Kapitel 6

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Zwei Wochen vergingen. Die Situation zwischen Joana und Luca hatte sich nicht verbessert, eine Folge von Streit und anschließender Ignoranz. Sebastian und ich schrieben immer noch, sahen uns aber nicht nochmal. Ich vermisste ihn, wusste aber nicht, was ich für ihn fühlte. Aber was auch immer in mir vorging, es trieb mich in den Wahnsinn.
Jason war der einzige von meinen Freunden, der von allem wusste. Danach kam Rachel, aber sie wusste auch nicht viel. Nie hatte ich den Mädels alles erzählt, wir hatten momentan schon viel zu tun, Jo aufzuheitern. In dieser Zeit waren es aber nicht Rachel und ich, die ihr am meisten halfen, es war Hazel. Sobald Jo wirklich schlecht drauf war, riss sie einen Flachwitz, lenkte sie ab und brachte sie zum Lächeln. Und das war der Grund, warum wir Hazel so liebten.
Jason meinte einmal zu mir, dass es wahrscheinlich war, dass ich mich in Sebastian verknallt hatte. Ich hatte nur genickt und zu Boden gesehen. Ich erinnere mich noch, wie er dann seine Arme um mich legte und "Alles wird gut" in mein Ohr flüsterte. Daraufhin schloß ich die Augen und hielt ihn fest. Danach hatten wir nie wieder darüber gesprochen.
Manchmal hasste ich die Ironie in meinem Leben: Ich wollte mich nie verlieben. Hatte immer an die Freundschaft geglaubt, aber nie an die große Liebe. Und schlussendlich hatte ich mich in die Person verliebt, die mir gezeigt hatte, was wahre Freundschaft war. Seb.

Ich stand inmitten des Chaos' meines Zimmers und spielte Geige, als mein Handy vibrierte. Ich hasste es, beim Spielen gestört zu werden. Seufzend legte ich mein Instrument zur Seite und las die Nachricht, die ich erhalten hatte. Meine Laune schoss nach oben.

Hast du am Samstag etwas vor? :)
-Sebastian

Am liebsten wäre ich durch mein ganzes Zimmer gesprungen. Allein der Gedanke daran, ihn wiederzusehen ließ mich Grinsen.

Nein, wieso fragst du?

Lächelnd wartete ich auf seine Antwort.

Ich hab mir vor kurzen einen neuen Film gekauft und würde ihn gern mit jemandem ansehen. Hast du Lust?

Ein Filmabend mit Sebastian. "Wie in alten Zeiten" schoss es mir durch den Kopf.

Wäre in Ordnung :)

Ich wollte gerade mein Zimmer aufräumen, als Sebastians Antwort eintraf.

In Ordnung? Ich weiß genau, dass du gerade durch deine ganze Wohnung tanzt, weil es dich freut, mich wiederzusehen. Immerhin bin ich ein wirklich wundervoller Mensch. Meine Freunde sind glücklich, mich auf ihrer Seite zu haben.

Ich verdrehte die Augen. Sebastian war nie der 08/15 Badboy gewesen, was ihn trotzdem nicht davon abhielt, hin und wieder den Macho rauszulassen. Das war bei ihm gleichgeblieben.

Nein, ich räume gerade mein Zimmer auf. Was willst du überhaupt gucken?

Leise summte ich "All of me" von John Legends, räumte ein paar Bücher, die auf meinem Schreibtisch verstreut lagen ins Bücherregal und dachte an früher zurück.
Als wir zehn Jahre alt waren, hatte Sebastian mit mir Chucky die Mörderpuppe geguckt. Er hatte solche Filme öfters geguckt und war die harten Szenen gewohnt. Ich saß damals neben ihm auf dem Sofa, extrem verkrampft, zog die Beine an und versteckte meinen Kopf in meinen Knien. Sebastian stellte dann auf Stop und sah in meine Richtung. Er nahm eine Decke und legte sie mir um. "Dir passiert nichts", hatte er gesagt, legte einen Arm um meine Schultern und lächelte. Danach hatte er einen anderen Film angeschaltet.
Mir wurde warm, als ich an früher dachte.

Mach dir keine Sorgen, es wird kein Horrorfilm ;)

Vier Tage. Vier Tage, bis ich ihn wiedersehen durfte, seine Stimme wieder hören konnte, mich wieder in seinen Augen verlor und mit ihm lachte. Vier Tage. Das kommt einem auf dem ersten Blick nicht lang vor, aber das ist es. Das sind 96 Stunden, 5.760 Minuten oder 345.600 Sekunden, bis ich ihn wiedersehen durfte.

Als es nur noch drei Tage waren, bis wir uns wiedersahen, hatten Jo und Luca es endlich geschafft, sich auszusprechen. Die Stimmung stieg wieder und meine Freunde waren sich wieder einig. Jo und Luca werden vielleicht nie zusammen kommen, aber immerhin ignorierten sie einander nicht mehr. Und das war ein kleiner Erfolg für uns alle.

Meine Nerven wurden strapaziert, als es nur noch zwei Tage waren. Abends um zehn rief mich Sebastian an. "Ja was ist?", fragte ich müde. "Störe ich?" " Verwirrt schüttelte ich den Kopf, bis mir wieder einfiel, dass er mich nicht sehen konnte. "Nein." "Ich will dich nicht nerven, aber ich brauche jemanden zum Reden." Seine Stimme sagte genug über seine Stimmung aus. Er klang, als wäre gerade etwas passiert. "Seb, was ist los?" "Kennst du das Gefühl, wenn du mega glücklich bist und dann alles zerstört wird?" "Seb, was ist passiert?", hakte ich erneut nach. "Meine Freundin und ich haben uns getrennt." "Warum?" "Beth, ich will jetzt nicht zickig sein, aber könnten wir den Grund auslassen?" "Ja, klar", antwortete ich verwirrt. "Es ist nur... Es war eine tolle Zeit mit ihr. Ich hatte sie geliebt" Ich zuckte zusammen. Er liebte eine andere als mich. Und das tat weh.
"und dann kam dieses Problem dazwischen. Ich wünsche mir manchmal, ich könnte es rückgängig machen."
Ich atmete tief ein, ehe ich meine Gedanken in Worte fasste. Was wenn ich was falsches sagte? Oder ihn noch mehr verletzen würde, als Sebastian es schon war?
Ich versuchte, die Gefühle für ihn in die hinterste Ecke meines Kopfes wegzuschließen und die alte Beth von früher zu erwecken. Was hätte sie gesagt? Sie hätte es geschafft, Seb aufzuheitern. Was hätte sie gemeint? Und gefühlt? Was hätte sie getan, um ihn aufzuheitern?
"Beth, bist du noch dran?" "Manchmal ist es egal, was wir tun. Es ist egal, was wir sagen. Egal, was wir denken und fühlen. Es kommt darauf an, wer wir sind. Wen wir lieben und was wir für die Geliebten tun. Was wir für die Geliebten sagen. Wer wir für die Geliebten sind. Helden? Freunde? Abschaum? Manche Menschen ändern sich für Andere. Und darum verändert sich alles. In diesem Universum ist das Morgen nie das Gleiche wie das Gestern. Egal was passiert, die Erde dreht sich weiter. Und das ist was zählt: Dass man weitermacht. Leon sagt immer Das Leben ist wie beim Musizieren. Wenn wir Fehler machen, spielen manche Menschen weiter, während andere komplett von vorn anfangen. Es ist okay, wenn du traurig bist, das ist jeder mal. Es ist okay, wenn du mal nicht weiter weißt, deine Freunde werden dir helfen. Alles ist okay, solange du weitermachst. Also versprich mir, dass du nicht aufgibst, das Lied vom Leben weiterspielst und niemals von vorn anfängst. Verstanden?" Die kleine Beth von früher klopfte mir auf die Schulter und nickte. "Danke." "Willst du am Samstag nochmal darüber reden?", fragte ich. Sebastian seufzte. "Ich will dich damit nicht die ganze Zeit nerven." "Tust du nicht. Es tut weh, wenn eine schöne Zeit vorbei ist, das weiß ich, das weiß jeder. Du kannst inmer mit mir reden." Ich verkniff mir einen bitteren Unterton. "Und genau deshalb hab ich dich lieb." Die Hormone in mir setzten die Partyhütchen auf, hüpften umher und sangen Schön ist es auf der Welt zu sein. "Ich dich auch."

Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt