9. Dezember - Erfolg

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Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind. (Henry Ford, Gründer eines Automobilherstellers)


Während meines Walks lief ich selbstbewusst los. Im Hintergrund lief Musik. Ich liebte es, wenn mich der Takt begleitete. Ich hatte einen hautengen badeanzugartigen Einteiler an, der bestimmt über tausend Euro kostete und irgendwann mal von einem Promi getragen werden würde. Er stand mir perfekt und genau daraus schöpfte ich meine Kraft, die mich dazu brachte so zu laufen, wie Alessandra Ambrosio oder ein anderer Angel von VS.
Ich wackelte mit den Hüften und lächelte und winkte währenddessen mit den Händen. Das Publikum applaudierte und es waren einfach so viele Menschen... Wow... die Menschen waren offensichtlich begeistert. Als ich dann fertig war, war ich beinahe enttäuscht. Ich wollte gleich nochmal raus, aber der Auftraggeber machte mir einen Strich durch die Rechnung.

Wenn man es einem Model nicht sagte, sollte es auf keinen Fall improvisieren und tun, was es wollte. Man musste immer tun, was der Kunde wollte. Und dieser Kunde hatte nicht gewollt, dass ich herumwinke. So wie mein Auftraggeber jetzt aussah, wollte er mir am liebsten den Kopf umdrehen. Doppelt oder sogar dreifach.

Er fing an in irgendeiner Sprache, die nur im Entferntesten dem englischen glich, zu fluchen und mich fast schon anzuschreien. Ich verstand ihn. Wenn jemand bei einem Catwalk aus der Masse herausstach war das immer schlecht, egal ob man gut oder schlecht war. Immerhin hatte alles seinen Sinn und man konnte nicht etwas machen, das einfach nicht zur Show und den anderen Models dazupasste.

Ich hatte es verbockt. Ich versuchte irgendeine passende Entschuldigung zu finden, aber der Mann lief schon weg und fluchte noch immer vor sich hin. Und das musste mir unbedingt bei einem so wichtigen Walk passieren. Ich gehirnloses Kind...

*

Ich hatte mir noch weitere Vorwürfe gemacht, aber jetzt wurde ich überrascht. Der Mann, der mein Auftraggeber war, kam lächelnd auf mich zu und nahm mich in den Arm, sodass er mich fast zerquetschte. Aber vielleicht wollte er das auch, weil ich seine gesamte Kollektion in die Mülltonne geworfen hatte. Quasi. Also sie war unnötig, weil ich es verkackt hatte. Und jemand wie ich ging aufs Gymnasium.
Dann fing er glücklich an mich zu loben. Warte was? Zu loben?! Ich verstand wieder nur einen Bruchteil von dem, was er sagen wollte. Aber dann fing er endlich an, wie ein normaler Mensch zu sprechen. ,,Oh, du warst brillant. Alle wollen meine Wäsche kaufen und mit dir und mir ein Interview halten, das in sämtlichen Zeitungen veröffentlicht wird! Es wollen auch noch ein paar andere Interessenten mit dir reden und dir einen Job anbieten. Du warst brillant!" Dann fing er an wie ein Tänzer rumzulaufen und zwischendrin in die Luft zu springen. Also wenn der keinen Knall hatte...

Dennoch hatte ich die Bühne gerockt! Also den Laufsteg in meinem Fall. So stolz war ich noch nie auf mich gewesen. Ich hatte es sowas von drauf! Ok, langsam drehte auch ich durch. Aber auch völlig zu Recht. Mein Manager würde stolz auf mich sein. Aber- warte mal. Ich wollte zurück, damit ich morgen in die Schule gehen konnte! Wenn ich das Interview halten müsste, würde ich wieder meine Freundinnen anlügen müssen und das wollte ich nicht. Dann war das mein Begräbnis. Ich musste meinem Auftraggeber sagen, dass ich nicht kooperierte. Und der Mann hatte einen Knall und würde wahrscheinlich wie ein Irrer anfangen zu fluchen und wie ein Drache aussehen. Na super!

Just a model / #LightAward17 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt