Zwillinge

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Als eine der Puppen sich in der Vorratskammer einen Strick in Form eines Stromkabels genommen hatte, begann die Sache, die Oberhand zu gewinnen.

Ich meine, ich hatte erwartet, früher oder später wieder überrascht und erschreckt zu werden, doch ich möchte euch bitten euch das vorzustellen: Ihr öffnet fröhlich pfeifend die Vorratskammer, bereit, euch aus dem Regal ein Glas Nuss-Nougatcreme zu holen - und findet euch einer verdammten Puppe gegenüber wieder, die an einem schwarzen Strick hängt und euch gruselig anstarrt. Habt ihr eine Idee davon, wie ich geschrien haben könnte?

„Noah", fluchte ich, als ich das blonde Plastikwesen mit dem gestreiften Pullover und der geblümten Hose aus dem Griff der Stehlampenschnur befreite. Ich gab zu - dieses Mal hatte er sich selbst übertroffen. Oh Mann, ich hatte mich fast zu Tode erschreckt!

Nachdenklich nahm ich die Puppe in die Hand, betrachtete sie und strich ihr die blonden Haarsträhnen aus der Stirn. Dieses Lächeln. Und die Augen... dies war der Blick eines Killers. Unwillkürlich jagte mir ein Schauer über den Rücken, auch wenn das Spielchen, dass mein Zwillingsbruder und ich schon die ganzen Weihnachtsferien spielten, die Gruseligkeit dieser Puppe und seines identisch aussehenden Kameraden ein wenig ins Lächerliche gezogen hatte. Apropos... wo war der böse Bruder seines nicht minder zwielichtig aussehenden Komplizen hier? Ich schaute mich in der Kammer um - und zog eine Augenbraue hoch, als ich eine Puppe, die ausgesprochene Ähnlichkeit mit der in meinem Arm hatte, auf dem Boden sitzend entdeckte. „Hab ich dich", sagte ich und hob auch sie hoch. Mit beiden Puppen verließ ich die Abstellkammer. Noah war gerade nicht Zuhause - es war also der perfekte Augenblick, um mein nächstes Meisterwerk vorzubereiten.

Am Abend saß ich auf dem Bett und lauschte dem süßen Klang von Noahs Angstschrei, als er nach Hause zurückkehrte und sein Zimmer betreten wollte. „Jasmin! Verdammt!"

Ich zwang mich, nicht aufzulachen. Noah hatte die Babypuppe an seiner Tür stehend vorgefunden, hinter ihr eine Taschenlampe, die sie so anstrahlte, dass die Silhouette sichtbar war, als würde sie gerade nach draußen treten. Es übertraf nicht, wie ich ihm eine der Puppen vor zwei Tagen unter dem Weihnachtsbaum in Geschenkpapier eingepackt überreicht hatte - doch wie es sich anhörte (nämlich wie der Schrei eines kleinen Mädchens), war auch dieser Versuch, meinen Zwillingsbruder zu erschrecken, gelungen.

Noahs schreckliche Rache allerdings ließ nicht lange auf sich warten - und ich gab zu, er war ziemlich kreativ. Es musste daran liegen, dass er vor gar nicht allzu langer Zeit mit seinem Kumpel alle Teile von Chucky, die Mörderpuppe gesehen hatte (was ich für eine ziemlich dumme Idee hielt, wenn man die Tatsache betrachtete, dass wir unter einem Dach mit zwei extrem unheimlichen Puppen lebten, die Chuckys Brüder sein könnten und die im Angesicht unseres unausgesprochenen Wettbewerbs von mir ständig an Stellen platziert wurden, wo sie ihm den Schock seines Lebens bescheren sollten).
Als ich jedenfalls die Tür zu meinem Zimmer öffnete und den Blick hob, fuhr ich unwillkürlich zusammen. "Oh Gott", murmelte ich. "Oh mein Gott."

Ich brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, worum es sich bei diesem Ding handelte. Auf meinem Bett saß ein... Babyriese? Riesenbaby? Der Kopf der einen Puppe ragte aus einem großen schwarzen Mantel, der mit Kissen ausgestopft war, die Füße der zweiten lugten unten hervor.

Amüsiert zog ich eine Augenbraue hoch und grinste schief. Mit meinem Handy machte ich ein Foto, bevor ich die Puppen befreite und mir ein neues Versteck ausdachte. Ein Baby setzte ich auf die Toilettenschüssel im Bad im zweiten Stock, das nur Noah benutzte, und platzierte das zweite ins Regal zwischen die Handtücher. Zufrieden betrachtete ich mein Werk - dann warf ich einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass ich schon spät dran war, wenn ich pünktlich zur Musikschule wollte. Jetzt aber schnell!

~

"Na, alles klar?" Noah drehte sich halb um und warf mir einen Blick über die Schulter zu, als ich die Küche am Abend betrat. Ich stellte den Geigenkoffer ab und streifte mit die vereisten Handschuhe von den Händen. Eiskristalle schmolzen in meinem Haar und tropften mir in den Nacken und ich bekam eine Gänsehaut. "Es ist kalt draußen."

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