♕ Epilog: Viktoria ♕

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Eine aufgeregte, fast fiebrige Stimmung lag in der Luft. Das Badewasser, das mit Rosenblättern und Kräutern versehen war, war beinahe zu heiß, aber vielleicht lag es auch nur an der Hitze, die durch meine Adern floss. Eine Zofe war damit beschäftigt, meine nassen Haare zu kämmen und eine andere goss immer wieder frisches Wasser in die Wanne. Die Geschäftigkeit schlug auch auf mich über, und kaum dass ich für sauber befunden worden war, stieg ich eilig aus dem Bad. Sanfte Hände drängten mich weiter ins Schlafzimmer, wo ich zuerst in ein seidenes Unterkleid und dann auf den Sessel am Frisiertisch gedrückt wurde. Emsig machten sich die Zofen daran, meine Locken in eine balltaugliche Frisur zu bringen, mich in eine Wolke Parfum zu tauchen und mein Gesicht zu bemalen. Fröhliches Geschnatter begleitete die Vorbereitungen und ich fühlte mich an die ausgelassene Stimmung vor Gesellschaften zu Hause erinnert, wo meine Schwestern und ich uns nicht selten gemeinsam hergerichtet hatten.

Ein opulentes Kleid, bei dem mir fast der Atem wegblieb, wurde hervorgeholt. Ich hatte es noch nie gesehen und so glitten meine Augen über jedes Detail. Bis auf die rauchgraue Farbe war nichts daran unauffällig. Unzählige Perlen waren in Spitze auf das Oberteil gestickt, dessen herzförmiger Ausschnitt mit silbernem Faden abschloss. Ein transparentes Stück Stoff bildete den Übergang zu dem hohen Kragen, der nicht minder reich bestickt war. Die spitz zulaufende Taille ging in zahllose Lagen an Tüll über, und selbst am Saum entdeckte ich noch eingearbeitete Spitze. Es war perfekt. Selbst die dezenten Puffärmel, die ich an einem anderen Kleid furchtbar gefunden hätte, passten wunderbar dazu, und liefen zu Spitzenärmeln aus. Zweifellos würde mir warm werden, aber das nahm ich gerne in Kauf.

Erfreut registrierten die Zofen meine Begeisterung, die erste Gefühlsregung, die ich wohl gezeigt hatte, nachdem sie mich nach meinem Strandspaziergang mit dem Kronprinzen auf mein Zimmer gezerrt hatten. Vorsichtig ließen sie mich in das Kleid hineinsteigen, dessen Innenfutter seidig über meine Haut glitt. Die Knopfleiste an meinem Rücken wurde geschlossen und ich kam nicht umhin, zu bemerken, dass es wie angegossen saß. Der Rock wog schwer, doch durch die vielen Lagen Tüll musste ich wenigstens keinen verstärkten Reifrock mehr darunter tragen. Als ich kurz in den Spiegel blickte, während meine Zofen noch an dem Kleid herumzupften, war es beinahe, als würde mir jemand anderes entgegenblicken.
Eine der Zofen, die meinen verstohlenen Blick bemerkte hatte, lächelte zufrieden. „Ich denke, so können wir Euch getrost auf den Ball schicken. Ihr seht großartig aus, Hoheit."

Ich nickte bloß dankbar, mit den Gedanken bereits bei dem Ball, auf dem sich alles entscheiden würde. Ich hatte meinen Entschluss gefasst, nun blieb nur noch abzuwarten, was passieren würde. Die Füße in den seidenen Pantoffeln spürte ich kaum, als ich, von guten Zusprüchen begleitet, durch die Tür auf den Gang trat. Ich atmete tief durch, doch das Engegefühl, das von meiner Brust Besitz ergriffen hatte, verschwand nicht. Sei nicht albern, reiß dich zusammen. Zitternd entwich der Atem meinen Lippen, und meine schnellen Schritte trugen mich immer näher zum großen Ballsaal. Nicht weit vor mir war ein Paar in ein leises Gespräch vertieft und auch hinter mir vernahm ich Schritte. Ich zwang mich, gleichmäßig weiterzugehen. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Auch für eine kurze Pause in einem Seitengang, um mich zu beruhigen, war es nun zu spät. Jetzt stell dich nicht so an. Die großen Flügeltüren am Ende des Ganges kamen immer näher und ich ignorierte mein rasendes Herz und das Blut, das in meinen Ohren rauschte und fast jedes Geräusch übertönte. Nur wie aus der Ferne drang leise Musik an mein Ohr und meine gefühllosen Füße trugen mich unweigerlich vorwärts.

Dann war da die Tür, die geöffnet wurde und einen Schwall an Geräuschen und Licht in den Gang ließ. Nach dem spärlich beleuchteten Licht im Korridor blinzelte ich in der plötzlichen Helligkeit des Ballsaals, all die Kerzen und kristallenen Kronleuchter, die das Licht zurückwarfen. Selbst durch das Rauschen in meinen Ohren nahm ich wahr, wie die Gespräche immer leiser wurden, während ich durch die Menge in Richtung des kleinen Podests glitt, wo ich Almar auf seinem Thron und neben ihm Jonathan ausmachte. Beim Näherkommen entdeckte ich direkt daneben Cam, der in eine Unterhaltung mit Raven und einem anderen Herrn vertieft war und unweit davon ein Grüppchen, das aus Elion, Katrina und zwei anderen Herrschaften bestand. Von Juliana und Rosalie war keine Spur. Waren sie bereits hier oder würde man auf sie warten?

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