Kapitel 10

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Abends lag ich im Bett und dachte lange über Hazel nach. Was zur Hölle war mit ihr los? Ich wünschte mir, dass ich es wissen würde, doch wahrscheinlich wollte sie es mir nicht sagen. Wie lange sagte sie uns schon nicht die Wahrheit und spielte uns etwas vor? Oder hatte sie einfach nur einen schlechten Tag? Sie weinte fast, irgendwas musste gewesen sein.
Ich zerbrach mir fast den Kopf, als mein Handy vibrierte und eine Nachricht ankündigte. Ich tastete in der Dunkelheit nach dem Störenfried auf meinem Schreibtisch. Sebastian...
Wir hatten seit ich bei ihm übernachtet hatte nicht mehr geschrieben. Es waren nur zwei Tage ohne Kontakt, doch ich vermisste ihn. Ich vermisste es ihn neben mir zu haben, ihm in seine wunderschönen Augen zu sehen und ihn zu umarmen. Scheiße, ich liebte ihn.
Ich las seine Nachricht und verschluckte mich fast.

Treffe mich morgen mit ein paar Freunden bei mir zum Zocken. Willst du auch kommen?
Sebastian

Er wollte, dass ich Zeit mit ihm und seinen Freunden verbrachte. Fühlte sich an, als würde er mich seinen Eltern vorstellen wollte. Nur dass wir das schon seit knapp neun Jahren hinter uns hatten und wir in keiner Beziehung waren. Leider.
Aber hey, ich würde ihn wiedersehen. Und das war ja schon mal was.

Klar, wann?

Da war es wieder. Das dämliche, verliebte Grinsen auf meinem Gesicht.

"Leute ich habe ein ganz großes Problem." Jo, Hazel, Rachel und ich saßen versammelt in der Cafeteria und aßen Mittagbrot. Jo grinste. "Na dann schieß mal los Bethy." Ich holte tief Luft. "Ich treff mich heute mit Sebastian und seinen Freunden." Hazel und Rachel stießen gleichzeitig ein aufgeregtes "Oh mein Gott" auß. "Wo ist das Problem?", fragte Joana. "Naja.. Es sind halt seine Freunde. Was ist, wenn sie mich nicht mögen? Wie soll ich mich verhalten? Was, wenn es Idioten sind?" Sie sah mich verwirrt an und meinte schließlich: "Naja, ihr seid ja nicht zusammen, wenn sie dich nicht mögen, ist es ja auch nicht schlimm." Hazel zog die Luft ein. "Kein gutes Thema." Dankbar nickte ich ihr zu. "Und außerdem: Du bist hübsch, kannst über einige Dinge lachen und mal ehrlich: Denkst du, dass Sebastian sich so sehr verändert hat, dass seine Freunde richtige Assis sind?" Ich schüttelte den Kopf. "Was wollt ihr überhaupt machen?", wollte Rachel wissen. "Äh.. Zocken." Diese Tatsache macht mir weniger Sorgen. Ich hatte öfters bei Leon gespielt und da er ebenfalls eine Playstation 4 besaß, war ich auf diesem Gebiet einigermaßen erfahren. Zumindest was ein paar Spiele betraf.
"Du schaffst das schon", meinte Rachel aufmunternd und lächelte mir zu. Ja gut, was hatte ich eigentlich zu verlieren?

Sebastian öffnete mir lächelnd die Tür, als ich in Brooklyn ankam. "Komm rein, die anderen sind schon da." Wir umarmten uns und liefen die Treppe hinauf zu der Wohnung der Stans. "Wie viele sind da?", fragte ich. "Ach naja, nicht viele. Robert konnte leider nicht kommen, darum sind nur zwei Jungs da." Ich atmete leicht aus, zu viele fremde Leute hätten mir echt Angst eingejagt. Sebastian grinste mich von der Seite an, als wir die Stufen hochliefen. "Hattest du etwa Angst, dass da eine ganze Gruppe von Gangstern sitzt? Wie schlecht denkst du denn von mir?" Leicht zog ich eine Augenbraue hoch. "Naja, ich weiß ja nicht was du in der Schule machst." Er lachte. "Glaub mir, ich bin der Badboy der ganzen Schule." "Als ob." Wir kamen am Eingang an und betraten die Wohnung. Sebastian zog mich den Flur entlang und öffnete seine Tür. "Hey Jungs, das ist Anabeth." Zwei Jugendliche, von denen einer schwarz war saßen vor Sebastians Fernseher und zockten. "Hi." Der Weiße drehte mir den Kopf zu und grinste mich an. "Ich bin Christopher, neben mir sitzt Anthony." Dieser nickte nur und starrte gebannt auf den Bildschirm. Es sah ein bisschen aus, als würde er seinen Controller vergewaltigen, so schnell bewegten sich seine Finger.

"Willst du was trinken?", fragte mich Sebastian. Mittlerweile saß ich im Schneidersitz auf dem Boden und beobachtete die Jungs. Ich nickte. "Cola wäre toll." Eigentlich wollte ich ihn zur Küche begleiten, doch er winkte ab. "Bleib sitzen." Als er das Zimmer verließ stoppte Anthony das Spiel und wandte sich mir zu, Chris tat es ihm gleich. "Also", begann Anthony. "Wie lange läuft das jetzt zwischen euch beiden?" Ich lief leicht rot an. "Hä?" "Ich seh das doch", sagte Chris. "Die Blicke die ihr euch zuwerft. Vorhin hat er die ganze Zeit mit uns geredet, jetzt sind wir Luft für ihn." Anthony fügte hinzu: "Ja, du bist nicht mal fünf Minuten im Raum und man merkt ihm total an, dass er an dir hängt." "Ja weil wir seit 9 Jahren befreundet sind" behauptete ich. "Und? Er holt dir grade eine Cola, für andere Mädchen würde er nichtmal aufstehen." "Ja aber", warf ich ein. "Er hat grad eine Trennung hinter sich, ich wäre nur ein Lückenfüller." Anthony runzelte die Stirn. "Was für eine Trennung?" Ich war verwirrt. "Ich dachte, er hatte eine Freundin namens Jennifer?" Chris schüttelte den Kopf. "Glaub mir, wenn er eine gehabt hätte, wir hätten es gewusst." Ich verzog das Gesicht. "Einen Abend hat er mich aber angerufen und war total verzweifelt, weil seine Freundin mit ihm Schluss gemacht haben soll." Anthony antwortete: "Er hatte keine, vielleicht wollte er dich eifersüchtig machen oder so." Ich war immer verwirrter. "Also hat er mich angelogen? Einmal hat er mich auch in Manhattan getroffen und sie hat ihn angerufen." Chris lief rot an. "Ja ähm... ich sollte einmal so tun, als wäre ich seine eifersüchtige Freundin und ihn anrufen, nachdem er sein Handy bei einem Kumpel vergessen hatte. Er meinte, er wollte etwas ausprobieren oder so." "Das heißt, er hat keine Trennung hinter sich?" Beide schüttelten den Kopf. Im nächsten Moment machte es in meinem Gehirn Klick. Er hatte keine Trennung hinter sich, er war nicht schlecht drauf, er brauchte keinen Lückenfüller. Das hieß....
"Du stehst auf ihn, kann das sein?" Chris hob seine rechte Augenbraue, als ich nicht antwortete. "Du streitest also nicht ab, dass du Gefühle für ihn hast?" Mir stieg das Blut in den Kopf. Das alles wurde nicht besser, als ich ein Räuspern von der Tür aus hörte. Sebastian. Mein Gesicht nahm gerade wahrscheinlich die Farbe meiner Haare an. Was hatte er gehört?
Chris und Anthony hatten sich sofort wieder der Playstation zugewandt, um nicht so aufzufallen.
"Hier deine Cola", sagte Sebastian, setzte sich neben mich und reichte mir die Flasche. Dabei streifte seine Hand meine. Ein leichtes Kribbeln breitete sich von der Stelle aus, an der er mich berührt hatte. Wir sahen uns kurz an und ich hätte schwören können, dass sein Blick zu meinen Lippen wanderte. Würde er..?
Im nächsten Moment fiel ihm anscheinend wieder ein, dass noch zwei weitere Jungs im Raum saßen, die zwar zockten und abgelenkt waren, aber wir waren nicht allein und lehnte sich wieder zurück, sah mir jedoch immer noch tief in die Augen. Blau traf auf grau.
Ich mochte die Sebastians Freunde jetzt schon, doch am liebsten hätte ich sie in diesem Moment auf den Mond geschossen. Hätte Sebastian mich geküsst, wenn sie nicht da gewesen wären? Und warum zur Hölle hatte er mir vorgespielt, eine Freundin zu haben? Was hatte er damit bewirken wollen?
Anthony riss mich aus meinen Gedanken. "Wollen wir alle zusammen Fifa 16 spielen? Oder wollt ihr weiter Romeo und Julia spielen?" Ich wusste nicht, wer röter wurde. Sebastian oder ich?

Ich hatte noch zwei Stunden mit den Jungs Fifa gezockt und mal ehrlich: So schlimm ist es gar nicht gewesen. Wir hatten uns in Zweier-Teams aufgeteilt und abwechselnd gegeneinander gespielt. Chris und ich gegen Sebastian und Anthony. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, warum ich mich vorher so verrückt gemacht hatte, so lustige zweieinhalb Stunden hatte ich lange nicht gehabt.
Chris Anthony waren vor mir nach Hause gegangen und zum Abschied hatte mir Anthony "Krall ihn dir" ins Ohr geflüstert. Ja genau, ich krall ihn mir.
Sebastian und ich saßen auf seinem Bett und sahen aus dem Fenster nach Manhatten. Stille, bis ich unsicher fragte: "Wie viel hast du von unserem Gespräch mitbekommen?" Er biss sich kurz auf die Lippe. "Nur den letzten Satz von Chris Du streitest also nicht ab, dass du Gefühle für ihn hast?" Röter ging's nicht mehr, ich glich schon einer Tomate und mir sackte das Herz in die Hose. Er wusste es. Sebastian wusste, was ich fühlte. Würde er die Freundschaft noch wollen, so wie ich sie jetzt zerstören würde? "Warum hast du mich angelogen?", fragte ich mit brüchiger Stimme. Vielleicht hatte Sebastian mich schon öfters angelogen?
Und doch war ich mir sicher, er würde wissen, was ich meinte und was ich von ihm hören wollte.
Er senkte den Blick. "Du weißt warum." Nee, eigentlich nicht. Ich versteh nur Bahnhof. "Nein. Erklär's mir." Ich wollte nicht so knallhart klingen. Nicht in seiner Gegenwart. Niemals.






Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt