2 Tage danach

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„Haltet die Tür zu!" Isaac presste sein gesamtes Gewicht gegen die Tür. Seine Füße stemmten sich in den Boden und er hoffte inständig, dass es keine weiteren Schläge von der anderen Seite gegen die Tür gab. Die Studenten neben ihm keuchten schwer. Er merkte ebenfalls wie seine Kräfte schwanden. Gleich würden sie dem Druck nicht mehr standhalten können. Die Tür würde aufspringen und diese Dinger würden rein kommen.

„Wir brauchen etwas, um die Tür zu blockieren. Schnell!" der schwarzhaarige Mann hatte das Kommando übernommen.

Isaacs Füße begannen wegzurutschen. Er versuchte sie schnell wieder zurückzuziehen und spürte sofort, wie der Druck stärker wurde. Ein Schlag gegen die Tür. Die Student verlor den Halt und wurde zurückgeworfen. Unsanft schlug er auf dem Boden auf. Sein Rücken schmerzte. Nur noch drei Studenten hielten die Tür fest, die sich inzwischen einen Spalt breit geöffnet hatte. Ein Arm schob sich hindurch, griff nach der Schulter eines Studenten.

Der Student schrie, als sich die Krallen der sonst so menschlich wirkenden Hand in seine Schulter bohrten und an ihm zerrten.

„Schnell, jemand muss ihm helfen", die Anweisungen kamen immer vom selben Mann. Er schien ein guter Anführer zu sein. Zumindest versuchte er in der kleinen Kammer mit den vielen Studenten für Ordnung zu sorgen. Einige suchten nach einem Ausgang, während ein paar Andere versuchten einen Schrank vor die Tür zu schieben.

Erst jetzt richtete sich Isaac wieder auf. Gegen jeden Instinkt, der ihm zum Abhauen riet, Versuchte er den Studenten von dem Arm des Monsters zu befreien. Er riss an ihm, doch er konnte den Arm nicht von dem Studenten lösen. Der Mann bekam nur größere Schmerzen, also ließ Isaac von ihm ab.

„Wir müssen den Arm von diesem Ding abhacken", meldete sich der Anführer erneut, der gerade versuchte die Dinger vor der Tür durch den Schlitz mit einem Besen zu bekämpfen. Isaac nickte bestätigend.

„Such irgendetwas Scharfes. In den Schränken dort!" Ohne zu zögern riss Isaac die Schränke auf. Zum Glück waren sie nicht abgeschlossen. Er versuchte sich auf die Suche nach etwas scharfem zu konzentrieren, doch die Schreie des Studenten und das Bummern von der anderen Seite gegen die Tür, lenkten ihn ab.

Im Schrank befanden sich hauptsächlich Putzmittel und ein Erste-Hilfe-Set, immerhin, doch keine Spur von etwas, das scharf genug wäre einen Arm abzutrennen.

„Hier ist nichts", rief er in der Hoffnung, dass einem der anderen Studenten eine Idee kommen würde.

„Schau noch einmal genau nach oder willst du, dass der Kerl deinetwegen tot ist?" die Stimme des Mannes war deutlich aggressiver geworden.

Trotzdem hörte Isaac auf ihn. Für Respekt war eben gerade keine Zeit. Er sah im Erste-Hilfe- Kasten nach. Dort fand er ein Skalpell. Volltreffer. Zwar studierte er schon seit acht Semestern Medizin, aber die Vorstellung, dass einem menschenähnlichen Wesen mit einem Skalpell den Arm abgetrennt wurde, war seltsam.

Schnell reichte er dem schwarzhaarigen Mann, der den Besen beiseite warf das Skalpell. Der Mann holte mit seinem Arm weit aus und schnitt eine tiefe Wunde in den Arm des Wesens. Es zeigte keine Reaktion, zuckte nicht einmal zusammen. Also hatte es kein Schmerzempfinden mehr. Eindeutig kein Mensch mehr, auch wenn es einmal einer war. Noch ein paar Hiebe und der Arm war abgetrennt, hing aber noch immer mit seinen Krallen in der Schulter des Studenten.

Der Mann half dem armen Studenten zu Isaac herüber und murmelte ein kurzes: „ Kümmere dich um ihn." Isaac war ein wenig beeindruckt, der Mann erinnerte sich daran, dass er Arzt war, obwohl sie sich erst seit ein paar Stunden kannten.

„Wir müssen die Krallen vorsichtig rausholen und die Wunde desinfizieren. Das wird wehtuen, aber wir müssen es tun", Isaac versuchte den Studenten mit diesen Worten zu beruhigen. Der sah ihm tief in die Augen. Seine Stimme war voller Schmerzen und zitterte: „Weißt du denn, wie das geht? Vielleicht machst du es noch schlimmer."

„Wie heißt du?"

„Matt"

„Okay Matt. Ich bin Arzt. So gut wie. Ich weiß, was ich tue", er versuchte Zuversicht in seinen Blick zulegen, doch Matt wirkte immer noch ängstlich, nahezu panisch, wie er da auf dem Boden kauerte.

Isaac begann nun trotzdem mit größter Vorsicht, die Krallen aus dem Arm des Studenten zu ziehen. Ihn überkam ein großer Ekel vor der abgetrennten menschlichen Hand mit den langen Krallen. Vor dem Blut, das aus dem Arm und von Mats Schulter tropfte. Er versuchte sich zu überwinden und nicht daran zu denken. Er musste wie ein Arzt denken, nicht wie Mensch. Professionell sein. Nicht auf seine Gefühle hören.

Die Krallen waren krumm und hatten sich tief in sein Fleisch gebohrt. Die Schmerzen mussten höllisch sein und Matt hielt sich auch nicht zurück, das mit seinen Schreien allen mitzuteilen. Sein Zucken und Schreien machte alles nur noch schlimmer. Die Krallen bohrten sich immer tiefer in seine Schulter.

„Du musst stillhalten sonst kann ich dir nicht helfen. Hier, beiß da rein", Isaac reichte Matt seine Jacke. Und es funktionierte. Der Student spannte zwar immer noch seinen ganzen Körper vor Schmerzen an, hielt aber halbwegs still. Isaac konnte den Arm endlich entfernen und weglegen. Endlich musste er dieses abartige Ding nicht mehr berühren.

Er saß nun schwer atmend. Versuchte nicht genauer über das nachzudenken, was er getan hatte. Desinfizieren. Er durfte nicht vergessen die Wunde zu desinfizieren. Er sprühte etwas von dem Spray auf die Wunde. Matt zuckte noch einmal zusammen, sah ihn aber dankbar an.

Die anderen hatten es in der Zwischenzeit geschafft, die Tür mit einem Schrank zu blockieren. Sie waren sicher. Fürs erste.

Der schwarzhaarige Mann lehnte gegen den Schrank. Er überblickte alle Studenten. Tatsächlich war er der Anführer, ohne das er es noch beweisen musste.

„Haben wir hier drinnen jemanden, der Biologie studiert", die Frage kam vollkommen aus dem nichts. Einige Hände gingen hoch. Er reichte einem der Biologiestudenten eine kleine Flasche mit einer roten Flüssigkeit darin. Wie Blut, nur von einem dieser Dinger.

Dann warteten sie. Alle saßen da, ließen die Biologen ihre Arbeit machen. Vielleicht würden sie danach mehr wissen, vielleicht nicht. Jedenfalls waren alle still. Nur leises Murmeln über die Flüssigkeit war zu hören. Eine seltsame Stille nach der Aufregung eben. Eine Stille in der man beginnt, über alles nachzudenken. Darüber, was aus dem eigenen Leben wird. Über das, was aus der Welt werden wird. Ist die ganze Welt von den Auswirkungen betroffen?

Alles, was Isaac je wichtig war, wirkte gerade so sinnlos. Nichts, war mehr wichtig. Er hatte immer alles geplant. Schule, Uni, Job, Familie. Alles war bestimmt. Keine Zufälle, keine Überraschungen. Jeder Punkt musste erreicht und abgehakt werden. So funktionierte es, so hatte er nie Probleme im Leben gehabt. Und wenn doch, gab es immer einen Plan-B.

„Kann ich kurz um eure Aufmerksamkeit bitten, wir haben etwas herausgefunden", sagte eine junge Studentin mit einer großen runden Brille mit dicken Rändern. Man würde es ihr nicht zutrauen, doch ihre Stimme war laut und klang sehr angenehm.

„wir haben diese Substanz so gut es geht untersucht und herausgefunden, dass es sich dabei um denselben Stoff handelt, der im Aktive Smoke verwendet wird. Dieser führt die seltsamen Mutationen hervor."

„Was bedeutet das für uns", meldete sich der Anführer zu Wort.

„Im Klartext beutet es: Die Substanz im Aktive Smoke wurde so verändert, dass alle, die sie nach der Explosion eingeatmet haben, infiziert wurden. Und diese Infektion breitet sich scheinbar aus. Über diese rote Flüssigkeit", die junge Frau hielt das Fläschchen mit der roten Flüssigkeit hoch.

„Das heißt, wir könnten alle infiziert werden. Oder sind es schon und wissen es nur noch nicht", brummte der Anführer.



Radioactive *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt