Es gibt nichts Schöneres als geliebt zu werden, geliebt um seiner selbst willen oder vielmehr trotz seiner selbst. (Victor Hugo, französischer Schriftsteller)
Ein paar Wochen später war ich wieder in New York und traf meinen Auftraggeber, der, wie ich erfuhr, Jakes Tante war. Ich hatte, woher wohl, das Gefühl, Jake hätte seine Tante überredet, mich zu nehmen.
Obwohl ich eher sauer auf Jake sein sollte, dass er mir das verschwiegen hatte, war ich doch überwiegend glücklich, da ich ihn so wiedersehen würde.
Ich reiste eine Woche früher an, da bald Weihnachten wäre und in der Schule nichts Wichtiges mehr geschah, und verbrachte meine Zeit hauptsächlich mit Jake und natürlich shoppen. Einmal ging ich mit ihm zu Century 21 und kaufte fast den ganzen Laden auf. New York war perfekt dafür geeignet, arm zu werden. Wir besichtigten aber auch zusammen das World Trade Center, Empire State Building und so ziemlich alles andere, was es noch gab. Ich hatte zwar alles schon einmal gesehen, aber mit Jake war es so viel lustiger und schöner.
Als diese perfekte Woche dann endete, brachte mich Jake mit seinem Auto direkt zu Victoria's Secret und stieg mit mir aus. Ein Angestellter fuhr sein Auto weg und ich fragte mich, wie wichtig er wohl für die Marke sei. Seine Tante, die Sharen Jester Turney hieß, begrüßte mich herzlich und durchlöcherte mich förmlich mit Fragen. Sie fragte mich unter anderem, woher ich Jake kannte, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass sie die Antwort schon gewusst hatte.
Schließlich fragte sie mich auch: ,,Wo wohnst du eigentlich? Du hast einen für mich schwer zuzuordnenden Akzent." Ich antwortete: ,,Ich wohne in München in Deutschland. Die Stadt ist nicht ganz so groß wie New York und es gibt nicht einen einzigen Wolkenkratzer. Aber es gibt viele Parks und Tiere."
Als ich das so erzählte, klang München für mich ziemlich unspektakulär, aber es war trotzdem meiner Meinung nach besser als New York. Immerhin waren die U-Bahn-Stationen um einiges schöner. In New York waren sie schimmlig und man konnte kaum atmen, und es war nicht alles so verdreckt und man konnte auf der Straße gehen, ohne sofort an gehupt zu werden und kaum voranzukommen, weil so viele Menschen deinen Weg entlanggehen wollten. Wenn man das so sah, war München doch um einiges besser für einen Wohnort.
Aber natürlich war New York einfach unglaublich und ich liebte die Stadt. Immerhin war ich hier am meisten unterwegs, von Paris und Mailand mal abgesehen.
Da Sharen -ich beschloss, sie nur bei einem Namen zu nennen- aber nichts anderes gewohnt war, außer Großstädte, die noch größer waren als München, sah sie nicht sehr begeistert aus, als ich ihr München beschrieb. ,,Aber es gibt ja das Oktoberfest. Ich habe schon oft davon gehört. Das ist doch bestimmt toll, nicht wahr?", fragte sie mich, um das Gespräch fortzusetzen. Ich hatte, um ehrlich zu sein, keine Lust mehr, mit ihr über Städte zu reden, vor allem, weil sie eine komplett andere Vorstellung und Meinung hatte. Also antwortete ich nur: ,,Ja, es ist ganz schön, aber auch nur für Menschen, die sich unbedingt ins Koma trinken wollen." Natürlich stimmte auch das nicht. So konnte ich sie aber am besten abwimmeln.
Als ich endlich erlöst worden war, kam Jake wieder zu mir und sah mich mit einem entschuldigenden Lächeln an. ,,Meine Tante ist manchmal etwas nervig", erklärte er mir. Das hatte ich auch schon mitbekommen. Ich überging also dieses Thema und fragte: ,,Soll ich mich schon umziehen, oder was ist jetzt los?"
Er ging gekonnt auf den Themawechsel ein und antwortete: ,,Ja, komm mit."
Er führte mich fast durch das ganze Gebäude und ich fühlte mich wie in einem gigantischen Labyrinth.
Kurze Zeit später, oder auch etwas längere Zeit später, war ich gestylt und angezogen. Mir wurde gerade erklärt, wie ich am schnellsten die neuen Outfits anziehen konnte, da ich mehrere tragen musste, als Jake wieder zu mir kam. Mir entging sein Blick auf meine Oberweite nicht, aber ich verdrehte nur die Augen. Typisch Männer.
Als die Show endlich anfing, war ich richtig aufgeregt. Als ich dann loslief, strahlte ich aber wieder über das ganze Gesicht, und diesmal nicht wie sonst, sondern es erreichte wieder wie damals, bei diesem erfolgreichen Walk, meine Augen. Ich musste mit der singenden Person, die auf dem Catwalk stand, interagieren, weshalb ich tat, als würde ich mit Justin Biber tanzen. Innerlich kam mir zwar das Frühstück wieder hoch, weil er mich eklig anstarrte, aber von außen zeigte ich das nicht. Anschließend poste ich und drehte wieder um. Im Gegensatz zu den anderen Models machte ich aber keine gefälschten Küsschen, sondern ließ mir etwas anderes einfallen.
So lief das die ganze Zeit ab, nur dass ich immer ein anderes Outfit anhatte und sich die Sänger wechselten. Alles in allem fand ich Victoria's Secret nicht mehr so toll wie am Anfang. Backstage verhielten sich die festangestellten Models wie Weltwunder und sie waren mir auch zu arrogant. Ich lief dennoch gut, da ich Jakes Tante nicht verärgern wollte. Einmal erblickte ich in der Masse Jake, der mich die ganze Zeit gebannt anstarrte.
Als die Show endlich fertig war, war ich richtig geschafft. Ich legte mich, nachdem ich die sündhaft teuren Flügel abgelegt hatte, auf eine Couch und schlief ein. Als ich aufwachte, lag ich in einem abgedunkelten Raum, den ich noch nie gesehen hatte. Ich schlug meine Decke um und stand auf. Ich bemerkte, dass ich in einem Nachthemd war, das mir jemand Fremdes angezogen haben musste und schlich aus der leicht geöffneten Tür auf einen Flur, an dessen Ende eine Tür war, durch die ich Stimmen hörte. Die eine gehörte Jake und die andere konnte ich nicht ganz zuordnen, aber gehörte einer Frau. Ich stiefelte eifersüchtig auf die Tür zu und öffnete sie gewaltsam. Aber in dem Raum stand nur Jake und nach einem kurzen Blick nach links merkte ich, dass die Stimme der Frau aus einem Radio kam. Sofort errötete ich wieder und sah, dass Jakes Blick wieder auf mir lag. Logisch, ich war ja halb nackt. Gut, dass ich ohne nachzudenken in seine Küche gelaufen war.
Er räusperte sich. ,,Hast du gut geschlafen?" Ich nickte als Antwort nur. In meinem Gehirn brauchte es etwas länger, bis mir auffiel, dass Jake mich umgezogen haben musste. ,,Ist das deine Wohnung?", fragte ich, um sowohl ihn, als auch mich abzulenken. ,,Ja, gefällt sie dir?" Er schaute mich interessiert an. Wieder nickte ich nur. Als ich gerade wieder rausgehen wollte, um mich umzuziehen, fragte er: ,,Kannst du Schlittschuhfahren?" Verwirrt bejahte ich die Frage. ,,Wieso?"
,,Ist nicht wichtig. Du hast doch bestimmt morgen Zeit oder?"
Mir fiel ein, dass morgen Weihnachten war. Glücklich nickte ich wieder.
,,Willst du nicht mehr mit mir reden?" Er lachte und kam auf mich zu. Da ich nicht wusste, was er vorhatte, konnte ich mich nicht wehren, als er mich im Brautstyle hochhob und aufs Bett legte, um mich zu kitzeln. ,,Ist schon gut! Ich rede ja wieder!", versuchte ich, mich zu verteidigen. Er lachte mich nur aus. ,,Jetzt ist es zu spät."
Am nächsten Tag fuhren wir zwei am Abend zum Rockefellercenter und was ich dort sah, rührte mich. Es gab eine riesige Eislauffläche und außen rum standen beleuchtete Bäume. Auch das Gebäude war blau beleuchtet. Mir traten die Tränen in die Augen und ich umarmte Jake.
Wir liehen uns Schlittschuhe aus und fuhren zusammen immer wieder im Kreis. Er konnte sogar besser Eislaufen als ich und das, obwohl er in New York lebte, wo es meines Wissens nach nicht viele Möglichkeiten gab, um Schlittschuh zu laufen.
Nach einer Weile fuhren wir erschöpft an den Rand und lächelten uns an. Wir hatten nichts zu sagen. Das einzige, das in diesem Moment zählte, war, dass wir zusammen waren. Er kam langsam auf mich zu und küsste mich in aller Öffentlichkeit. Ich erwiderte sofort und hob meine Hände zu seinem Kopf, um sie in den Nacken zu legen. Mein Bauch machte mich verrückt, aber nicht auf die schlimme Weise. Ich liebte Jake und das sagte ich ihm auch, als wir uns schließlich voneinander lösten.
Das war das beste Weihnachten, das es bisher gegeben hatte.
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Just a model / #LightAward17
Teen FictionLindsey ist sowohl fünfzehnjährige Schülerin, als auch ein sehr gefragtes Model. Seit einem knappen Jahr muss sie nun schon all ihren Freundinnen vorspielen, dass immer noch alles normal wäre, aber sie wird mit der Zeit immer öfter "krank" und geht...