2 Tage davor

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Antworte endlich, dachte sich Eve, als sie auf ihrem Bett lag und ungeduldig eine Haarsträhne um ihren Finger zwirbelte. Sie Starrte auf ihr Handy. Es war kaum dicker als ein Blatt Papier und hatte einen weiß goldenen Farbton. Und von diesem kleinen Gerät hing ihre Zukunft ab. Naja das war vielleicht etwas übertrieben. Aber die Chance aus ihrem langweiligen Leben heraus zu kommen.

Eine Freundin aus der Klasse hatte sie heute zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen. Obwohl das Wort <<Freundin>> vielleicht nicht ganz treffend war. Ihr Name war Ann und Eve und sie kannten sich seit dem Kindergarten. Jedoch blieb es meistens nur bei einem einfachen <<hey>>, wenn sie sich sahen.

Und doch hatte sie Eve eingeladen. Ann war übrigens beliebt. Sie hatte alles. Sie war schön, groß und hatte immer die Klamotten an, die am nächsten Tag jeder haben wollte. Eve gab es ungerne zu, aber sie war neidisch. Zumindest ein bisschen.

Eve war nicht hässlich mit ihren langen, tiefbraunen Haaren, auf die sie übrigens sehr stolz war. Aber sie stand auf der imaginären Rangliste der Schule deutlich unter Ann. Sie war einfach so perfekt...

Ein lautes Vibrieren riss Eve aus ihren Gedanken. Endlich eine Nachricht von Kathy, ihrer besten Freundin. „Sry, darf nicht mit zu der Party..."

Der Satz traf Eve wie ein Schlag. Mit einem Mal, war ihre ganze Vorfreude weg. All die Gedanken, die sie sich über ihr Outfit gemacht hatte, ihre Schminke und über das, was sie zu Ann sagen würde, wurden von diesem einen Satz zerschmettert.

„Das war es dann mit der Party L", schrieb sie zurück.

„Geh doch ohne mich. Das macht mir nichts aus", antwortete Kathy kurz darauf.

Mit einem Seufzer legte Eve ihr Handy weg und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Sollte sie wirklich alleine zu der Party gehen? Was wenn sie dann nur daneben stehen und gar nicht dazu gehören würde. Andererseits hatte sie sich so sehr darauf gefreut. Sie wollte doch so gerne Mal dazugehören. Einfach feiern, frei sein und den ganzen Stress vergessen.

Mit neuer Entschlossenheit stand sie auf. Sie würde zu der Party gehen. Dieses Mal würde sie nicht kneifen. Nach erneut langem Überlegen holte sie eine schwarze Hotpants und ein weißes Top aus dem Kleiderschrank welches sie möglichst lässig in die Hose steckte. Ihre Haare ließ sie offen über ihre Schulterblätter fallen.

Nachdem sie sich kurz von ihrer Mutter verabschiedet hatte, machte Eve sich mit einem Paar schwarzer High-Heels auf den Weg. Nervosität machte sich in ihr breit. Hoffentlich war sie nicht unpassend gekleidet. Hoffentlich fiel sie nicht auf. Noch ein kurzer Blick auf ihr Handy. Keine Nachrichten. Niemand, der sie noch von ihrem Vorhaben abbrachte. Dann stand sie auch schon vor dem Gewölbekeller. Ein paar Leute standen davor, rauchten und tranken. Musik drang von unten hinauf und Eve konnte den Bass fühlen.

Okay sei cool, sagte sie sich und ging die Treppe nach unten. Im Keller angekommen wurde sie sofort von Ann in Empfang genommen.

„Hey Eve. Wow du siehst echt heiß aus", lachte sie. Ann konnte einem das Gefühl geben der schönste Mensch auf der Welt zu sein, aber auch der hässlichste. Eve sah verlegen an sich runter.

„Danke, du siehst auch toll aus", versuchte sie das Kompliment zurück zu geben. Ann lächelte wieder, ihre Lippen hatten den perfekten Schwung und einen geheimnisvoll dunklen Ton.

„Komm schnell, du musst unbedingt was trinken", sagte sie und zog Eve mit sich durch den stickigen Keller, der voll mit bunten Lichtern, Nebel und Leuten war. Dann drückte sie ihr ein kleines Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in die Hand.

„Was ist das", fragte Eve etwas irritiert. Mit Alkohol war sie noch nicht allzu oft in Berührung gekommen.

„Tequila", antwortete Ann und zwinkerte Eve zu, während sie ihr etwas Salz auf den Arm streute und eine Zitrone in die Hand drückte.

„Erst das Salz ablecken, dann trinken, dann in die Zitrone beißen. Wir machen es gleichzeitig." Eve hatte nicht einmal die Chance zu widersprechen. Sie tat es einfach. Leckte das Salz von ihrem Arm und schüttete nach kurzem Zögern den Tequila in sich hinein. Er schmeckte unglaublich stark nach Alkohol, was einen Würgereiz in ihr auslöste und wärmte gleichzeitig ihren ganzen Körper.

„Schnell, beiß in die Zitrone!" feuerte Ann sie an. Eve tat was sie sagte. Die Zitrone verdrängte glücklicherweise den straken Alkoholgeschmack und ließ nur das warme Gefühl in Eves Körper zurück.

„Wir sehen uns gleich draußen hoffe ich, da geht's weiter", sagte Ann und schritt mir ihren langen Beinen Richtung Treppe. Eve atmete ein paar Mal durch. Ob sie wohl schon angetrunken war? Sie spürte keine große Veränderung. Einmal richtig betrunken sein, bei dem Gedanken musste sie lächeln. Aber bevor sie zu der kleinen Bar neben der Tanzfläche gehen konnte, wurde sie schon von einem Jungen angetanzt.

Er umfasste mit seinen Händen ihre Hüfte, die Eve im Rhythmus der Musik bewegte. Der Bass erfüllte den ganzen Raum und die Lichter tanzten über die Wände. Seine Lippen berührten Eve's Hals. Sie kannte nicht Mal seinen Namen und war ihm so nah. Plötzlich meldete sich ihr Gewissen. Vielleicht auch nur eine innere Stimme, ein Instinkt, der ihr sagte, dass es falsch war und sie befreiten sich von ihrem Tanzpartner.

Das war es. Sie hasste sich dafür. Warum konnte sie nicht locker bleiben? Warum verdarb sie sich selber den Spaß? Sie erinnerte sich daran, dass Ann raus gehen wollte. Am besten folgte sie ihr. Als sie nun durch den Raum lief, wurde Eve ein wenig schummerig. Zu ihrer Überraschung traf sie Ann schon unten an den Treppen, umgeben von Leuten und Rauch.

„Eve, da bist du ja", beeindruckend, dass sie Eve überhaupt so schnell bemerkt hatte. Der Tequila war bestimmt nicht Anns erstes Getränk gewesen.

„Wolltest du nicht immer schon Mal pinke Haare haben?" Ann drückte Eve eine kleine Röhre in die Hand. Ein Schauder lief Eve über den Rücken. So eine Röhre hatte sie schon einmal im Fernsehen gesehen. Viele Leute warnten davor, andere liebten es.

Active Smoke. Das war darin enthalten. Ein Stoff der Zellen beliebig verändern konnte. Damit konnte jeder sein Aussehen verändern, ganz ohne Operation. Zudem sollte der Stoff starke Glücksgefühle auslösen. Doch er machte süchtig und wohl auch nicht ungefährlich für den Körper.

Eve zögerte. Sollte sie? Sollte sie wirklich? Wenn ihre Mutter davon erfahren würde...Andererseits, wollte sie schon immer wissen wie es sich anfühlte...

Mit einem tiefen Zug atmete sie den Rauch ein. Er brannte in ihrer Lunge. Schmeckte leicht nach künstlicher Himbeere.

„Nicht ausatmen. Drin behalten."

Sie tat was Ann sagte, wie schon den ganzen Abend. Ließ den Rauch brennen. Ihr ganzer Körper kribbelte. Dann atmete sie ihn in einer pinken Rauchwolke wieder aus. Ein Gefühl der Befreiung. Dann ein Schwindelgefühl.

Ann lachte „bist du high?"

Und auch Eve musste lachen und dann husten. Und ihr wurde schlecht. Sie drückte die kleine Röhre irgendwem in die Hand. Luft sie brauchte Luft. Sie steuerte auf die Treppe zu, stützte sich auf das Geländer und versuchte es nach oben zu schaffen, ohne sich zu übergeben. Nur noch fünf Stufen, vier, drei, kurz Pause machen...atmen, zwei Stufen, eine.

Endlich konnte sie durchatmen. Es war als würde die Luft das Feuer in ihrer Lunge löschen. Trotzdem drehte sich noch alles um sie herum. Sie verspürte noch immer das Bedürfnis zu lachen. Das Bild von ihr selbst mit pinken Haaren tauchte in Eve's Gedanken auf. Was hatte sie gerade getan?

Radioactive *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt