Kapitel 4

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Ich wartete den restlichen Abend auf Sebastians Antwort und auch den ganzen Sonntag lang. Kein Zeichen. Es stimmte mich traurig. Wollte er nichts mehr von mir? War das gestern alles nur Maskerade? War ich ihm egal? Wollte er nicht mehr mit mir befreundet sein? Hatte ich mich so sehr verändert, dass er mich nicht mehr mochte?
Die negativen Gedanken machten mich fertig, meine Laune erreichte den Tiefpunkt.
Sonntagabend sagte ich kein Wort, weshalb Leon nach dem Abendessen in mein Zimmer kam. "Alles okay?", fragte er. Ich zuckte nur mit den Schultern und sah betreten zu Boden. "Sebastian?", hakte er nach. Zur Antwort nickte ich. Leon kam auf mich zu und legte einen Arm um mich. Mit seiner freien Hand fuhr er mir durch meine roten Haare. "Er wird antworten. Vielleicht gehört er einfach nur zu diesen Menschen, die nur alle drei Jahre ihre EMails checken. Und wenn er dennoch nicht antwortet, ist er ein Arschloch, der deine Freundschaft nicht verdient, okay?" Leon kniff kurz in mein Gesicht. "Und jetzt lächelst du wieder. Wenigstens für mich? Für deinen lieben Bruder?" Da musste ich lachen. "Danke", sagte ich. Mein Bruder umarmte mich. "Und wenn er dich irgendwie verletzt-" "Wir sind doch gar nicht zusammen!", rief ich dazwischen. Leon fuhr einfach fort: "-dann komme ich und danach wird er sich nicht mal trauen, dich wieder anzusehen. Okay?" Nachdem ich kurz die Augen verdrehte nickte ich. "Und jetzt guckst du mit mir Big Bang Theory, sonst bist du ja noch schlechter drauf!"

Montag ging die Schule weiter. Das Drücken im Brustkorb kehrte wieder und erneut sank meine Laune, was Rachel sofort merkte, als ich den Schulhof betrat und sie mich begrüßte. "Mitkommen!", hatte sie gesagt. Bei ihr war jegliche Ausrede zwecklos. Es war Rachel.
"Was ist passiert?", fragte sie und sah mir tief in die Augen. Kurz und knapp schilderte ich was passiert war, seit ich Sebastian beim Einkaufen getroffen hatte. Rachel wollte antworten, aber dann kamen Hazel und Joana dazu. Ich habe kein Geheimnis vor ihnen, aber ich kann nicht vor mehreren Leuten über meine Gefühle sprechen. Eine Person ist in Ordnung, aber bei mehreren habe ich das Gefühl, ich wäre hysterisch und zu dramatisch.
Rachel warf mir schnell ihren "Wir-reden-nachher"-Blick zu, ehe wir das Thema wechselten.
Nach der letzten Stunde schlug Hazel vor, in die Stadt zu gehen, was wir alle bejahten und selbst ich musste zugeben, dass Zeit mit meinen Freundinnen mich ablenken würde. Hoffentlich.
Wir setzten uns in ein kleines Café und bestellten Getränke und Kuchen. 
"Hey Leute! Da draußen sind Luca und Jason!" Hazel sprang auf und rannte zur Tür des Cafés, um die beiden zu uns zu lotsen. Ich denke, es ist nicht nötig zu erwähnen, dass Hazel von allen Insassen des Cafés amgestarrt wurde. Rachel seufzte. "Sie wird bis an ihr Lebensende single bleiben, wenn wir sie nicht verkuppeln", sagte sie scherzhaft, woraufhin Joana und ich grinsen mussten. Luca, Jason und Hazel kamen zu unserem Tisch. Jason umarmte mich. "Wie geht's dir", fragte er und sah mir in die Augen. "Passt schon. Dir?" Jason nickte, um mir zu signalisieren, dass es ihm gut ging. Ich sah zu Luca und Joana. Sie saßen nebeneinander, ganz eng und lachten. Sahen Sebastian und ich auch so aus, als wir auf meinem Bett saßen?
"Hat er schon geantwortet?", fragte Jason. Ich schüttelte den Kopf und senkte meinen Blick. Wir hatten uns seit Samstag nicht mehr gesehen. Zwei Tage waren eine kurze Zeit, aber es kam mir ewig vor. Ich wollte ihn wiedersehen. In seine blauen Augen sehen. Ihn umarmen. Mit ihm reden, lachen, seiner Stimme zuhören. Das Drücken nahm zu, ich bekam erneut keine Luft.
"Beth?" Ich zuckte zusammen und sah zu Rachel. "Alles okay?" "Ich... Jaa. Guck mal, der Chai Latte hier kostet nur drei Dollar. Soll ich dir einen ausgeben?" Rachel zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Sie sah mir an, dass etwas nicht stimmte, in sowas war Rachel gut. "Oder doch lieber nur Cappuccino?", versuchte ich meine schlechte Laune zu überspielen und setzte mein bestes Zahnpasta-Werbungs-Lächeln auf. Rachel seufzte und verdrehte die Augen. "Beth..." "Kommst du mit auf Klo, Rachel?", fragte ich. Sie nickte. Wir standen auf und wollten gerade allein zur Toilette gehen, als Hazel aufstand und sagte: "Wartet, ich komm mit." Rachel und ich sparten es uns Hazel abzuwimmeln. Sie konnte sehr aufdringlich sein und man wird sie so schnell nicht los. Außerdem ist sie schnell beleidigt. Und obwohl Hazel 'manchmal' etwas peinlich ist, hatten wir sie lieb.

Nachdem wir im Café bezahlt hatten, verabschiedeten wir uns voneinander und gingen getrennt nach Hause.
Auf dem Heimweg zu Fuß steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und hörte Musik. Trotz der Tatsache, dass ich in Amerika lebte, war ich über die Musik in Österreich stets informiert und hörte deshalb auch deutsche Lieder. In letzter Zeit war ich von Sarah Connors Album Muttersprache angetan und hörte es rauf und runter.
"Du ganz allein in den Straßen New Yorks? Hast du denn keine Angst, von irgendeiner aggressiven Gruppe Jugendlicher angesprochen zu werden? Ich mein; heute ist Montag und da ist jeder ein bisschen schlecht drauf." Sebastian stand vor mir und grinste mich an. Mit seinem rechten Arm hielt er ein Fahrrad fest. Mein Mund klappte vor Schreck auf. "Du hast also wirklich Angst?", hakte er nach. Ich verkniff es mir, ihm erneut eine Ohrfeige zu verpassen. Ich glaube ein zweites Mal würde er mir das nicht verzeihen. Aber was zur Hölle tat er hier in Manhattan? Letztens meinte er, er wohnte in Brooklyn. "Warum bist du hier?", fragte ich aufgebracht. Er hatte mich angesprochen. Warum dann also nicht auf meine EMail geantwortet? "Ich hab es ernsthaft geschafft, am Samstag mein Handy bei meinem Kumpel zu vergessen. Du weißt schon, der, bei dem ich übernachtet hatte. Ihr wohnt ja beide im Downtown. Darum bin ich gerade mit dem Fahrrad hergefahren und hab das Handy abgeholt." "Von Brooklyn? Nach Manhatten? Ist das nicht weit?", wollte ich wissen. "Geht. Ich wohne in der Nähe der Brookly Bridge und soweit ist Downtown von da aus nicht. Ach und apropos Handy: Ich hab die EMail gerade gelesen. Tut mir leid, dass ich nicht geantwortet hab." Und schon war meine Laune wieder auf dem Höhepunkt. Ich verkniff mir ein mädchenhaftes Grinsen. "Schon okay." Sebastian nickte und zog einen Zettel aus seiner Jeanstasche, auf der eine Nummer stand. "Schreib mich ruhig an." Ich nahm den Zettel entgegen und packte ihn in die Tasche meiner Sweatjacke. "Danke." Kurz entstand eine peinliche Stille, in der wir uns nur in die Augen sahen, ehe Sebastians Handy klingelte und er den Anruf entgegennahm. "Ja Schatz? Nein, bin in Manhattan. hab mein Handy bei Goffrey vergessen, dass weißt du doch. Ja, bin in zehn Minuten da, Hab dich lieb." Und legte auf. Verwirrt sah ich Sebastian an. Entschuldigend hob er die rechte Hand hoch und sagte: "Hast mich ja gehört. Muss leider zurück nach Brooklyn, meine Freundin wartet seit zehn Minuten in so einem kitschigen Café auf mich." Er hat eine Freundin. Kurz grinste er mich an, ehe er seinen Hintern über das Fahrrad schwang, mit welchem er ja nach Brooklyn kam. "Man sieht sich, Beth!", rief er und fuhr los.

Er ist/war mein bester Freund, es sollte mir nichts ausmachen.


Du magst ihn bloß.


Keine Gefühle.

Du glaubst nicht an die große Liebe, weißt du noch?

Aber-

Nein.


Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt