5 Tage danach

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Eve lag regungslos in ihrem Bett. In diesem klapprigen Bett, in dem sie jetzt seit fünf Tagen lag. Sie fühlte sich so leblos. Sie war alleine. Nichts hatte mehr einen Sinn. Kaum jemand sagte etwas. Und jetzt neigten sich auch noch die Vorräte dem Ende zu. Das würde die Lage nicht verbessern. Schon jetzt waren die kleinen Probleme kaum lösbar. Der Gestank alleine. Man hätte eine Dusche einbauen sollen. Kein Handy funktionierte mehr. Seitdem es begonnen hatte, hatten sie keinen Kontakt mehr zur Außenwelt.

Ab wann die Schüler wohl anfangen würden, sich gegenseitig umzubringen? Wann würden sie diese Situation nicht mehr aushalten? Eve schätzte, dass es nicht mehr besonders lange dauern würde.

Selbst Herr Deetz hatte nicht mehr die Kraft durchzugreifen. Auch er war nur noch eine leblose Hülle, die gemeinsam mit neun anderen leblosen Hüllen in einem Bunker saß und auf ihr Ende wartete. Eve überkamen dauernd diese Gedanken. Gedanken vom Sterben, vom Ende. Sie war zu dem Beschluss gekommen, dass die Welt wie sie existiert hatte, eigentlich ziemlich scheiße war. Sie war von kalten Menschen bevölkert, die nur an sich selbst dachten und alles zerstörten, was ihnen dabei im weg war.

Möglicherweise war es gut, wenn diese hässliche Welt unterging. Und sie ging unter. Da war sich Eve sicher. Es gab eine Explosion, hatte der Lehrer noch gesagt, die giftige, radioaktive Wolke breitete sich aus. Vielleicht war sie schon hier drin. Belächelte die traurigen Gestalten und nistete sich in ihnen ein.

Eve setzte sich im Bett auf. Kämmte ihre Haare mit den Händen. Ob man sich an sie erinnern würde, wenn sie hier starb. An ein Mädchen, dass sich nie so richtig entscheiden konnte. Das sich immer unsicher war und das von ihren eigenen Haaren verspottet wurde. Diesen Haaren die zeigten, dass sie krampfhaft versuchte zu Leuten zu gehören, zu denen sie nicht gehören wollte.

„wir brauchen neue Vorräte", Eve zuckte zusammen als Herr Deetz zu reden begann, so sehr hatte sie sich an die Stille gewöhnt.

„Ein paar Leute müssen raus gehen. So hart das auch klingt. Sonst verdursten wir hier drinnen." Obwohl alle Lebensmittel streng rationiert wurden, wir nur jeden zweiten Tag aßen und ein Glas Wasser tranken, waren die Vorräte erschreckend schnell geschrumpft. Alle waren hungrig, das sorgte für schlechte Laune.

„Ich finde, alle sollten raus gehen. Dann haben wir die größte Chance etwas zu finden oder?" Die Idee von Ju war gut. Alle nickten zustimmend, außer Ann, die die Arme verschränkte.

„Ich gehe doch nicht nach da draußen. Da verrecken wir doch alle", sie klang panisch, fast hysterisch.

„Wenn wir nicht raus gehen, verrecken wir hier drinnen. Du kannst dir gerne aussuchen, was dir lieber ist", Ju war vorher nie so gewesen. Zumindest hatte er nie ausgesprochen, was er gedacht hatte. Eve war beeindruckt, wie er Ann die Stirn bot. Ann war weniger beeindruckt, eher wütend.

„Macht doch, was ihr wollt. Ich bleibe hier", sie warf sich demonstrativ auf ihr Bett. Bevor Ju etwas einwenden konnte, ging Herr Deetz dazwischen: „Gut, dann werden wir dreier Teams bilden. Ann bleibt hier und bewacht den Bunker, dass ist sowieso besser."

Aus irgendeinem Grund gab keiner Widerworte. Niemand hatte mehr dir Kraft dazu. Zum Diskutieren, zum Streiten, nur Ann konnte das noch. Eve bildete ein Team mit Ju und Herr Deetz, was kein Wunder war. Die drei gehörten zu niemandem dazu, waren Außenseiter. Ihre Freunde waren nicht mit in den Bunker gekommen, waren tot, weg oder was auch immer. Das perfekte Team also.

Herr Deetz verließ den Bunker zuerst. Langsam und mit derselben Unsicherheit, die er oft im Unterricht hatte, wenn er mit einer Situation überfordert war. Eve hatte oft darüber gelacht, es irgendwie sympathisch gefunden. Menschlich. Jetzt machte es sie wahnsinnig. Die Unsicherheit übertrug sich auf sie, wovon sie genervt war. Warum konnte sie nie selbstsicher sein. Nicht einmal wenn alles andere am Arsch war.

Radioactive *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt