Abfahrt!

2.6K 193 13
                                    

"Beeil dich Wynn, sonst kommen wir noch zu spät! ", ruft Mum hoch.
"Komme gleich", rufe ich zurück und sehe mich nochmal im Spiegel an. Blau, grün, graue Augen sehen prüfend an sich herunter, bis sie wieder beim Gesicht angelangt sind.
"Zum Glück, alles sitzt noch an seinem Platz", denke ich erleichtert. Ich bin furchtbar aufgeregt und nervös wegen der Utopia Akademie. Deswegen bin ich heute früh schon um 4:00 Uhr aufgewacht und kann seitdem nicht mehr einschlafen. Schnell schnappe ich mir meinen Rucksack und gleite die Treppen runter. 
In den Sommerferien habe ich es nämlich auch geschafft mir beizubringen in der Luft rumzugleiten. Die Idee hatte ich in einen meiner Träume, die im Übrigen nicht weniger geworden sind, und habe es dann im Laufe des darauffolgenden Tages ausprobiert.
Zum Glück hat mich an dem Tag niemand im Park gesehen, als ich bei den ersten Versuchen immer wieder auf die Nase gefallen bin. Denn sonst hätten sie mich vermutlich für verrückt gehalten, aber egal.
Nach gefühlt tausend Versuchen hat es endlich geklappt und es war und ist immernoch ein unbeschreibliches Gefühl, in der Luft rumzugleiten wie ein Gleithörnchen.
[Ich benutze das Wort gleiten immer aus einem bestimmten Grund, nämlich fliegen wäre ja vom Stand aus solange wie man will, allerdings ist es bei mir anders: ich muss, bevor ich gleiten kann, erstmal an Tempo gewinnen.
Dann kann ich erst und nur eine bestimmte Strecke lang gleiten, die von meiner Geschwindigkeit abhängig ist.
So, ab jetzt benutze ich dafür das Wort fliegen, ihr wisst ja jetzt was ich damit meine ;) ]

Unten angekommen ziehe ich mir meine Schuhe an, während Liko auf mich zukommt.
"Das wird hier voll langweilig ohne dich werden, Schwesterherz!", sagt er traurig.
"Erstens sollst du mich nicht so nennen", Liko fängt an zu grinsen," zweitens bist du sowieso so anstrengend, dass es hier garantiert nicht langweilig wird und drittens komme ich doch schon in den Winterferien wieder. Und hey, ich werde euch doch Briefe schicken, also werden wir dennoch in Kontakt bleiben."
" Na gut, aber schreibe ja viele Briefe und unbedingt darüber, wie die Akademie aussieht!"
"Genau Wynn, mich würde das auch sehr interessieren.", fügt Mum hinzu, die gerade voll beladen mit Essen runter kommt.
"Oh Gott Mum, dass ist doch viel zu viel Essen", rufe ich lachend.
" Unterschätze die Fahrt nicht Wynn, du wirst immerhin 5 Stunden mit dem Zug fahren. Außerdem ist zu viel besser als zu wenig. "
" Da hast du recht", erwidere ich achselzuckend, nehme meine Jacke und stehe auf.

Nachdem ich das Essen in meinem Rucksack verstaut habe und nochmal sicher gegangen bin, dass ich den Brief eingepackt habe,( ich wäre ja sonst komplett aufgeschmissen) tragen wir meinen Koffer in den Kofferraum unseres Autos.
Ich habe nur ein paar T-shirts, Jeans, Langarmshirts, und so weiter eingepackt, weil im Brief stand, dass ich in der Akademie eine Schuluniform tragen würde und nur für Abreise und Ausflüge meine Klamotten bräuchte.
Als wir fertig sind, schließe ich traurig die Haustür ab und verabschiede mich innerlich von meinem Zuhause. Schnell laufe ich schließlich zum Auto, wo Mum und Liko schon ungeduldig auf mich warten. "Auf geht's", denke ich motiviert, während wir aus der Ausfahrt fahren.

Wir verlassen unser Dorf und fahren in den Wald hinein, der sich direkt hinter dem Dorf erstreckt.
"Hier soll ein Bahnhof liegen?", murmelt mein Bruder skeptisch." Nach den Koordinaten im Brief soll der Bahnhof 20 Minuten von unserem Haus entfernt liegen.", erwidert Mum, "Lassen wir uns doch einfach mal überraschen, was wir finden werden: nach den letzten Monaten haben wir ja gelernt, dass alles, was wir für unmöglich hielten, möglich ist. "
Als ich Mum in den Sommerferien gezeigt habe, was ich kann, war sie total ungläubig gewesen und stand deshalb in den nächsten Tagen etwas neben sich.
Das war ihre Art gewesen sowas erstmal zu verdauen. Mir ging es ähnlich, nur dass ich mehr begeistert war was ich alles konnte.
Durch den Busunfall habe ich nämlich das Gefühl, dass sich bei mir irgendwie ein Schalter umgelegt hat und etwas geöffnet hat, von dem ich nicht wusste, dass es existierte.
Vor allem war ich unsicher, weil nach und nach immer neue Fähigkeiten auftauchten.
Bei Frau Zhandara dachte ich, dass ich, wenn überhaupt, nur eine besondere Fähigkeiten besitze. Inzwischen sind es allerdings schon drei.
Ehrlich gesagt bin ich froh, dass Mum nicht umgekippt ist oder so, denn sonst würde ich mich wahrscheinlich selbst hassen und Angst haben meine Fähigkeiten einzusetzen.
Zum Glück kann sie inzwischen mit meinen neuen Fähigkeiten umgehen. Mein Bruder findet es einfach nur wahnsinnig cool. Deswegen ist er auch etwas neidisch auf mich, weil er auch solche "coolen" Fähigkeiten haben will. Wüsste ich nicht, dass es auch noch andere wie mich gibt, käme ich mir inzwischen warscheinlich wie ein Freak vor.
Meine Oma ist wegen ihrem verstorbenen Mann schon daran gewöhnt und Dad hat es auf die gleiche Weise verdaut wie Mum.

Vor Langeweile sehe ich mir den Wald genauer an.
Auf einem Baum jagen sich zwei Eichhörnchen und springen dabei von Ast zu Ast rüber zun nächstem Baum. Lächelnd verfolge ich die beiden und bleibe an zwei grünen Augen hängen. " Moment mal, grüne Augen?!?", durchzuckt es mich wie ein Blitz.
Ich bemerke erst jetzt den Jungen, der sich lässig an einen der Bäume anlehnt.
Meine Augen weiten sich überrascht als ich ihn wiedererkenne: " Kanagan".
Eigentlich ist es unmöglich, dass er mich gehört hat. Nachdem ich aber seinen Namen gesagt habe, zeigt sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.
" Wynn, ich rede mit dir!", ruft Mum in dem Moment zu mir.
Schnell drehe ich mich zu ihr um:" Tut mir leid, was hast du gesagt? "
Stirnrunzelnd sich sie mich durch den Autospiegel an." Wir sind gleich da"
"Okay" erwider ich und schaue schnell wieder raus: aber wir haben längst den Baum und somit Kanagan hinter uns gelassen.
Innerlich seufze ich verwirrt : Ich habe nach meinem Traum mit den Zombieschülern nicht einmal wieder von dieser Leuchtkugel geträumt, geschweige denn von Kanagan. Während der Sommerferien habe ich dann irgendwann gedacht, dass ich ihn mir nur eingebildet habe und badam! Plötzlich fahre ich an ihm vorbei."Na gut, dann ist er halt real.
Aber wenn er real ist, dann ist es vielleicht auch diese Leuchtkugel und diese dunkle Schwester. Das wird ja noch lustig werden.", denke ich. Irgendwie bin ich dennoch erleichtert, dass ich ihn mir nicht eingebildet habe. Weshalb weiß ich selbst nicht genau.
Plötzlich halten wir an." Da wären wir"
Unschlüssig steige ich mit den beiden aus und schaue mich um.
"Hä, hier ist doch gar kein Bahnhof", mault Liko. "Komisch", murmelt Mum verwirrt und ich gebe ihr recht. " Was soll der Quatsch, weshalb habe sie uns Koordinaten gegeben, die zusammen einen Ort im Wald anzeigen, wo nichts ist?!?", frage ich  verwirrt.  "Nichts ist so, wie es aussieht.", flüstert mir eine kleine Stimme in meinem Kopf zu.
Diese kleinr Stimme höre ich seitdem ich den Jungen beim Busunfall geheilt habe ständig, weshalb ich mich über die Ferien an sie gewöhnt habe.
"Wo sie recht hat, hat sie recht.", denke ich und schaue mir die Umgebung genauer an: Um uns herum stehen nur Bäume, von den allerdings eine riesige alte Eiche besonders heraussticht.
Unschlüssig gehe ich auf den Baum zu und schaue ihn mir genauer an.
Etwa in 3 Meter Höhe erkenne ich schemenhaft ein Zeichen, die in den Baum eingeritzt ist.
" Liko, siehst du das Zeichen da oben? Kannst du mir sagen, was es darstellt? "
Liko kneift die Augen zu." Sieht ein bisschen so aus wie eine Schlange oder so."
Plötzlich geht mir ein Licht auf. Ich hole den Brief aus meinem Rucksack und vergleiche das Wappen mit dem Zeichen auf den Baum. Es ist das Gleiche!
Aufgeregt sage ich zu Mum und Liko:" Schaut mal, dass sind dieselben Zeichen, also sind wir hier doch richtig!" "Stimmt, aber wo ist denn jetzt der Bahnhof?", erwidert Mum, nachdem sie sich den Brief und die Zeichnung am Baum angesehen hat.
"Stimmt", murmel ich gedankenverloren.
Plötzlich erinnere ich mich wieder grob an den Satz von Frau Zhandara.
"Der Brief wird dein Eintritt sein, ohne ihn wirst du nicht zum Bahnhof  kommen."
Augeregt frage ich die beiden:" Erinnert ihr euch noch an den ersten Teil von Harry Potter gestern? Er musste da durch diese Wand gehen, um zum Gleis zu kommen. Vielleicht ist das hier genauso. Allerdings denke ich nicht, dass wir durch den Baum durchlaufen sollen.
Frau Zhandara hat doch gesagt, der Brief wäre sozusagen mein Eintritt, also soll ich ihn hier vielleicht irgendwie benutzen oder so." Mum sieht mich zweifelnd an, gibt sich aber letztendlich geschlagen:    " Na gut, mir fällt eh nichts Besseres ein, wir können es ja mal ausprobieren. " Aufgeregt nehme ich den Brief und halte ihn gegen den Baum, aber nichts passiert. Nach ein paar Sekunden sagt Liko: "Probier mal die andere Seite aus" Ich drehe den Brief um und drücke nun die Seite mit dem Siegel gegen den Baum.
Erst passiert nichts, doch plötzlich gehen vom Brief aus leuchtende Linien zum Siegel hinauf.
Das Siegel fängt langsam an zu leuchten und die Erde fängt an zu vibrieren, sodass ich überrascht aufkeuche. Ich taumel ein paar Schritte zurück und falle über eine Wurzel.
So schnell, wie die Vibration gekommen ist, so schnell verschwindet sie auch wieder.
" Was war das denn gerade", frage ich mich verwirrt. "Seht euch das mal am Baum an, dass sieht aus wie eine Tür! ", ruft Liko in dem Moment aufgeregt.
Immernoch verwirrt sehe ich zum Baum: da, wo ich gerade noch mit meinem Brief stand, zeichnen sich jetzt deutlich die Umrisse einer Tür ab. Über der Tür leuchtet hell das Siegel.
Liko springt vor Neugier auf und will gegen die Tür drücken, wird aber von einer bekannten Stimme hinter mir abgehalten:" Liko, lass deine Schwester doch bitte die Tür aufmachen, immerhin ist das hier ihr großer Augenblick."

____________________________________

Wem gehört diese Stimme und was verbirgt sich hinter der Tür? Seid gespannt auf das nächste Kapitel! ;)

LG,
Yve

Die Utopia AkademieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt