3. Dezember - Lügen

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Verschiebe nicht auf morgen, was genauso gut auf übermorgen verschoben werden kann. (Mark Twain, Autor)


Nach meinem fünfzehnten Geburtstag:

Ich kam gerade aus dem Flugzeug und holte meinen Koffer, auf den ich zum Glück heute mal nicht ganz so lange warten musste, weil ich mit Lufthansa geflogen war. Margarete holte mich wie immer mit ihrem Auto ab. Sie lächelte mich froh an, weil ich gesund wieder gekommen war.
,,Na, wie war die Fashion Week in New York? Hast du auch schön viele Fans?" Wie immer zog sie mich etwas auf.
,,Es war brillant und hat richtig viel Spaß gemacht! Die Outfits waren zwar echt komisch, aber die Stimmung war echt cool. Wenn du gesehen hättest, wie alle erfolgreicheren Models gefeiert wurden! Jeder kannte sie und ich war eine der unbekanntesten, die nur irgendein Kleid anhatte..."

Wir wussten beide, dass ich mich in der Öffentlichkeit wenigstens ein bisschen zurückhalten musste, weil es einen schlechten Eindruck machen würde, wenn die anderen erfahren würden, dass ich erst fünfzehn Jahre alt war.

,,Lindsey, beschwer dich doch nicht! Es war deine Entscheidung, den Job anzunehmen und überhaupt erst Model zu werden!" Wie immer versuchte Margarete mich aufzuheitern.

,,Ja ich weiß..." Ich war leise. Ich war eigentlich glücklich. Ab jetzt hieß es nur noch, dass ich die bekanntesten und besten Jobs annehmen würde, weil ich schon ziemlich berühmt war, zumindest unter den Auftraggebern. Dennoch war ich noch nicht komplett zufrieden. Natürlich wusste niemand, dass ich noch nicht mal erwachsen war.

Kaum war ich zu Hause, setzte ich mich an den Schreibtisch und machte meine Hausaufgaben. Dafür würde ich bestimmt ein paar Stunden brauchen. Ich bekam mit der Zeit immer mehr Aufträge und musste die Schule dementsprechend manchmal ausfallen lassen. Aber trotzdem machte ich meine Hausaufgaben und lernte für Schulaufgaben, die ich meistens nachschreiben musste. Aber ich wollte meinen Abschluss. Spätestens mit dreißig wollte ich anfangen, einen richtigen Beruf zu haben, also in meinem Fall im Büro und nicht auf Laufstegen in verschiedensten Städten.


Meine Freunde dachten alle, dass ich irgendeine Krankheit hätte, die man nicht so leicht heilen konnte und deswegen immer in der Schule fehlte.


Aber jetzt hieß es: Erst mal alles lernen, dann in der zwölften Abi machen. Am besten würde ich danach studieren und dann eine kurze Pause machen und mich auf meinen jetzigen Job konzentrieren.

*

,,Hi! Lindsey, cool, dass du dich mal wieder blicken lässt. Du kannst echt froh sein, dass du die ganze letzte Woche gefehlt hast! Wir haben echt viele Exen geschrieben. In Physik, Chemie, Latein und es war alles voll schwer und niemand hat gelernt, weil es die erste Stunde nach den Ferien war!", begrüßte mich meine beste Freundin Jenifer. Sie war wie immer etwas ... Sie hatte viel Energie.

Ich war sowohl in den Ferien, als auch jetzt in der Schulzeit ständig in irgendwelche Länder gereist, um dort einmal oder auch öfter zu laufen.

,,Ja, ihr Armen, aber bei mir war auch nicht alles perfekt." Natürlich verschwieg ich, dass mein Problem eher die Jetlags waren.

,,Wieso? Weshalb warst du eigentlich nicht da? Du kannst es uns ruhig sagen. Wir sind deine besten Freundinnen", antwortete Victoria.

Lauren hielt sich aus dem regelmäßig ablaufenden Gespräch raus. Sie wollte sich nicht einmischen und ich hatte das Gefühl, dass sie etwas über meinen Job wusste oder zumindest ahnte.

Langsam wurde es echt anstrengend, immer Ausreden zu finden. Victoria wollte unbedingt, dass ich ihnen endlich gestand, dass ich irgendeine unheilbare Krankheit hatte und Jenifer wollte einfach nur, dass ich wieder jeden Schultag und am besten auch am Wochenende zu Hause im Kinderheim war.

Ich sagte also ausweichend: ,,Oh... wir haben doch jetzt Mathe. Albina wird noch sauer, wenn wir zu spät kommen."
Albina war ein Codename für unsere Mathelehrerin, den die ganze Schule kannte. Aber bis jetzt hatte noch kein Lehrer herausgefunden, dass die Schüler sie so nannten.

Vicky und Jenny fingen an zu lachen und mir Geschichten über Albina zu erzählen, die ich verpasst hatte. Dieses Mal hatte ich sie noch ablenken können.


Just a model / #LightAward17 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt