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Seit zwei Tagen war Miriam nun schon wieder da, Taddl hatte ich seitdem nicht mehr getroffen. Ich war aber auch nicht nach draußen gegangen, da ich irgendwie so eine Faulheits-Phase hatte.
Ich würde heute von meiner Mutter abgeholt werden, um meine Familie zu besuchen. Wir wollten in ein nobles Restaurant zum essen, was meiner Meinung nach zwar schrecklich sinnlos war, da bei mir wohl kaum das Auge mit essen würde, aber sie mussten selbst wissen, was sie tun und lassen wollen.
An der Wohnungstür klingelte es, als ich gerade dabei war den dritten Cappuccino an diesem Tag zu trinken. Da Miriam einkaufen gefahren war, blieb mir nichts anderes übrig, als selbst zu öffnen.
Schon an der Art, wie nur ein einziges Mal der Knopf gedrückt wurde, erkannte ich, dass es nicht meine Mutter war.
Als ich die Klinke nach unten drückte, beschlich mich sofort eine leise Ahnung, wer davor stehen würde.
"Na du?", fragte Taddl mit seiner unheimlich, tiefen Bass-Stimme und bescherte mir damit wiedermal eine Gänsehaut. "Kannst du nicht einfach anrufen?", lachte ich, während er mich vorsichtig zurück schob und die Türe hinter uns schloss. "Warum? Ich wohne nur zwei Etagen über dir.", stellte er belustigt fest und schwieg dann für kurze Zeit. "Eigentlich wollte ich dich auch nur fragen, ob du jetzt mit mir essen gehen möchtest?" Ich nickte kurzentschlossen, da ich wusste, dass meiner Mutter mich erst heute Nachmittag holen würde und sagte zu, zog mir natürlich sofort die Jacke über, um ihn nicht länger warten zu lassen.
"Na dann los.", flöten ich fröhlich und verließ tatsächlich noch vor Taddl meine Wohnung. Er schloss ab, weil ich ein Talent hatte den Bind fallen zu lassen.
"Wo wollen wir denn essen gehen?", fragte ich neugierig, während ich mich bei ihm einhakte, im mich führen zu lassen. Den Stock und auch Cira hatte ich Zuhause gelassen, um nicht so aufzufallen. Ich trug nicht einmal meine Blindenbinde, sondern vertraute diesem Menschen mein gesamtes Leben an.
Er führte mich an einen Ort, an dem reges Treiben herrschte, schwieg allerdings den gesamten Weg über.
"Wir sind in einem Burger-Restaurant. Hier gibt es die besten vegetarischen Burger, die du dir vorstellen kannst.", erklärte er mir, nachdem ich mich gesetzt hatte.
In der nächsten Viertelstunde las er mir die Speisekarte vor, bestellte für und beide und hüllte mich letztendlich wieder in Schweigen.
"Also, warum das alles hier?", fragte ich skeptisch nach und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich brauche deinen Rat." "Oho!", machte ich belustigt, "Sehe ich aus, wie ein Ratgeber?" Er lachte. "Nein, natürlich nicht. Aber ich dachte, dass du mir vielleicht trotzdem helfen könntest." "Sicherlich. Worum geht es denn?" "Ich habe ein Mädchen kennengelernt, über's Internet. Wir schreiben bereits eine Zeit lang, aber ich weiß nicht, wie ich mich mit ihr treffen soll.", erklärte Taddl mir die Sachlage. Als er sich zurücklehnte, knarzte sein Stuhl ein wenig. "Frag sie einfach, ob ihr Essen gehen wollt.", schlug ich nachdenklich vor. "Das ist so normal. Macht jeder.", konterte mein Begleiter. "Dann Fahrt mit dem Zug irgendwohin auf's Land und unternehmt einen Spaziergang.", gab ich meine nächste Idee ab. "Ich weiß gar nicht, ob sie sportlich ist oder nicht. Ich will es mit ihr nicht versauen." "Du magst sie, obwohl du sie nur aus dem Internet kennst?", hakte ich etwas ungläubig nach. "Ja, sieht so aus." "Dann frag sie nach einem Treffen deiner Wahl. Such dir was aus, Taddl. Es muss dir gefallen, weil du derjenige bist, der sich wohlfühlen muss.", riet ich ihm und fühlte mich ein wenig verletzt. Mich kannte er in Wirklichkeit und hatte nicht einmal in Erwägung gezogen, ob ich als Freundin in Frage käme. Natürlich hätte ich das sowieso nicht gewollt, aber allein sort was gefragt zu werden, ist gut für das Ego, finde ich.
"Ok, dann werde ich mit ihr spazieren gehen und sie dann vielleicht zum Essen einladen.", meinte er lächelnd, man hörte es einfach, dass er wirklich aufgeregt war. "Klingt doch nach einem Plan."
"Aber was ist, wenn sie nicht die ist, für die ich sie gehalten habe?", fragte er dann plötzlich ängstlich. "Dann gehst du einfach oder du lässt dich darauf ein. Das ist in diesem Moment deine alleinige Entscheidung."
Unsere Bestellung wurde gebracht und ich musste tatsächlich zugeben: Es war der beste vegetarische Burger, den ich je gegessen hatte.
Nach dem Essen, während dem wir nicht geredet hatten, begleitete Taddl mich zurück zu meiner Wohnung, wo uns meine Mutter völlig aufgelöst in Empfang nahm. "Ich hätte beinahe den Schlüsseldienst gerufen!", kreischte sie hysterisch, "Wo warst du?" "Essen.", gab ich kurz angebunden zurück und ließ Taddl die Wohnungstür auch wieder aufsperren. "Wer bist du?", fragte meine Mutter den Mann skeptisch, woraufhin er anfing zu lachen. "Ich bin ein Denker, philosophisch veranlagt und auf der Suche nach meiner eigenen Richtung."
Ich lächelte in mich hinein, musste das verrückte Grinsen beinahe unterdrücken, weil ich in genau diesem Moment unglaublich glücklich war. Taddl hatte die Frage verstanden, während meine Mutter sich gerade echauffierte, dass er mich nur ausnutzen würde.
"Mama! Jetzt halt die Luft an oder geh sofort!", blaffte ich sie frustriert an.

Blind ● Taddl (Reupload) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt