"Der Graf der Kalkinseln wäre jetzt hier", kündigte das Dienstmädchen, das an der Tür postiert war, an.
"Bitte ihn hinein." Ich setzte mich in meinem Lehnstuhl etwas aufrechter hin und atmete tief durch. Ich musste verrückt sein, das wirklich in Betracht zu ziehen.
"Hoheit! Ich hätte nicht damit gerechnet, Euch so bald wiederzusehen. Auch, wenn ich darüber natürlich sehr erfreut bin." Mit einem freundlichen Lächeln verbeugte er sich knapp, bevor er sich in den Sessel auf der anderen Seite des kleinen Teetisches sinken ließ. Ein Bediensteter begann sofort damit, eine Etagère mit Obst und anderen Süßigkeiten auf dem kleinen Tisch abzusetzen und öffnete eine Flasche Wein.
Nicholas schlug die Beine übereinander und stütze die Hände auf den Armlehnen ab, sein Blick wanderte durch den Raum, der in Blau und Gold gehalten war. "Ich muss gestehen, dass ich überrascht über Eure Einladung war. Aber es freut mich, dass Ihr meiner Gegenwart anscheinend noch nicht überdrüssig geworden seid. Wie fühlt Ihr Euch heute?"
„Ausgezeichnet, danke. Ich hoffe, es bereitet Euch keine Unannehmlichkeiten, dass ich Euch hierhergebeten habe." Ich bemühte mich, unbeschwert zu klingen, doch mein Anliegen lag mir wie ein Kloß im Hals, an dem ich die Höflichkeiten vorbeizwingen musste.
„Aber nein, nicht doch. Einer Einladung von Euch würde ich jederzeit folgen." Entspannt lehnte er sich zurück und ich konnte nicht umhin, ihn für seine Gelassenheit zu bewundern. Nichts an seinem Äußeren ließe vermuten, dass er sich in dieser ungewissen Situation nicht wohl fühlte.
„Wann gedenkt Ihr, auf die Kalkinseln zurückzukehren?", fragte ich weiter, die Hände ineinander verknotet.
„Wollt Ihr mich so bald wieder loswerden?" Das Lachen in seiner Stimme verriet, dass er es nicht ernst meinte, aber seine grünen Augen leuchteten vergnügt. „Voraussichtlich morgen. Ich habe morgen Vormittag noch einen geschäftlichen Termin, doch danach werde ich mich auf den Heimweg machen."
Ich nickte verstehend, und kurz herrschte Stille, in der das leise Klappern von Geschirr zu hören war, das der Bedienstete mit seinem Rollwagen verursachte. Ich schluckte, und griff nach einem Keks, um meine Nervosität zu verbergen. Meine Hand zitterte leicht, doch ich hoffte, er würde es nicht bemerken. „Dann hoffe ich, dass ich Euch gerade nicht von wichtigeren Angelegenheiten fernhalte?"
„In keinster Weise. Ich könnte mir keine angenehmere Art vorstellen, den heutigen Nachmittag zu verbringen." Er grinste und griff nach dem Weinglas. „Darauf sollten wir anstoßen. Ihr seht wunderbar aus, Hoheit. Ecru schmeichelt Eurem Teint."
Mit einem kurzen Blick auf den blau-weiß gekleideten Bediensteten hinter Nicholas, der sich tunlichst Mühe gab, nicht den Eindruck zu erwecken, unserem Gespräch zu lauschen und die Weinflasche in einem Kühler abstellte, bevor er sich ergeben zurückzog, hob ich das Glas zum Prosten hoch.
"Danke. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Euer Kompliment mir oder unserem jungen Bediensteten gegolten hat?" Atemlos und ein wenig schockiert von mir selbst nahm einen Schluck Wein und griff nach einer Erdbeere, den Blick jedoch auf mein Gegenüber geheftet.
Prompt verschluckte er sich an dem Wein und stellte das Glas etwas zu ruckartig ab. Röte kroch seine Wangen hoch und er blickte sich um, doch der Bedienstete hatte den Raum bereits verlassen und uns zu zweit im Salon zurückgelassen.
„Das war nicht... Ich kann Euch versichern..." Er brach ab. „Ihr habt anscheinend einen falschen Eindruck von mir bekommen."
Unmittelbar tauchte vor meinem inneren Auge das Bild von gestern Nacht auf, als ich Nicholas und Eyk im verlassenen Korridor beobachtet hatte. Ich wusste, was ich gesehen hatte.
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Silberblut
Fiksi RemajaSeit dem goldenen Krieg blüht das östliche Königreich unter der Führung der Silbermeer-Familie auf, doch um die Beziehung mit den Grenzgebieten stark zu halten, soll Kronprinz Jonathan zu seinem 19. Geburtstag eine Braut aus den ländlichen Grafschaf...