Belles Tochter

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Ich ritt wieder auf den Innenhof und stieg ab. Ein Soldat hielt dabei die Zügel meines Pferdes fest und hatte den Blick gesenkt.
"Prinzessin, Eure Hohe Mutter erwartet Euch im Thronsaal."
"Ich komme sofort, MyLord, doch zuvor möchte ich noch mein Pferd striegeln", antwortete ich und führte den Rappen zum Stall.
"Sie sagte, Ihr sollt unverzüglich kommen, sonst wird es, wie sie meinte, ungemütlich für Euch", meinte der alte Lord.
Ich seufzte und übergab die Zügel wieder dem Soldaten. "Ich komme." Ich raffte mein Kleid und stieg die Stufen zum Eingangstor hinauf. Das Schloss meines Onkels, König Kaspian, war annehmbar, aber ich mochte Cair Paravel um einiges mehr.
Ich lief durch die Korridore und stieß die Flügel der Tür zum Thronsaal auf. Meine Mutter und mein Vater standen vor dem Thron. Die Königin trug wie ich ein weißes Kleid und die Haare offen. Sie stand steif vor dem Thron, die Hände vor dem Körper ineinander verschlossen. Mein Vater trug seine königliche Uniform, sein Schwert am Gurt, und den Blick zu mir gerichtet. Er lächelte freundlich, wohingegen meine Mutter mich ausdruckslos musterte.
Ich räusperte mich und hastete zu ihnen herüber. "Ihr wolltet mich sprechen?", sagte ich schließlich.
Meine Mutter wandte sich ab und schritt aufrecht zum Fenster. "Wie spät ist es?"
"Ich habe leider keine Uhr bei mir, aber ich denke, es müsste gleich das Mittagessen aufgetischt werden", antwortete ich und sah unruhig zu meinem Vater.
"Das Mittagessen hast du verpasst, meine Liebe!" Meine Mutter drehte sich ruckartig um und ihre Augen funkelten mich wütend an. "Eustachius wartet bereits auf dich. Dein Unterricht hat längst begonnen. Wir haben auf dich gewartet, bis das Essen bereits kalt wurde, und dann blieb uns nichts anderes übrig, als es stehenzulassen!"
"Belle ..."
"Nein, Peter. Deine Tochter nimmt nie etwas ernst!", rief meine Mutter. "Geh zu Eustachius und dann in dein Zimmer. Dort bleibst du, bis ich es mir anders überlege!"
"Mutter, ich -"
"Hast du mich verstanden!?"
"Ja", nuschelte ich.
"Wie bitte?!"
"Ja, Mutter, ich habe verstanden!", sagte ich lauter und sie nickte.
"Geh mir aus den Augen", meinte sie und scheuchte mich mit einer Handbewegung davon.
Ich hielt erfürchtig den Kopf gesenkt, bis ich mich umdrehte und davoneilte. Hastig schritt ich durch die Korridore und machte mich auf zur Bibliothek. Dort wartete, wie meine Mutter erwähnt hatte, bereits mein Großcousin auf mich - Eustachius.
"Da bist du ja!", rief er und sprang vom Sessel auf, als er mich sah.
"Spar dir deinen Tadel. Mutter hat schon ordentliche Arbeit geleistet", sagte ich und ließ mich seufzend auf das Sofa fallen.
"Du weißt, warum. Du bist die Nachfolgerin und musst Ahnung von deinem Reich haben."
"Beginn einfach mit dem Unterricht", bat ich genervt und fuhr mir mit der Hand über die Stirn.
"Wie hieß der langjährige Begleiter deiner Mutter?", fragte Eustachius mich.
"Ernsthaft?"
Er sah mich über den Rand seines Pergaments an.
"Aslan ..."
"Richtig."
"Werter Cousin, ich glaube nicht, dass meine Mutter darunter Geschichte Narnias verstand", meinte ich und setzte mich auf.
"Geschichte Narnias!?", rief Eustachius aufgebracht. "Aslan hat Narnia erschaffen. Er ist soetwas wie ein Gott!"
"Es war mal ein Junge namens Eustachius. Der las Sachbücher und redete nur Stuss." Ich lachte, erhob mich und zog ein Buch aus dem Regal.
"Das hast du von Edmund!"
"Und wenn schon." Ich zuckte mit den Achseln und schlug das Buch auf einer beliebigen Seite auf.
"Ach, unsere Hoheit beginnt mit dem Lesen", bemerkte der junge Mann.
"Nein." Ich schlug das Buch zu und legte es auf den Tisch. "Ich wollte nur mal schauen, ob ich Bücher nicht doch mag, aber es hat sich nichts geändert. Sind wir fertig für heute?" Eustachius öffnete den Mund, doch ich verließ bereits das Zimmer und schlenderte durch die Korridore. Immer mal wieder kamen mir Mägde und Diener entgegen, die ihre Kopf senkten oder knicksten und mich mit "Prinzessin" begrüßten. Ich lief immer nur kopfnickend vorbei oder winkte sie davon.
"Solltest du nicht deinem Zimmer sein?", ertönte plötzlich hinter mir eine Stimme.
Ich drehte mich um und lächelte. "Woher weißt du das denn jetzt, Lucy?"
"Dein Vater ist zufällig mein Bruder", erklärte die junge Frau. "Begleitest du mich ein Stück?"
"Ich dachte, ich soll in mein Zimmer", meinte ich grinsend.
"Du wirst es eh wieder verlassen."
Da konnte ich ihr nur zustimmen. Lucy und ich gingen ihr Schlafzimmer und traten auf den Balkon.
"Du darfst nicht so streng mit deiner Mutter sein."
Ich lachte. "Deswegen sind wir hier. Du hast mit meinem Vater gesprochen."
"Er macht sich Sorgen um dich!"
"Weil ich mich nicht an die Regeln halte."
"Weil du nie etwas ernst nimmst!", verbesserte Lucy. "Du wirst irgendwann die Thronfolgerin sein."
"Irgendwann", wiederholte ich. "Und wenn ich das nicht will?"
"Wir haben uns auch nicht dafür entschieden. Wir wurden es, ohne dass uns jemand gefragt hatte, ob wir wollen oder nicht. Hör auf dich wie ein kleines Kind zu benehmen und wir deine Sturheit weg!"
"Ich bin ein Kind!", beharrte ich und sah sie an.
"Du bist fünfzehn. Deine Mutter hatte in dem Alter schon geherrscht."
"Meine Mutter war 1000 Jahre fühnfzehn!", rief ich.
"Dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen." Meine Tante drehte sich um und schritt durch ihr Zimmer zur Tür.
Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Toll gemacht, Helena!

Mal eine Kapi, in welchem ihr ein wenig den Charakter von Helena kennenlernt. Ich hoffe, es gefällt euch. Ist es gut, dass ich über die Tochter schreibe und nicht über Belle? Soll ich dennoch die anderen miteinbringen (was ich eh getan hätte)?

Die Chroniken von Narnia - The Broken Country || Band 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt