Kapitel 20

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Marcos Sicht:

Ich stöhne auf. Ein fieser Schmerz durchzuckt meinen ganzen Körper und lässt mich erstarren. Wo bin ich? Mein Kopf tut so weh. Meine Rippen. Ich kann mich überhaupt nicht bewegen. Vorsichtig hebe ich den Kopf und sehe mich um. Weiße Fliesen, riesige Panoramafenster, die vom Boden bis zur Decke reichen und einen unglaublich schönen Ausblick bieten, moderne, wahrscheinlich unglaublich teure Möbel und ein riesiger kurvet TV. Oh man, ist das nicht die Wohnung, nein Penthouse von Elizabeth und ihrer Drecksau von Mann? Der Wichser hat sie nicht mehr alle. Ich versuche mich zu bewegen, doch es geht nicht. Außerdem schmerzt es ohne Ende. Ich lehne am Klavier, meine Hände sind gefesselt. Das gibt es doch nicht. Wo ist Elizabeth? "Lizzy?" krächze ich, doch es kommt keine Antwort. "Elizabeth!" rufe ich lauter. Es ist komplett ruhig hier. Kein Ton. Sie ist nicht hier. Niemand ist hier! Leck mich am Arsch, das kann doch alles nicht wahr sein! Flavio hat mir geschrieben, dass der Wichser nicht da ist. Was soll das? Ich atme tief durch, doch es tut so weh. Wie komme ich denn hier bloß weg? Mein Magen knurrt, mein Hals ist staubtrocken und mir ist unglaublich kalt. Ich würde mal gerne wissen, wie lange ich schon hier bin. Meinem Hunger und Durst nach zu urteilen mindestens einen Tag. Wahrscheinlich länger. War ich echt so lange bewusstlos? "Lizzy!" brülle die so laut ich kann. Dann, wenig später, höre ich oben ein Poltern und dann eine leise Stimme. Sie ist da. Sie ist dort oben! "Lizzy? Bist du es?" Wieder höre ich etwas, es klingt wie ein leises Piepen, doch es sind entfernte Stimmen und dann ist da wieder dieses Poltern, oder Klopfen. "Geht es dir gut? Klopf zwei mal, wenn ja, einmal wenn Nein!" Es klopft wieder, aber nur einmal. Ihr geht es also nicht gut. "Fuck!" fluche ich vor mich hin und sehe mich um. Hier ist nichts, womit ich mich befreien könnte. Mit was auch immer meine Hände gefesselt sind, es schneidet sich schmerzhaft in meine Handgelenke und ist unnachgiebig. Plastik, schätze ich. Wie ein Seil, oder so, fühlt es sich nicht an. Ich habe keine Ahnung, wie ich hier weg kommen soll. Und noch weniger verstehe ich, weshalb er mich ich hier festhält. Es ergibt alles gar keinen Sinn. Plötzlich gehen die Aufzugtüren auf und eine kleine zierliche Frau kommt herein. Sie sieht mich erschrocken an, senkt dann aber ganz schnell den Blick und eilt in die Küche. Sie hat ein blaues Auge und eine Schramme über der linken Augenbraue. Sie steht garantiert unter dem Einfluss dieses Mannes. Wie kann man nur so sein? Ich wusste es. Ich habe es gewusst! Dieser Kerl ist unberechenbar. Ich hätte Elizabeth viel früher hier herausholen sollen. Aber offenbar war bis heute alles gut. Ich verstehe den Typ nicht. Wie kann man einfach so eine Frau so dermaßen verprügeln? Und dann auch noch die eigene Ehefrau! Was geht im Kopf dieses Mannes vor sich, dass er so etwas tut? Das sind Fragen, die mir vermutlich nie jemand beantworten wird. Vermutlich kann dieser Gideon es nicht einmal selbst erklären. Ich sehe mich erneut im Wohnzimmer um. Wie viel Luxus alleine in diesem Raum steckt. Das ist der reinste Wahnsinn. Mein Haus ist auch luxuriös ausgestattet, aber nicht so. Ich verstehe jetzt auch, was die anderen meinten mit "Die Frau ist Luxus gewöhnt." oder "Das, was du im Jahr verdienst, das verdient ihr Mann in weniger als einem Monat. Deren Luxus sieht noch etwas anders aus, glaub mir." Ich stöhne frustriert. Ich werde Elizabeth nie für mich ganz alleine haben. Ich wette, dass sie wieder nicht mit mir kommt und lieber bei ihrem Mann bleibt. Elender Wichser.

Die Frau von vorhin kommt auf mich zu. In der Hand hält sie einen Teller, auf dem eine Stulle mit Salami liegt. Sie setzt sich neben mich und hält mir die Stulle hin, damit ich ab beiße. Ich zögere. Kann ich das wirklich einfach so essen? Ich weiß ja nicht. "Nun iss. Wenn es nach Mr Collins gehen würde, dann würdest du keinen Krümel zu Essen bekommen." Ich sehe sie mit großen Augen an. "Nun los. Ich konnte deinen Magen bis in die Küche knurren hören." Ich seufze und beiße ab. Oh man. Wie gut ein einfacher Bissen Salamistulle tun kann. "Du wirst gesucht." sagt die Frau leise. "In allen Zeitungen kann man es lesen." "Was kann man lesen?" "Dass du verschwunden bist." "Verschwunden? Mein Gott, wie lange bin ich denn schon hier?" Sie schluckt schwer und sieht nach unten. "5 Tage. Du bist immer mal wieder für ein bis zwei Minuten halbwegs bei Bewusstsein gewesen, wo ich dich zum Trinken bringen konnte. Vermutlich hat dir das das Leben gerettet. Aber du bist nie komplett zu Bewusstsein gekommen. Erst heute." Ich sehe sie entsetzt an. 5 Tage?! Ja leck mich am Arsch. "Und Elizabeth? Wo ist sie?" "Oben. Mr Collins hat sie in einem der Gästezimmer eingesperrt." Sie seufzt erschöpft und kneift sich in den Nasenrücken. "Wie heißt du eigentlich?" "Ich bin Anne. Ich arbeite für Mr und Mrs Collins als Haushälterin. Die arme Frau muss manchmal eine ganze Menge von ihm einstecken. Allerdings war es noch nie so schlimm." Ich nicke. "Ähm... Ich muss echt total dringend zur Toilette." murmle ich. Sie sieht mich mit großen Augen an. "Oh. Okay, ich mache dich los. Aber du musst mir versprechen, dass du nur dort vorne auf die Toilette gehst, und dich danach wieder hier hinsetzt und dich fesseln lässt." Ich presse die Lippen aufeinander, nicke aber, da ich davon ausgehe, dass sie sonst nicht mehr lange leben würde. Sie holt eine Schere aus der Küche und schneidet mich los, sodass schnell zur Toilette kann. Anschließend gehe ich zurück und setze mich wieder dort hin, woraufhin sie mich wieder fesselt. Wie frustrierend. "Wie geht es Elizabeth?" Anne schüttelt den Kopf. "Nicht gut. Sie ist kaum noch bei Kräften. Immerhin hat sie auch schon seit 5 Tagen nichts mehr gegessen. "Aber dann bring ihr doch bitte etwas." flehe ich sie an. "Das habe ich versucht. Aber ich weiß nicht wie. Die Tür ist verschlossen und Mr Collins hat mir die Schüssel weggenommen. Der Schlitz unter der Tür ist zu klein, um dort etwas hindurch zu schieben." Sie sieht mich traurig und verzweifelt an. "Dann mach mich los und lass uns Elizabeth befreien. Und dann fliehen wir alle drei." Anne reißt erschrocken die Augen auf. "Das geht doch nicht. Mr Collins würde uns finden. Und dann wird alles noch schlimmer." "Also lassen wir Elizabeth lieber sterben?" Lange starrt Anne mich mit wässrigen Augen an, doch dann schüttelt sie den Kopf, schluchzt und schneidet den Kabelbinder wieder auf, damit wir meine große Liebe befreien können.

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