♕ Raven IV ♕

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Kleine Schäfchenwolken trieben gemächlich über den Himmel, als ob sie sich zu der langsamen Melodie des Klavierstücks bewegen würden, das den Salon füllte. Meine Augen folgten den Wattebäuschen hinter den bodenhohen Fenstern für eine Weile, die Musik im Hintergrund genießend, bis mich das Gefühl beobachtet zu werden davon abbrachte. Tatsächlich begegnete ich Cambriels dunkelblauen Augen, als ich mich schließlich auf dem dick gepolsterten Sofa umdrehte.

Fragend legte ich den Kopf schief, doch er lächelte bloß, ohne seinen nachdenklichen Blick abzuwenden. Instinktiv erwiderte ich sein Lächeln und strich mir die dicken Strähnen schwarzen Haares aus dem Gesicht, die wie üblich ungezwungen herabfielen, als mir Katrinas Rat wieder einfiel: Halte ihn für eine Weile auf Abstand. Ein kleiner Seufzer entkam mir, denn so sehr ich es auch versuchte, ich schaffte es nicht ihrem Vorschlag Folge zu leisten. Je mehr ich Cambriel aus dem Weg ging, desto eher schienen sich unsere Wege durch Zufall zu kreuzen. Auch die momentane Situation hat sich aus solch einem unabsichtlichen Aufeinandertreffen ergeben, dachte ich resigniert. Schuldbewusst wurde mir klar, dass meine Laune trotzdem ausgezeichnet war, da es meiner Meinung nach weit schlimmeres gab, als den Vormittag mit Cambriel, guter Musik und ungewöhnlich viel Sonnenschein und Wärme für einen Ort wie Silbermeer zu verbringen.

Das sommerliche Wetter hatte uns Gäste schon nach dem Frühstück dazu veranlasst, einen ausgedehnten Spaziergang im Schlossgarten zu machen – alle bis auf Juliana natürlich, sie war sich zu fein für die Gärten gewesen und Viktoria, da ihre Verletzung es ihr nicht erlaubte. Die Wärme hatte sich auf dem gemächlichen Spaziergang in meine mittlerweile durch und durch feuchten Knochen geschlichen und mich schläfrig und behäbig gemacht. Unser kleines Grüppchen hatte an diesem Morgen nach kaum fünf Minuten des Gehens beschlossen fürs Erste auf einer Parkbank zu rasten und nur Elion hatte die Energie gefunden laut darüber nachzudenken, dass sie später womöglich noch einen gemütlichen Ausritt tätigen würde. Der junge Bastard hatte Gefallen am Reiten gefunden, auch wenn sie im Vergleich zu Viktoria im Jagdgalopp noch einer großen Portion Wackelpudding glich. Gerade als ich das dachte, erhaschte ich aus den Augenwinkeln einen Blick auf ein gemütlich trabendes Pferd am Waldrand und verfolgte dieses, bis es von den Bäumen verschluckt wurde. Wir waren zu weit entfernt, um zu erkennen, ob es tatsächlich Elion gewesen war, aber ich war mir recht sicher. Cambriel war hier bei mir, Jonathan hatte sich mit riesigen Bergen von Pergament und Briefen in seinen Gemächern eingeschlossen, Viktoria lag sehr zu ihrem Missfallen wegen ihres Knöchels im Bett und weder Katrina, noch Juliana traute ich es zu die jeweils andere zu einem kleinen Ausritt aufgefordert zu haben. Mein Blick glitt prüfend über die Schlossgärten, auf der Suche nach besagten anderen, doch der Rest der Ladys schien bereits wieder nach drinnen gegangen zu sein, genau wie ich. Womöglich sogar auf der Flucht vor der vielen Sonne, die waren sie hier offensichtlich nicht gewohnt. Stattdessen blieb mein Blick an dem großen Brunnen nahe der Terrasse des Ballsaals hängen und unwillkürlich begann ich bei der Erinnerung an Elions Missgeschick zu schmunzeln.Diesmal war es an Cam, mich verwundert anzusehen. 

„Was amüsiert dich so?"

„Der Brunnen", gab ich bloß zurück und sah ihm gleich an, dass er verstanden hatte.

Ebenfalls lächelnd schüttelte er den Kopf. „Was für eine gewagte Aktion von ihr", meinte er mit einem Hauch von Bewunderung in der Stimme, „Das würde man ihr für gewöhnlich gar nicht zutrauen."

„Stimmt, normalerweise ist sie so demütig. Aber Lady Elions Kraft ist nicht zu unterschätzen", sagte ich wahrheitsgetreu. Ich war nicht gar so leicht, dass mich jeder im Vorbeigehen umschubsen konnte. „Vielleicht bekommt man kräftige Oberarme vom Malen." 

Ein Leuchten trat in meine Augen, als ich mich wieder zum Prinzen drehte. „Hast du schon ein Bild von ihr gesehen? Ihre Landschaftsgemälde sind unglaublich."

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