Kapitel 21

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Als wir uns irgendwann wieder trennten und jeder in sein Appartement aufbrach, schnappte ich mir Zettel und Papier und verfasste für Jason einen Brief, um ihn über den Stand unserer Erkenntnisse und Meinungen zu informieren. Meistens wollte ich gar nicht wissen, was er dachte, da es oft das Gegenteil von uns war, doch in diesem Fall war ich einfach zu neugierig. Seine Antwort war kurz und knapp mit seiner fürchterlichen Handschrift unter meinen Text gekritzelt.

Ich denke ähnlich.

Was genau er damit meinte verstand ich nicht, doch zumindest widersprach er nicht und versuchte alles logisch zu entschlüsseln. Ob das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, blieb im Raum stehen.

Es vergingen noch einige Tage und wir mussten alle im dämlichen Kapitol warten, bis endlich bekannt gegeben wurde, dass die Siegesfeier stattfinden konnte. Vorher bekamen wir natürlich noch ein Interview der beiden zusehen, wo sie ihre Liebe beteuerten und außerdem erklärten, dass ihre Handlung allein auf eben diese Liebe zurückführen war. Niemand wollte ohne den anderen leben, deshalb erschien ihnen das als einzige Möglichkeit.

Wie romantisch. Mir wurde schlecht und Finnick fand alles noch unrealistischer. Was uns beiden jedoch aufgefallen war, dass alles ein wenig gestellt wirkte. Hatte Snow vielleicht schon seine Finger im Spiel? Mussten die beiden deutlich machen, wie verliebt sie waren und wie wenig sie rebellieren wollten? Vermutlich.

Die Feier an sich war genauso wie alle anderen. Nichts besonders. Die Höhepunkte der Spiele wurden gezeigt, dieses Mal auch mit Beerenszene, danach wurde ein wenig geplaudert, ehe die beiden Sieger gekrönt wurden. Jeder mit einer halben Krone, als Symbol für den gemeinsamen Sieg. Und weil es im Grunde ja nur ein Sieg war. Der Sieg der Liebe. Wie ich diese Kapitolsblätter für diesen Schwachsinn hasste! Wer dachte sich sowas aus und hatte dann auch noch den Mut es drucken zu lassen? Doch sollten sie es nur glauben. Ich tat es nicht und ich hoffte, die Menschen in den Distrikten blickten auch ein wenig mehr hinter die Fassade.

Als es Zeit wurde wieder in die Distrikte aufzubrechen, war ich einerseits froh das Kapitol endlich wieder hinter mir zu lassen. Anderseits vermisste ich Finnick jetzt schon und die Vorstellung, ihn erst in einem knappen Jahr wieder sehen zu können, machte mich traurig und wütend zugleich. Ich hasste das Kapitol dafür, dass sie uns hinter Zäunen einsperrten und eine Reise in andere Distrikte somit unmöglich machte.

„Du wirst mir fehlen. Und wehe, du sagst jetzt nicht, dass ich dir auch fehlen werde.", sagte Finnick und schmunzelte leicht.

„Du wirst mir fehlen. Idiot.", erwiderte ich und seufzte dann, ehe ich ihn in eine Umarmung zog. „Grüß Annie von mir. Und wehe du kommst zu den nächsten Spielen."

„Ich komme immer, genau wie du. Ich bin einfach zu beliebt, als dass ich zu Hause bleiben könnte.", behauptete er und küsste dann meine Wange, ehe wir die Umarmung lösten. Anschließend stieg er in seinen Zug, während ich noch auf meinen warten musste. Es dauerte jedoch nicht lange und auch wir brachen auf, auch wenn die Zugfahrt bei der Heimfahrt immer schlimmer war. Zu Beginn der Spiele konnte ich mich auf Finnick freuen, jetzt wartete nur ein leeres Haus auf mich. Deshalb verschlief ich die meiste Zeit der Fahrt auch, bis es nur noch eine Stunde bis nach Distrikt 7 war. Dort angekommen war ich überrascht, als ich den Zug verließ und auf eine kleine Ansammlung von Menschen blickte. Wir wurden eigentlich nicht empfangen, außer von Jasons Familie oder Blight, wenn ihm gerade langweilig war. Das höchste der Gefühle waren dann noch ein paar Passanten, die den Zug gehört hatten und deshalb vorbei schauten, doch nie waren es bisher so viele gewesen. Was war hier los?

„Johanna!", rief Blight und kam auf mich zu, während Jason Frau und Tochter in die Arme nahm.

„Was ist hier los? Gibt es irgendwas umsonst?", fragte ich misstrauisch.

„Es gab Unruhen, nach dem Sieg. Größere Ansammlungen sind bis auf weiteres verboten, außer man empfängt natürlich seine Mentoren, die ihr Bestes gegeben haben. Und ich glaube einige wollen Informationen von euch.", erklärte er ganz leise. Meine Augenbrauen wanderten nach oben.

„Unruhen? Hier, in Distrikt 7?", flüsterte ich leise. Was meinte er damit?

„Ja Unruhen. Ich weiß nicht was sich die Leute gedacht haben, doch nach der Szene mit den Beeren und der offensichtlichen Bloßstellung des Kapitols, das aufgrund von zwei Teenagern einlenken musste, haben sich einige wohl beflügelt gefühlt. Sie haben randaliert und Friedenswächter mit Steinen beworfen.", erzählte er leise während er sich in Bewegung setzte.

Sie haben Friedenswächter mit Steinen beworfen? Ich konnte nicht anders als zu grinsen und unglaublich stolz auf meinen Distrikt zu sein. Ja, sie hatten keine Rebellion gestartet, aber sie haben Mut gezeigt. Und das mit den Steinen hätte von mir sein können. Wobei, ich hätte vielleicht noch ein paar Abfälle untergemischt.

„Wie viele haben sie getötet?", fragte ich, als mir dieser Gedanke kam der sofort mein Grinsen vertrieb.

„Eine Handvoll. Verglichen mit der Zahl der Menschen, die unterwegs waren, ist das gar nichts. Sie haben damit wohl nicht gerechnet. Leider tragen sie Helme, das Gesicht hätte ich gerne gesehen.", schmunzelte er.

„Danke für die Info Blight."

„Gerne. Du hättest es mir auch erzählt.", meinte er und das stimmte wohl. In der Hinsicht tratschte ich gerne, weshalb ich auch gleich die Informationen von Finnick und mir weitergab.

„Genau deshalb brauche ich dich.", grinste Blight plötzlich und meine Augenbrauen wanderten fragend nach oben, weshalb er weiter sprach. „Ich will wissen, wie es in den anderen Distrikten aussieht. Und wenn jemand etwas aus Friedenswächtern herausbekommt, dann du."

„Du willst, dass ich schnüffle.", fasste ich zusammen.

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Die 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt