12 Tage danach

243 14 4
                                    

Eve stöhnte, als sie früh morgens von der Sonne geweckt wurde. Das erste Gefühl, das sie verspürte, war Hunger. Seit Tagen war sie hungrig. Mal mehr, mal weniger. Manchmal wich der Hunger Übelkeit und sie konnte sich kaum vorstellen, Essen auch nur anzuschauen. Dann wieder sehnte sich nach etwas, egal was, sie würde alles nehmen. Hauptsache, es vertrieb dieses stechende Gefühl.

Ihre Glieder schmerzten ebenfalls. Sie fühlten sich schwer an, als hätte jemand Steine daran festgebunden. Won ihrem Rücken wollte sie gar nicht anfangen. Den anderen ging auch es nicht viel besser. Ju und Ann schliefen noch, während Steve, Herr Deetz bestand inzwischen darauf, dass wir ihn duzen, schon wach war und mit einem Stock Kreise in die Erde zeichnete. Paul, der Mann aus dem Panzer, kochte gerade Wasser ab. Er hatte sich inzwischen gut erholt. Auch der Doktor war wach. Eve fand es am schwierigsten ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Sie hatte ziemlich viel Respekt vor diesem Mann in seinem Anzug, der immer so schick aussah. Er passte gar nicht in dieses Weltuntergangsbild.

Eve richtete sich schwerfällig auf, murmelte den Männern eine Begrüßung zu, streckte sich ausgiebig in alle Richtungen um ihre Gelenke knacken zu lassen und lief zum Wasser. Sie hatten sich am Fluss niedergelassen, bis jetzt war es hier sehr ruhig und auch die Wasserversorgung lief problemlos. Nur Essen gab es keins und Eve konnte an nichts anderes mehr denken.

Sie wusch sich das Gesicht am Fluss und setzte sich auf einen Stein. Beobachtete wie die Sonne aufging. Es ging weiter. Die Natur spielte verrückt und doch ging jeden Morgen die Sonne auf und jeden Abend unter. Der Sonnenaufgang war besonders schön, der Himmel hatte einen rosanen Farbton, der über orange in ein leuchtendes Gelb überging. Der Anblick spiegelte sich im Fluss. Es war wunderschön, ein bisschen magisch und für einen Moment vergas Eve wie furchtbar das alles war.

Hinter sich hörte sie Schritte.

„Ist bei dir alles in Ordnung?" fragte der Doktor. Er war immer sehr besorgt um alle, besonders um Eve. Sie zögerte kurz, sah ihn. Lächelte. Er setzte sich neben sie.

„Ja", antwortete sie schließlich und richtete ihren Blick wieder auf die Spiegelung im Fluss. Mehr viel ihr zu dieser Frage nicht ein. Nichts war in Ordnung. Aber sie wollte keinem zu Last fallen, ihre Sorgen nicht mit den fremden Leuten teilen.

„Denkst du an deine Familie? An deine Eltern?" Er stellte oft Fragen. Vielleicht machte er es extra, vielleicht aber auch unterbewusst, immerhin war er Psychologe.

„Ich habe eigentlich versucht nicht an meine Eltern zu denken..."

„Oh das tut mir leid. Ich möchte nicht aufdringlich sein oder dich stören."

„Ist schon gut. Ich denke ziemlich oft an meine Mutter, keine Ahnung wo sie ist", Eve lächelte ein wenig bei den Worten. Sie wusste zwar nicht, wo ihre Mutter war, aber es war ein gutes Gefühl an sie zu denken. Sie vermisste sie, sogar ihre gute Laune am Morgen. Sie versuchte sich lieber an die schönen Zeiten mit ihr zu erinnern und nicht an die Unwissenheit.

„Und dein Vater?"

„Den kenne ich nicht. Ist scheinbar vor meiner Geburt verschwunden. Aber keine Sorge, ich habe deswegen nicht irgendwelche psychischen Störungen", Eve lächelte ein wenig. In den Augen des Doktors blitzte etwas auf, irgendein Gefühl, „was ist eigentlich mit Ihrer Familie?"

Die Miene des Doktors fing sich wieder, als wäre nichts gewesen: „ Ich habe keine Frau und auch sonst keine Familie in der Nähe. Also gibt es dazu nicht viel zu sagen." Er seufzte. Irgendetwas beschäftigte ihn, doch Eve konnte nicht sagen was. Sie traute sich nicht nachzufragen, sie kannte den Mann ja kaum. Und trotzdem wollte sie noch etwas wissen, wollte ihn etwas fragen. Sie wusste nur nicht genau, wie sie anfangen sollte. Wusste jetzt schon, dass das eine unangenehme Frage war.

Radioactive *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt