Kapitel 14

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PoV - Gaia Sciarra

"Machen Sie mir nichts vor...ich weiß genau, dass sie für Leandro arbeiten", ich ziehe die Waffe aus dem Holster, das ich um meinen Oberschenkel geschnallt habe und richte sie auf die hübsche Blondine, "Sie haben mich und meine Mutter in seinem Auftrag bespitzelt. Ich habe sie in unserem Vorgarten und auf der Beisetzung gesehen."

"Haarscharf erkannt, Gaia. Aber das kannst du mir nicht nachweisen", ein süffisantes, überhebliches Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen, "Du kannst es nicht beweisen und wenn du mich jetzt erschießt, werden sie dich wegen Mord hin hängen."

"Sie sind seine Frau...das ist Beweis genug", ich überschlage elegant die Beine, lehne mich leicht nach hinten, "Wo ist meine Mutter?"

"Das weiß ich nicht", sie beißt sich auf ihre volle Unterlippe, sieht unschuldig zu mir hoch, "Du kannst mich nicht erschießen...stell dir vor, was er deiner Lucia antun wird, wenn er erfährt, dass du mich auf dem Gewissen hast..."

"Das hat schon mal jemand vor Ihnen gesagt, dass ich nicht schießen kann. Aber er hat sich getäuscht und Sie täuschen sich auch...", meine Finger schließen sich fester um den kühlen, metallenen Griff der SIG Sauer.

"Es wird dich zerfressen, wenn du mich jetzt umbringst. Niemand kann einfach einen Menschen umbringen, ohne dass es ihn in irgendeiner Weise beeinflusst."

"Richtig. Es ist nur irgendwann egal...Sie werden nur eine von vielen sein. Meine Unschuld ist schon verloren und niemand wird mich retten können", ich lächle und dann drücke ich den Abzug durch, jage der Frau das Projektil durch die Brust.

Es ist kein Schuss, der einen sofortigen Tod herbeiführt.
Nein.

Sie wird langsam und qualvoll ausbluten und werde dabei zusehen können, wie das Licht in ihren Augen erlischt.

Entspannt lehne ich mich zurück, meine raubtierhaften Augen hängen an der Frau, die um Atem ringt und immer wieder hustet und würgt.

"Sie werden an ihrem eigenen Blut ersticken...", ich fische das silberne Zigarettenetui aus meiner Handtasche, klemme mir eine Zigarette zwischen meine blutrot geschminkten Lippen und stecke sie an, "...vorausgesetzt, Sie flehen mich nicht vorher schon an, ihrem kleinen, miserablen Leben ein Ende zu setzen. Und vielleicht haben Sie Glück und ich bin so gnädig."

"Du bist genau wie dein...Vater", Blut und Speichel laufen über ihren Mundwinkel, ziehen eine rote Spur über ihr Kinn und tropfen von dort auf ihre kurzärmlige, geblümte Bluse, färben den hellen Stoff dunkel.

"Mein Vater ist Vergangenheit", ich atme den beißenden Zigarettenrauch langsam aus, überschlage elegant meine Beine, "Er ist nicht mehr da und ich bin nicht mehr 'nur' die Tochter von Marco Sciarra."

"Schon fast ein Jahr her...nicht wahr?"

Ein knappes Nicken meinerseits.

Obwohl die Nachtluft eigentlich eine angenehm warme Temperatur hat, ist mir kalt, als ich mit Franz Oberhauser, jetzt Ernst Stavro Blofeld, und seinen beiden Leibwächtern auf die Veranda unserer Villa trete.

Ein Windhauch streift meine nackten Arme und die feinen Härchen in meinem Nacken stellen sich auf. Ich bereue es, mir nicht noch eine Jacke übergezogen zu haben, habe aber nicht vor, nochmal zurück ins Haus zu gehen.

Etwas steif setze ich mich zu dem Grauhaarigen an den Tisch, unterdrücke mein Verlangen, nervös mit dem silbernen Ring, in den das Zeichen der Organisation eingraviert ist, zu spielen, stecke mir stattdessen einen Zigarillo an.

"Der Kreislauf des Lebens...tragisch, aber unausweichlich", Oberhauser legt den Kopf leicht schief, mustert mich aus seinen kühlen, grauen Augen, deren Farbe an glatt geschliffene Flusskiesel am Grund eines kristallklaren, reißenden Gebirgsbachs erinnern, "Aber wir waren ja alle darauf vorbereitet..."

"Richtig", ich lege meinen Kopf in den Nacken, atme den Zigarettenrauch so aus, dass er kleine Ringe in der Luft bildet, "Wie Sie bereits sagten: unausweichlich."

Das Klicken von Absätzen auf Parkettboden kündigt meine Mutter bereits an, bevor sie ins Freie tritt.

"Signora Sciarra", der Grauhaarige steht mit einer eleganten, fast katzenhaft wirkenden Bewegung auf. Obwohl meine Mutter größer als er ist, wirkt sie klein neben ihm.

Neben der Macht, die er ausstrahlt.

"Mein herzliches Beileid", er greift nach ihrer zitternden Hand, haucht einen Kuss auf ihre Knöchel.

Misstrauisch beobachte ich die beiden Leibwächter...einer trägt seine Waffe am Gürtel, der andere hat sie in einem Schulterholster unter seinem Jackett und beide sind schallgedämpft.

Ich darf nicht zu unvorsichtig werden.

"In drei Tagen fliegen Sie nach Altaussee und bringen dort die offenen Aufgaben ihres Vaters zu Ende", Oberhauser sieht mich aus kühlen, grauen Augen an, "Eliminieren Sie den Blassen König und finden Sie seine Tochter."

"Sie können sich darauf verlassen, dass ich den Auftrag zu ihrer vollen Zufriedenheit ausführen werde", ich deute ein Nicken an, beobachte aus dem Augenwinkel, wie meine Mutter sich verspannt.

"Davon gehe ich aus. Ich bin mir sicher, Sie werden Ihrem Vater um Nichts nachstehen..."

"Gaia? Sind Sie wahnsinnig?!", Bonds Stimme zerschneidet die Stille.
Ich sehe ruckartig auf, treffe die kalten, eisblauen Augen des Doppel-0-Agenten.

"Sie lebt noch..."

"Seien Sie so gnädig und beenden Sie es, setzen Sie ihrer Qual ein Ende", er mustert die blutüberströmte Kryptologin, die um Atem ringt, immer wieder hustet und würgt, "Oder...sind Sie zu schwach dafür?"

"Ich bin nicht schwach", jedes einzelne Wort presse ich angestrengt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, "Außerdem...wäre es nicht das erste Mal."

"Oh. Wer war der erste?"

"Einer von Oberhausers Männern...und sie wird die nächste sein", ich stehe auf, nehme noch einen langen Zug von meiner Zigarette und richte die Waffe erneut auf sie.

Musste ich bei meinem ersten Mord noch die Augen schließen, fällt es mir jetzt beinahe schwer, meinen Blick von ihr zu lösen.

Dieses Gefühl der Macht...

Es ist berauschend.

Zumindest für den Moment alle Fäden in der Hand zu halten und andere Menschen zu Spielfiguren auf meinem Schachbrett zu machen.
Rollen zu tauschen.

Ich drücke ab.

Zum Jahresanfang ein seeehr langes Kapitel mit einem Throwback :D Vielen Dank für 300 Reads und 50 Votes. Eure netten Kommentare sind immer ein riesiger Motivationsschub :3 ~M

The Eternal City - g1nsterkatze - 007- James BondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt