Kapitel 4

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Ich lag noch eine ganze Weile wach, ehe ich beschloss nicht mehr über irgendwelche Mädchen nachzudenken die sich für ihre Schwester gemeldet hatten. Die eben auch noch Schwestern hatten. Stattdessen dachte ich an das, was mich die nächsten Wochen erwarten würde, was natürlich auch nicht viel besser war. Trotzdem konnte ich dabei einschlafen, vielleicht auch weil ich an Camillas einschlafende Worte, die sie jedes Jahr in eine halbe Rede packte, denken musste. Wie auch immer, als ich das nächste Mal meine Augen aufschlug war es bereits hell und Zeit zum Aufstehen.

Ich seufzte, drehte mich noch einmal herum, doch als ich dann die Betreuerin von Distrikt 7 schon durch die Gänge schreien, oder besser gesagt, kreischen hörte, kroch ich doch aus dem Bett und schleppte mich ins Bad. Eine Dreiviertelstunde und einem halben Schreianfall von Camilla später, saß ich dann im Speiseabteil und aß noch etwas, ehe der Zug auch schon langsamer wurde und wir uns somit dem Kapitol näherten. Noch ein paar Minuten und wir hatten es erreicht.

„So, los, schnell zur Tür, gleich sind wir da.", scheuchte im nächsten Moment Camilla unsere Tribute auf, die natürlich sofort nervös und bleich wurden und schnell aufsprangen.

„Ihr habt noch ein paar Minuten. Also ganz ruhig.", sagte ich mit vollem Mund, was mir einen bösen Blick von Camilla bescherte. Vermutlich nicht weil ich ein wenig widersprochen hatte, sondern aufgrund meines Benehmens. Wie immer ignorierte ich sie gekonnt.

„Wir werden jetzt für die Parade vorbereitet, oder?", fragte mich das Mädchen und nickte, woraufhin sie weiter fragte. „Was bedeutet das? Was machen sie da dort mit uns?"

„Als erstes werdet ihr gewaschen. Und mit waschen meine ich auch wirklich waschen. Seit nicht schüchtern, das hilft euch eh nichts. Lasst es über euch ergehen und freut euch auf die Cremes, die riechen meistens sehr gut. Und wehe ihr schreit, wenn sie euch die Haare ausreißen! Das kommt gar nicht gut.", beginne ich, nachdem ich runterschluckt hatte, zu erzählen.

„Haare ausreißen?", quietscht das Mädchen, ich sollte mir doch ihren Namen merken, sofort.

„Ja. Nicht die auf dem Kopf, keine Sorge. Wenn dann bekommst du nur einen neuen Haarschnitt. Aber die Haare an den Beinen und an den Armen kommen weg. Das tut weh, also beißt die Zähne zusammen. In der Arena werden noch schrecklichere Dinge kommen die wehtun..."

„Johanna!", unterbrach mich Jason wieder einmal und ich verdrehte die Augen.

„Was?"

„Sei taktvoller.", tadelte er mich, woraufhin ich ihn anfunkelte.

„Sie hat mich gefragt. Wenn sie die sanfte Tour will, muss sie mit dir reden. Ich bin dafür zu ehrlich und kann nicht so tun als wäre die Arena nicht scheiße.", antwortete ich und konzentrierte mich wieder auf mein Essen.

„Würdet ihr euch jetzt endlich zur Tür begeben? Wie sieht das denn aus, wenn sie aufgeht und die Tribute nicht bereitstehen!", schrie Camilla halb, weshalb Jason die Beiden mitnahm und auch ich mit dem Brötchen in der Hand folgte.

Als sich die Tür dann öffnete standen wir brav davor und winkten in die jubelnde Menge. Beziehungsweise sie winkten, ich aß mein Brötchen zu Ende.

„Wen willst du Johanna? Sam oder Leigha?", fragte Jason leise, während wir uns den Weg durch die Menschen bahnten.

„Ich bringe Sam zu seinem Vorbereitungsteam.", antwortete ich, auch wenn ich gleichzeitig den Namen Leigha abspeicherte.

Mein ehemaliger Mentor nickte und wandte sich dann an das Mädchen, während ich zu Sam ging, ihm auf die Schulter tippte und ihm dann bedeutete mir zu folgen.

„Du bringst mich zu meinem Vorbereitungsteam.", stellte er fest und ich hielt ihm als Antwort den Daumen nach oben.

„Wie ist mein Vorbereitungsteam so?", fragte er daraufhin und ich musste schmunzeln.

„Besser als das deiner Mittributin. Wobei es trotzdem passieren kann, dass du schrecklich aussiehst. Erinnerst du dich an mein Outfit? Papier war schon lange nicht mehr dran, vielleicht bekommst du heuer ja ein Papierschief auf den Kopf?"

„Bloß nicht.", lachte er, verzog dann jedoch das Gesicht zu einer Grimasse. Vermutlich hatte er es sich kurz vorgestellt.

„Wie auch immer. Brav bleiben, schrei sie nicht an und bring niemanden um. Ich hol dich später ab.", sagte ich immer noch schmunzelnd und schob ihn dann einfach durch die Tür.

„Brav bleiben, nicht rumschreien und niemanden ermorden. Das klingt fast so, als wäre das dein täglicher Vorsatz mit dem du zu kämpfen hast.", ertönte hinter mir plötzlich eine Stimme und ich musste automatisch grinsen.

„Tja Odair, jeder hat seine Vorsätze. Nicht so gutaussehen würde auch noch drauf stehen, aber da ich das einfach nicht hinbekomme, habe ich nur diese.", antwortete ich, was ihn zum Lachen brachte. Danach zog er mich in eine kurze Umarmung.

„Den muss ich mir merken. Wie sehr hab ich dir gefehlt?"

„So sehr wie ich dir.", behauptete ich und grinste, ehe ich ihn kurz freundschaftlich anrempelte.

„Du könntest es auch einmal in Worte fassen.", beschwerte er sich und stützte sich dann mit dem Arm an meiner Schulter ab.

„Ich hatte schlaflose Nächte vor Sehnsucht nach dir. Ich habe sogar die Tage am Kalender gezählt bis ich dein hübsches Gesicht wieder vor mir sehen kann.", schlug ich vor und grinsend nickte er.

„Genau das will ich hören Mason.", behauptete er. „Gehen wir hoch?"

Statt zu antworten machte ich einen Satz nach vorne und entzog ihm dadurch seine Stütze, wodurch er leicht das Gleichgewicht verlor, ehe ich einfach losging und er mir folgen musste.

Ja er hatte mir sehr gefehlt, doch ich würde das niemals in Worte fassen. Ich wollte einfach nicht zugeben wie wichtig er mir war. Vor allem, da ich es mir dann selbst eingestehen müsste und der Abschied dann jedes Mal schwerer sein würde.


Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Die 74. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt