste ich ihn ein wenig damit necken.
„Haha, sehr witzig." Er verdrehte nur die Augen.
„Ich gebe es ja zu, ich hab ein Buch in diese Richtung gelesen und das hat mir dann die Augen geöffnet. Und wenn du dann anfängst darauf zu achten, dann fällt dir auf einmal so viel auf. So viel, was nicht stimmt." Ich machte eine Pause. Wandte den Blick kurz ab. Schaute auf meine Finger. Meine Nägel glänzten in dem schwachen Licht. „Wann hast du das letzte Mal so lange mit jemandem geredet? Also richtig. Nicht gechattet. Sondern wirklich von Angesicht zu Angesicht."
Erik schwieg. Schaute weg. Fuhr sich durch die Haare. Stieß laut die Luft aus. „Das ist echt eine gute Frage..."
Ich ließ ihm weiter Zeit. Schaute ihn so lange einfach an. Wollte sein Minenspiel nicht verpassen. Seine Reaktion. Kein einziges Blinzeln wollte ich verpassen.
„Also wirklich über Stunden... Puh, das war... schon ein bisschen her. Mit meiner Ex-Freundin damals."
Aufmunternd lächelte ich. „Na immerhin. Das ist doch das Wichtigste in einer Beziehung."
„Wir haben uns gestritten."
„Oh. Das war dann natürlich... nicht so schön."
„Sagen wir so, es war nötig." Er lachte auf.
„Du scheinst es ja ziemlich gelassen zu nehmen."
Er zuckte mit den Schultern. „Man lebt sich auseinander. Nach einer gewissen Zeit." Er machte eine Pause. Runzelte die Stirn. „Oder eben nach fünf Wochen."
Ich lachte auf. Und er machte mit. An der Situation war nichts Lustiges. Nicht direkt. Aber er selbst zog es ein wenig ins Lächerliche. Ansonsten hätte ich es selbst nicht als angebracht empfunden, darüber zu lachen.

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Und Wenn Die Nacht Endet (Erik Durm)
Fanfictie„Ich bin nur wegen meinem Bruder hier. Er hat mich hierher gebracht.“ „Und wieso bist du dann noch hier, wenn es dir nicht gefällt?“ Ich lächelte nur. „Ist das nicht offensichtlich?“ Eine Party. Eine Begegnung. Eine gemeinsame Nacht.