11. Dezember - Geständnis

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Es ist besser, sich mit zuverlässigen Feinden zu umgeben, als mit unzuverlässigen Freunden. (John Steinbeck, Autor)


Wie würden sie reagieren? Wären sie sehr sauer?
Natürlich werden sie sehr sauer sein!, motzte mich mein Hirn an. Wenn dich deine beste Freundin jahrelang belogen hätte, wärst du dann etwa glücklich?! Du hättest es ihnen gleich sagen sollen!
Ich wusste, dass meine innere Stimme Recht hatte. Aber sie hatte nie mit mir gesprochen, als ich meine Freundinnen tatsächlich angelogen hatte, also sollte sie sich jetzt nicht beschweren!
Ach, ich versuchte ja nur, die Schuld auf mein Gewissen zu schieben. Damit ich nicht schuld war.

Eine Hand wedelte vor meinen Augen. ,,Lindsey? Hallo? Hörst du mir eigentlich zu?!"
Ich brach aus meinen Gedanken. Meine Gegenüber sahen nicht gerade glücklich aus. Hatten sie etwas gesagt? Dumme Frage, natürlich hatten sie!
,,Entschuldigung, was habt ihr gesagt?" Ich versuchte, entschuldigend zu klingen, obwohl ich wusste, dass sie das nicht wirklich besänftigen könnte.
,,Wir haben gefragt, ob du jemals vorhattest es uns zu sagen, ohne, dass wir dich darauf ansprechen müssen!", antwortete meine ziemlich sauer aussehende Freundin - warte, Freundin? Wenn ich nicht mehr ihre Freundin war, war sie dann noch meine? Eher nicht, oder? - Vicky.
,,Irgendwann hätte ich es euch gesagt, aber wenn ihr es jemandem gesagt hättet, dann wäre alles schrecklich geworden. Was denkt ihr denn passiert, wenn es die ganze Schule weiß?"
,,Denkst du ernsthaft, wir hätten es verraten?! Allein schon diese Tatsache lässt mich zu der Annahme führen, dass du uns nie wirklich vertraut hast. Vielleicht hätten manche von uns einige Geheimnisse weitererzählt, aber nichts, was dich blamieren oder dein Privatleben zerstören könnte! Eine tolle Freundin bist du!" Jenny war aufgebracht. Konnte das jemand nicht verstehen?
Ich wusste, dass sie Recht hatten. Ich machte mir ja selber die gleichen Vorwürfe. Aber ich hatte gehofft, dass sie mir verzeihen würden. Vielleicht würden sie das ja... irgendwann.

Jenny und Vicky gingen. Die einzige, die blieb, war Lauren. Sie sah enttäuscht aus aber ich sah in ihrem Blick auch etwas, das ich nicht genau deuten konnte.
Sie sah mich eine Weile einfach nur an. Ich fühlte mich unwohl. Sie hat so einen Röntgen-Blick, der dich fühlen lässt, als wüsste sie alles.
Seit wann war Lauren eigentlich die, die hiergeblieben wäre? Ich hätte vermutet, dass sie als erste gegangen wäre.
Wieder wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als sie anfing zu reden.
,,Weißt du, ich glaube ich hätte genauso gehandelt wie du. Natürlich wäre ich niemals Model geworden. Das passt einfach nicht zu mir. Aber wenn ich einen Job gehabt hätte, den in unserem Alter natürlich eigentlich keiner haben darf, dann hätte ich es meinen besten Freundinnen auch nicht sofort gesagt. Was mich aber wundert, ist, dass du es uns gar nicht gesagt hast. Auch nicht nach einem halben Jahr. Wie konntest du das nur mit deinem Gewissen vereinbaren?" Ich wollte gerade antworten, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen. ,,Das ist schon komisch. Aber auch interessant." Sie überlegte eine Weile und ich wollte sie nicht stören, damit sie nicht noch saurer auf mich wäre.
Dann sagte sie: ,,Sagen wir so: Ich werde weiterhin deine Freundin bleiben, unter der Bedingung, dass du mir alles sagst und ich dir vertrauen kann. Und das wiederum verlangt nach deinem Vertrauen zu mir."
Und komischerweise vertraute ich ihr tatsächlich.


Just a model / #LightAward17 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt