Kapitel 15

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Es war der Junge aus Distrikt 11. Der, dessen Namen ich mir nicht merken konnte. Trish?

„Was hast du mit der Kleinen gemacht? Hast du sie umgebracht?", brüllte er, nachdem er Zwei auf den Boden geworfen hatte. Diese krabbelte nun mit geschrumpfter Klappe und deutlich sichtbarer Angst auf allen vieren rückwärts.

„Nein! Nein, das war ich nicht!", verteidigte sie sich anschließend sofort.

Sie war es auch nicht. Es war der aus Distrikt 1, doch das kann der Junge nicht wissen. Und in seiner Situation würde ich dem Miststück kein Wort glauben.

„Du hast ihren Namen genannt. Ich hab es gehört. Hast du sie umgebracht?", ließ er auch nicht locker. „Hast du sie auch so aufgeschnitten, wie du es bei dem Mädchen hier machen wolltest?"

„Ach, bring sie doch einfach um.", rutschte es mir raus und sofort bekam ich einen bösen Blick von Caius. „Was? Sieh sie dir an! Wollte Zwölf aufschlitzen! Das ist krank, das kannst selbst du nicht leugnen. Um sie ist es also bestimmt nicht schade. Außerdem ist er zwei Köpfe größer als sie und wäre ich an seiner Stelle, würde sie schon lange nicht mehr sprechen können."

Was in diesem Fall auch besser gewesen wäre, da sie jetzt panisch um Hilfe schrie. Nach Cato, ihrem Mittribut.

Was für ein feiges Mädchen. Als sie sich überlegen gefühlt hatte, da war ihre Klappe riesig und sie hätte Katniss ohne weiteres qualvoll getötet. Doch jetzt, wo es um ihr Leben ging, zeigte sich ihr wahres Ich. Sie war eben doch nur ein Kind das glaubte, älter zu sein als es war. Und ein Killer. Gehirnwäsche des Kapitols und der in Distrikt 2 sei Dank.

Dieser Cato wurde eingeblendet und man konnte sehen, dass er sie gehört hatte. Kurz schien er zu überlegen, doch dann rannte er los. Er würde es jedoch niemals rechtzeitig schaffen, da Elf nach ihrem Hilfeschrei reagierte und einen riesigen Stein, den ich bis dahin in seinen Händen gar nicht bemerkt hatte, gegen ihren Schädel schlug. Danach wandte er sich an Katniss und ich hörte Haymitch stöhnen.

„Was hat sie damit gemeint? Dass Rue deine Verbündete war.", fragte Elf sie, anstatt auch sie gleich noch zu töten. Möglich gewesen wäre es, immerhin hatte sie keine Waffe um sich zu verteidigen.

„Ich... ich... Wir haben uns zusammengetan.", stotterte Katniss. „Haben die Vorräte in die Luft gejagt. Ich habe versucht, sie zu retten, ja. Aber er war zuerst da, Distrikt 1."

Ja das war er. Ich hatte es nicht live gesehen, doch mir wurde davon erzählt. Und in den Wiederholungen war es auch zu sehen.

Katniss hatte versucht das kleine Mädchen zu retten, doch sie kam zu spät. Ein Sperr durchbohrte sie und als Rue im Sterben lag, hatte Katniss für sie gesungen, bis es vorbei war. Es war eine Geste, die ihr ziemlichen Respekt unter den Mentoren entgegen gebracht hatte. Ich hätte niemals gesungen, hätte mich jedoch auch gar nicht erst mit einem solchen Tribut verbündet. Schwach, hilflos, kein Nutzen. Dennoch hatte Katniss es getan. Wieso, wusste ich nicht, doch genau das machte sie wieder einzigartig und beliebt. Ich konnte nicht behaupten, dass ich sie deshalb jetzt mochte, doch diese Geste hatte auch mich kurz nachdenken lassen. Respekt war es nicht, jedoch Anerkennung.

„... Sie haben mir Brot geschickt.", nahm ich die Stimme von Katniss wieder war und schnell vertrieb ich die Gedanken. Da saß ich einmal vor dem Bildschirm und bekam auch live etwas mit und dann passte ich nicht auf!

„Mach schnell, ja, Thresh?"

Thresh! So hieß er!

Doch Thresh machte nicht schnell. Er machte gar nichts, außer den Stein sinken zu lassen.

„Dieses eine Mal lasse ich dich laufen. Wegen der Kleinen. Dann sind wir quitt, du und ich. Keine Schulden mehr. Verstanden?", bat er ihr an und sofort nickte sie.

Schuld und Ehre. Etwas, das in den Spielen noch nie gut war. Die Spiele waren eben einfach nicht ehrenhaft und Schuld hatte man, sollte man überleben, sowieso an irgendeinem Tod. Man konnte also gar nicht versuchen sie zu begleichen, sie war immer da.

Cato erschien wieder auf dem Bildschirm, war näher gekommen und schrie nach seiner fast toten Mittributin. Doch ich achtete schon gar nicht mehr wirklich darauf und stand im nächsten Moment auch schon auf. Das Festmahl war vorüber, es würde zu keinem weiteren Kampf mehr kommen. Katniss hatte für ihren Peeta das Heilmittel, Thresh besaß nun zwei Rucksäcke und die aus Zwei waren mir eh egal.

„Wo willst du hin?", fragte Jason, als ich zur Tür ging.

„Schlafen. Und wehe du weckst mich! Irgendwann werde ich von alleine wach und das reicht.", erwiderte ich.

„Ich weck dich später. Wenn ich reden will.", rief mir Finnick noch zu.

„Wenn dir dein hübsches Gesicht lieb ist, dann lieber nicht.", kam noch zur Tür hinein, ehe sie ins Schloss fiel und mich von den anderen Mentoren trennte.

Ich war unglaublich müde und konnte nicht behaupten, dass sich das Aufstehen für dieses Festmahl gelohnt hatte. Es gab zwar eine Tote, doch deren Tod war mit Sicherheit nicht Spektakulär genug für die Zuschauer hier im Kapitol. Katniss und die anderen konnten also nur hoffen, dass ein wenig Turtelei, was hier komischerweise verdammt gut ankam, vielleicht half, ansonsten würden mit Sicherheit bald irgendwelche Mutationen auftauchen. Was eigentlich auch schon längst überfällig war, wenn ich nur an meine Spiele dachte. Da waren überall irgendwelche dummen Viecher.

Ich musste an acht haarige Beine denken und an einen schmerzhaften Biss, weswegen ich genervt aufstöhnte. Ja, kurz vorm Schlafengehen hatte mir die Erinnerung an die Spinnen gerade noch gefehlt.

Verärgert schlug ich ein wenig zu hart auf den Knopf des Aufzuges und hoffte beim Einsteigen einfach nur, nicht von diesen Mutationen zu träumen. Riesige Biester mit einem Maul voller Zähne waren mir da schon lieber. Denen konnte man leichter eine Axt durch den Schädel rammen.

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Die 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt