Peinlich berührt schlug ich die Augen nieder, meine hochroten Wangen mit den Händen verbergend, und beschleunigte meine Schritte, um etwas Abstand zwischen meine Cousine und mich zu bringen.
„Ich werde mich etwas hinlegen, ich fühle mich nicht so gut." Ich blieb vor der Tür stehen und warf einen kurzen Blick nach hinten auf Raven, die einen nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte.
„In Ordnung, dann sehen wir uns später.", beeilte sie sich nach einem Moment des Schweigens zu sagen, bevor sie sich abwandte.
Innerlich schüttelte ich den Kopf über meine Cousine, während ich in mein Zimmer trat und die Tür hinter mir sorgfältig schloss.
Erschöpft seufzte ich auf, als ich mich auf mein Bett setzte. Ich brauchte wirklich Schlaf, meine Kopfschmerzen begannen schon wieder stärker zu werden und die Müdigkeit steckte mir in den Knochen. Ich wollte nicht auch noch fiebrig werden.
Ohne nach einer Zofe zu rufen, zog ich mir mit vorsichtigen Bewegungen das Kleid aus weicher Baumwolle über den Kopf und schlüpfte in ein Nachthemd.
Drei Stunden vor Beginn des Balles würden meine Zofen ohnehin nach mir schauen, um mich für den Abend vorzubereiten. Und bis das eingetreten war, konnte ich mich etwas ausruhen.
Ich zog mir die flauschige Decke bis zum Hals und versuchte, eine bequeme Position zu finden, doch ich kam nicht zur Ruhe. Die Gedanken über mein Gespräch mit Jonathan kreisten in meinem Kopf umher. Meine Wundwinkel zogen sich etwas nach oben, als ich das Gespräch gedanklich Revue passieren ließ. Er hatte sich so nett nach meinem Zuhause erkundigt, dass ich nicht anders gekonnt hatte, als anzufangen, von der Rosenburg zu schwärmen. Und falls er sich gelangweilt hatte, hatte er es gut verborgen, denn seinem Blick nach zu urteilen hatte er ehrliches Interesse empfunden.
Ich schmiegte mein Gesicht in den frischbezogenen Polster und atmete den leichten Lavendelduft der Bettwäsche ein, während ich langsam in den Schlaf abglitt.
„Mylady!", riss mich eine sanfte Stimme aus dem Schlaf und ich schlug die Augen auf.
„Mylady, Euer Bad ist bereit.", teilte mir die Zofe mit, die am Bettrand stand.
„Wie spät ist es?" Ich setzte mich vorsichtig auf und strich mir das Haar, das sich aus dem einfachen Dutt gelöst hatte, aus dem Gesicht.
„Drei Uhr nachmittags, Mylady." Die Zofe wies mit der Hand Richtung Bad. „Bitte, wenn Ihr so weit seid."
„Danke." Auf bloßen Füßen tapste ich zur Badewanne, wo ich das Nachthemd zu Boden gleiten ließ, bevor ich mich ins angenehm warme Wasser sinken ließ. Die nächste Stunde lang ließ ich die Zofen mein Haar waschen und danach kämmen, bis es seidig glatt war. Die verwendete Rosenessenz verströmte ihren herrlichen Duft im ganzen Bad und besänftigte meine Kopfschmerzen.
Ich ließ mir in mein Kleid helfen, ein cremefarbenes bodenlanges Kleid aus Seide, dessen Stoff mit schlichten Mustern bedeckt war und dessen dreiviertellange Ärmel aus transparentem Material waren, genauso wie ein Teil des Ausschnitts. Eine Weile saß ich mit dem Rücken zu dem kleinen Kamin in meinem Zimmer, damit meine Haare trocknen konnten, während eine junge Zofe sich an meinem Gesicht zu schaffen machte und Schminke auftrug. Der Pinsel kitzelte meine Wange, doch ich zwang mich, stillzuhalten. Vor einer kleinen Kommode, über der ein großer Spiegel hing, verfolgte ich etwas später auch die Bemühungen der Zofen, meine Haare in eine ordentliche Frisur zu bringen – schlussendlich wurden sie kunstvoll zur Seite und nach oben geflochten, zusammengebunden und die restlichen gelockt. Meine Augen wanderten über mein Spiegelbild. Mein Gesicht war so blass wie eh und je, nur meine Augen und Lippen waren etwas betont worden, wenn auch sehr schlicht. Ich unterdrückte einen Seufzer beim Gedanken daran, dass mir jetzt stundenlanger Trubel bevorstand. Ich mochte große Menschenmassen nicht. In der Rosenburg war es fast immer ruhig und gemächlich, und genau das liebte ich an meinem Leben dort. Dass es auch ziemlich einsam war, verbannte ich aus meinen Gedanken.
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Silberblut
Teen FictionSeit dem goldenen Krieg blüht das östliche Königreich unter der Führung der Silbermeer-Familie auf, doch um die Beziehung mit den Grenzgebieten stark zu halten, soll Kronprinz Jonathan zu seinem 19. Geburtstag eine Braut aus den ländlichen Grafschaf...