Eden

-17| Vorher

Am nächsten Tag holte ich sie im Park ab.
Sie trug von oben bis unten schwarz, wie jeden Tag und rauchte eine Kippe auf dem Weg zum Café in der Nähe der Schule.
Der Weg dorthin verlief ruhig, doch es war keine unangenehme Stille.

Eden saß mir gegenüber und schaute über den Rand ihrer Teetasse, die sie in den Händen hielt.
Die Ellenbogen hatte sie auf den Holztisch, an dem wir saßen, gestützt.
"Also Eden, wie alt bist du?", fragte ich.
"Zahlen, Zahlen, Zahlen. Immer nur Zahlen. Wie alt man ist, wie viel man wiegt, welche Noten man schreibt. Die Zahlen sind nur ein Konzept der Menschheit sowie die Zeit und die meisten urteilen nach diesen Zahlen und das ist nicht fair.
Ich bin jetzt sechzehn Jahre auf diesem irren Planeten. Und du?"
"Achtzehn", sagte ich und trank einen Schluck Pfefferminztee.
"Hab ich mir schon gedacht. Wegen des Motorrads, meine ich."
Ich nickte nur und spürte, wie der Tee mich von innen erwärmte und da es kühl draußen war, tat das ziemlich gut.

"Findest du das nicht traurig?", fragte sie und schaute aus dem Fenster nach draußen, wo die Menschen entlang liefen.
Noch wusste ich nicht, was sie meinte. "Was meinst du?"
"Siehst du das? Den Blick in den Augen der Menschen? Dieser tote, leere Blick. Zombies, Finn.
Und diesen Blick bekommt man mit der Zeit hier, weil man von klein auf verbogen wird und nur noch krumm geht und verlernt, sich selbst eine Meinung zu bilden und dann errichtet man selber die Mauern in seinem Kopf und das ist traurig.
Dass Menschen dumm sind und sogar dumm bleiben wollen. Ob sie es jetzt bewusst oder unbewusst sind, es ist traurig."

Ich hörte Eden zu und lies sie reden, weil ich das erste Mal das Gefühl hatte, sie würde sich vielleicht etwas mehr öffnen.

"Traurig ist, dass Menschen immer unmenschlicher werden. Sie werden zu Puppen oder Zombies. Nenn's wie du willst. Auf jeden Fall hören sie auf zu leben. Wenn sie es überhaupt je getan haben.
Sie existieren vor sich hin und das ist so verdammt traurig."

Hätte ich damals nur gewusst, dass der Schimmer in ihren Augen viel mehr als nur Wut und Enttäuschung gewesen war.