4. Dezember - Noch mehr Lügen

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Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann. (Marie von Ebner-Eschenbach, Schriftstellerin)


Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich noch schnell von meinen Freundinnen, aber Victoria hielt mich noch auf.

,,Was ist denn?", fragte ich genervt, weil ich den Bus nicht verpassen wollte und in einer Stunde schon wieder beim Flughafen sein sollte.

,,Noch unfreundlicher? Ich weiß ja, dass irgendwas ist, das du deinen besten Freundinnen nicht sagen willst", in diesen Worten lag ein Vorwurf und der war nicht zu überhören, ,,aber du solltest wenigstens einmal pro Monat etwas mit uns unternehmen. Langsam wird das nämlich etwas komisch, dass du zwar in der Schule, wenn du denn mal da bist, Zeit mit uns verbringst, aber uns außerhalb nie triffst. Am Wochenende waren wir schon wieder nur zu dritt im Kino. Wir haben uns Fast and Furious 7 angeschaut und du liebst diese Reihe und hast es dir nie entgehen lassen und jetzt sprichst du uns nicht mal darauf an, wie es war oder wie dein Lieblingsschauspieler mal wieder war? Ich bitte dich ja nicht darum, mir zu sagen was du hast, obwohl man das unter Freundinnen eigentlich macht, aber sage mir zumindest irgendwas!"

Oh mein Gott! Wie hatte das nur so aus dem Ruder laufen können? Ich müsste meiner Kampagne unbedingt sagen, dass ich nur noch einen Job pro Woche annehmen wollte, um wirklich mal wieder was mit den Mädchen zu machen.

Dennoch wusste ich nicht, was ich auf Vickys Vorwurf entgegnen sollte. Als ich also nichts sagte, drehte sie sich um und ging ohne noch irgendwas zu erwidern.

Ich war die beste Freundin, die es auf dieser Welt gab.

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Ich saß wieder im Flugzeug. Ich hatte mir vorgenommen, noch heute Nacht um sechs in der Früh den Flieger zurück zu nehmen, damit ich danach noch in die Schule gehen konnte. Ich flog ja nur nach Paris. Da dauerte der Flug ja nicht mal zwei Stunden. Ich würde für eine Designerin laufen, die sehr gefragt war. Ich war ihr dankbar, dass sie ihre Show in Paris veranstaltete und nicht in einer anderen Modestadt.

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Als ich da war, kam sie sofort angelaufen und sagte auf sich ständig überschlagendem Englisch: ,,Da bist du ja endlich. Wäre es okay für dich wenn du im Anschluss noch ein Interview machen würdest, es ist alles schon geplant. Du musst jetzt schnell zu den Stylisten und danach dein Outfit anziehen. Du bist das letzte Model und dementsprechend musst du sehr überzeugend laufen. Verstanden? Bitte beeil dich!" Und schon kümmerte sie sich um die nächste. Die arme Frau tat mir leid. Offensichtlich war sie total im Stress.

Trotz dieser ziemlich großen Ehre wollte ich nicht das letzte Outfit tragen! Da bekam man nur unnötige Aufmerksamkeit und das konnte ich gar nicht gebrauchen. Aber natürlich würde ich es tun. Ich durfte keine Extrawünsche haben, egal ob ich minderjährig war oder nicht.

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Ich betrachtete mich im Spiegel und wie immer sah ich nach dem Stylen einfach umwerfend aus! Ich machte wie jedes Mal ein Foto von mir mit dem Outfit, das ich tragen würde, damit ich es danach Margarete zeigen könnte.

Und dann passierte es.

Just a model / #LightAward17 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt