Kapitel 3

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Nachdem ich eine Weile einfach nur in meinem Bett gelegen war, sprang ich irgendwann unter die Dusche. Meine Lieblingsbeschäftigung, wenn ich auf dem Weg ins Kapitol, im Kapitol, oder von dort aus wieder auf dem Weg nach Hause war. Auch jetzt noch, obwohl ich beinahe dieselbe Dusche zu Hause hatte. Nur nicht ganz so hochmodern.

Als ich fertig war schlüpfte ich in irgendwelche Sachen, die sich in meinem Kleiderschrank befanden und machte mich dann auf den Weg in den Speisewagen. Ich hatte Hunger und aß vermutlich eine ganze Menge, doch meine beiden Tribute konnte ich damit trotzdem nicht übertrumpfen.

„Esst langsamer und nicht so viel auf einmal.", versuchte Jason sie zu warnen. „Euch wird nur schlecht."

„Wer kotzt muss selber aufwischen.", sagte ich und nahm einen Schluck von meinem rosa Getränk damit nicht auffiel, wie ich bei ihren Gesichtern grinsen musste.

„Sehr hilfreich Johanna.", brummte Jason.

„Was? Ich hab damals auch nicht auf dich gehört und sie werden es auch nicht tun, dafür ist das Essen zu gut. Diese Androhung zieht da vielleicht eher, weil wer wischt schon gerne seine eigene..."

„Gut jetzt!", schrie Camilla dazwischen. „Wir essen jetzt alle leise weiter. Nein besser, wir essen schweigend weiter."

Da ich fand, dass dies einer der besten Vorschläge war, die Camilla jemals gemacht hatte, hielt ich mich sogar daran, bis wir alle fertig waren und uns mit vollen Bäuchen zurücklehnten.

„Was... was jetzt?", fragte das Mädchen, welches einen Namen hatte, den ich ihn mir einfach nicht merken konnte. Sie war deshalb einfach das Mädchen.

„Wir verdauen jetzt ein Weilchen und dann sehen wir uns die Erntewiederholung an.", antwortete ich.

„Damit ihr seht, mit wem ihr es zu tun bekommt. Vielleicht können wir die Gegner schon einmal ein wenig einschätzen.", fügte Jason hinzu, doch da musste ich ihm widersprechen.

„Er glaubt, er kann die Gegner ein wenig einschätzen. Ich weiß, dass man das nie wirklich kann. Bis sie in der Arena vor euch stehen."

„Musst du mir bei diesem Punkt eigentlich immer widersprechen?", seufzte Jason und sah mich ein wenig verärgert an. Jetzt seufzte ich.

„Na gut. Bei manchen kann man auch jetzt schon Prognosen erstellen. Zum Beispiel bei den 12-Jährigen. Die werden euch nicht wirklich etwas tun können. Bei Karrieros, die bereits auf der Bühne die Zähne knirschen, kann man eigentlich auch schon sagen, welche Bedrohung sie darstellen. Eine ziemlich große.", gab ich nach und blickte dann meinen ehemaligen Mentor an. „Zufrieden?"

„Vermutlich ist das das Beste, das ich je von dir zu diesem Thema bekommen werde.", schmunzelte Jason und als ich nickte, konnte ich Sam lächeln sehen. Wenn er so weiter machte, würde ich auf ihn setzen.

Das auf einen Tribut setzen war auch etwas, das ich eigentlich nicht mochte, jedoch tun musste. Man konnte das Sponsorengeld, welches für Distrikte wie dem unseren sowieso meist sehr gering ausfiel, nicht auf zwei Tribute aufteilen. Dafür reichte es nicht und würde niemanden wirklich etwas nutzen. Aus diesem Grund mussten wir uns, dank der Grausamkeit des Kapitols, meistens auf einen Tributen konzentrieren und gaben den anderen dadurch zum Abschuss frei. Eine andere Wahl blieb uns jedoch nicht, wenn wir einen von ihnen lebend nach Hause holen wollten. Und leider konnten wir ja nur einen retten, wenn überhaupt.

Als es dann so weit war machten wir uns auf den Weg in den Fernsehwaggon, wo Camilla sofort alles bereitstellte, damit nur noch das dämlich grinsende Gesicht von Caesar Flickermann erscheinen musste. Das kam auch schon fünf Minuten später und begrüßte uns zu der Zusammenfassung aller Ernten. Für diejenigen, die nicht live dabei sein konnten, da die Ernten immerhin alle Zeitversetzt verliefen, damit die Bewohner im Kapitol alle verfolgen konnten. Einige von ihnen mussten dann aber doch arbeiten und kamen jetzt erst in den Genuss des ersten großen Ereignisses für die kommenden Hungerspiele. Falls man das überhaupt arbeiten nennen konnte was sie taten. Sie sollten mal zu uns in den Wald kommen und das tun, was die Holzfäller taten. Ohne Maschinen, die die Arbeit erleichterten und nur mit reiner Muskelkraft. Jemand wie Camilla würde schon nach fünf Minuten zu weinen beginnen. Irgendwie gefiel mir diese Vorstellung und ich musste lächeln, als die ersten Karrieros, die aus Distrikt 1, vereint auf der Bühne standen. Marvel und Glimmer. Dämliche Namen.

„Also Herr Experte, schießen Sie los.", ärgerte ich Jason und blickte erwartungsvoll zu ihm.

„Beide haben sich freiwillig gemeldet. Beide sind definitiv gefährlich.", grummelte er als Antwort. Unsere Tribute nickten.

Danach kam Distrikt 2, ebenfalls zwei Freiwillige und von denen war sogar ich überzeugt, dass sie nicht zu unterschätzten waren. Ein Riese und ein zwar etwas kleineres Mädchen, jedoch mit leicht verrücktem Blick in dem nur der Wunsch zu töten zu stehen schien. Gruseliges Ding.

Jason wiederholte seine Einschätzung von vorhin.

Distrikt 3 folgte, danach kam der letzte Karrieredistrikt. Der hatte jedoch nur einen ernsthaften Gegner im Angebot, der Junge war erst 12.

Die anderen Distrikte konnte man nicht wirklich einschätzten, was auch Jason zugeben musste. Außer vielleicht der Junge aus Distrikt 11, der ebenfalls ein richtiger Riese war. Danach kam Distrikt 12 von denen eigentlich nie etwas zu erwarten war und genau dort meldete sich dann ein Mädchen freiwillig.

„Ist sie gefährlich? Sie geht freiwillig!", wollte das Mädchen wissen.

„Sie hat sich für ihre Schwester gemeldet. Das kann man nicht so ganz als freiwillig bezeichnen.", erwiderte ich und wurde schmerzhaft an meine Familie erinnert.

„Bei ihr werden wir uns wohl überraschen lassen müssen.", meinte Jason sehr weise, da er keine wirkliche Antwort darauf hatte. Doch manchmal musste man als Mentor einfach so tun als hätte man eine, damit die Tribute ein wenig beruhigter waren. Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass seine Worte hier sie beruhigten.

„So, dass war's. Ab in eure Abteile Kinder! Schlaft euch aus, morgen erreichen wir das Kapitol und dann beginnt ein großer Tag!", flötete Camilla, kaum dass die Wiederholung zu Ende war und scheuchte die Tribute samt Jason hinaus. Ich blieb noch eine Weile sitzen und dachte über das Mädchen aus Distrikt 12 nach.

Katniss. Sie hatte sich für ihre Schwester gemeldet. Eindeutig ein Beweis von Geschwisterliebe. Jedoch auf von Entschlossenheit und Mut. Ich war gespannt, wie weit sie es bringen würde.


Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Die 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt