Kapitel 9

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Ich kam zu keinem Ergebnis. Nicht in diesem Moment und auch nicht später, als ich im Bett lag und immer noch darüber nachdachte. Stattdessen blieb mir nichts anderes übrig als einfach zu warten, bis die Spiele begannen und Katniss uns zeigte, weshalb sie 11 Punkte bekommen hatte. Es hieß also sich gedulden, was nicht unbedingt zu meinen Stärken zählte.

„Bringst du Sam zum Hovercraft? Du hast die Stylisten endgültig vergrault, sie warten dort auf sie.", fragte Jason und stellte mir eine Tasse Kaffee hin, ehe er sich neben mich setzte. Wir hatten uns, nachdem er mir keine Ruhe gelassen hatte, ausgemacht, dass wir uns heute früher im Esszimmer trafen, um noch kurz ein paar Dinge zu besprechen, ehe wir unsere Tribute zu den Hovercrafts bringen und sie ihrem Schicksal überlassen mussten.

„Ja mach ich. Wer geht zuerst?", murmelte ich und nahm dann einen Schluck von meinem Kaffee. Mittlerweile bereute ich, noch so lange gegrübelt zu haben.

„Geh du. Ich glaube Leighas Nerven brauchen noch mehr Zeit.", meinte Jason und ich verdrehte leicht die Augen. Als wenn es ihren Nerven helfen würde, wenn sie noch länger darauf warten mussten, in diesen Gefährt zu steigen.

„Wie du meinst. Was willst du noch besprechen?", fragte ich und blickte ihn dann an, während ich selbst jedoch bereits an das Frühstück dachte. Am Ende bekam ich deshalb nicht alles mit, außer, dass ich mich um die erste Sponsorenrunde kümmern sollte und dazu nickte ich. Immerhin tat ich das zusammen mit Finnick jedes Jahr, wir waren in der Hinsicht eine gute Kombination.

Wir tranken unseren Kaffee und ich hörte mir noch eine Weile Jasons Worte an, bis die erste Zimmertür aufging und Sam zu uns kam. Er meinte er konnte schon seit Stunden nicht mehr schlafen und würde es jetzt nicht mehr im Zimmer aushalten.

Er bekam etwas zu trinken und durfte nun ebenfalls der langweiligen Stimme von Jason lauschen.

Einige Minuten später tauchte Camilla auf. Im pinken Kleid und hochtoupierten Haaren und einem Kilo Make-Up im Gesicht. Sie war es, die endlich die Avoxe aufforderte das Frühstück zu bringen, ehe sie nach Leigha sie und sie zu uns holte.

Das Frühstück fand schweigend statt, niemand wollte etwas sagen. Unsere Tribute aßen kaum etwas und schienen ihren Gedanken nachzuhingen, was ich nur zu gut verstehen konnte. Ihnen musste klar sein, dass ihr Leben in wenigen Stunden zu Ende sein könnte. Und ganz sicher wussten sie, dass wir in dieser Konstellation nie wieder zusammen am Tisch sitzen würden.

Ich seufzte und ärgerte mich über mich selbst, dass ich daran gedacht hatte. Man konnte nicht sagen, dass ich die beiden mochte und erst recht hatte ich keine Bindung zu ihnen aufgebaut. Trotzdem hatten sie es nicht verdient und immer wenn ich zu sehr über ihren Tod nachdachte, bildete sich etwas in meiner Brust was mir meistens den Appetit verdarb. So wie heute.

„Sam wir gehen. Ein bisschen frische Luft schadet uns beiden nicht, bevor es los geht.", sagte ich deshalb und bekam einen geschockten Blick des Jungen zurück, ehe er dann aber nickte und langsam aufstand.

Er begann sich von Camilla und Jason zu verabschieden, wobei ich gekonnt wegsah und stattdessen bereits zur Tür ging. Nachdem er Leigha noch viel Glück gewünscht hatte kam er zu mir und gemeinsam gingen wir zu den Aufzügen.

Keiner von uns sagte etwas. Nicht während wir die Gänge entlang gingen und auch nicht, als wir ins Freie traten. Eine ganze Weil war es schlimm, bis ich über meinen Schatten sprang und ihn ansprach. Er konnte ja nichts dafür, dass mir Abschiede und die Mentorenrolle so zuwider warnen.

„Ich werde dir nicht sagen, dass du keine Angst haben brauchst. Das wäre gelogen. Ich werde auch nicht sagen, dass du das schon schaffst, denn das kann ich gar nicht wissen. Was ich aber tun kann ist, dir Glück zu wünschen. Versuch einfach zu überleben, egal wie. Und dann sehen wie uns vielleicht wieder.", sagte ich und blickte ihn an. Tränen sammelten sich in seinen Augen und ich konnte sehen wie hart er mit sich kämpfe um nicht vor mir loszuheulen.

„Danke. Ich bin froh, dass du immer direkt und ehrlich zu mir warst. Alles andere hätte mir nichts gebracht.", meinte er, nachdem er sich etwas gefangen hatte und nickte.

Ich durfte mich nicht erweichen lassen, ich durfte auch jetzt nicht, kurz bevor ich ihn wegschicken musste, anfangen ihn auch nur ein kleinbisschen mögen. Trotzdem umarmte ich ihn kurz, einfach weil ich eine brave Mentorin war, und schwieg dann wieder mit ihm. Solange, bis der Hovercraft kam und Friedenswächter auftauchten, die ihn mir abnahmen und die letzten Meter begleiteten.

Noch ehe das Hovercraft sich in Bewegung setzte, war ich bereits wieder nach drinnen verschwunden.

Während ich mich auf den Weg machte um ins Mentorengebäude umzuziehen, traf ich auf Gloss, der einen Schützling bei sich hatte. Er lächelte mich an, doch ich lächelte nicht zurück. Ich hatte keine Lust und war zu diesem Zeitpunkt der Spiele auch nie in Stimmung. Doch das wusste er, zumindest hatte ich Caius mal bei seiner Anwesenheit angeschrien und ihm das erklärt, als er versucht hatte, einen Witz zu reißen und dann gefragt hatte, wieso ich nie lachte.

An den Aufzügen angekommen, die mich zu den Fahrzeugen bringen sollten, blieb ich noch kurz stehen und wartete auf Jason und Leigha bis sie an der Reihe waren. Es dauerte zum Glück nicht lange und sie tauchten auf.

Ich umarmte auch sie kurz, wünschte viel Glück und machte mich dann endgültig auf den Weg in das andere Gebäude und dann zu den Mentorenräumen.

Dort angekommen ließ ich mich neben Finnick fallen, der mit seiner Hand kurz meinen Oberschenkel drückte, sonst aber schwieg. Deshalb war er mein bester Freund und nicht Caius, der fröhlich plappernd in den Raum kam. Er war immer noch überzeugt von einem Sieg für Distritk 2 und seine Fröhlichkeit nervte mich einfach nur. Ich konnte hoffen, dass er mich nicht ansprach bis zumindest das Gemetzel vorüber war, weil ich wirklich für nichts garantieren konnte.

Auf eine neue Runde der Hungerspiele.


Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Die 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt