Kapitel 3

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Im nächsten Moment verpasste ich ihm eine Ohrfeige. Sebastian seufzte. "Die habe ich verdient, denke ich", meinte er. Ich nickte. "Warum hast du mir davor nichts vom Umzug gesagt? Warum hast du mich nur einmal angerufen und direkt aufgelegt? Und wie hast du-" Sebastian unterbrach meinen Redefluss, indem er mich in seine Arme zog. "Tut mir leid. Ehrlich. Ich hätte es dir sagen sollen." Ich schloss die Augen und legte mein Kinn auf seiner Schulter ab. Ganz kurz wollte ich es einfach genießen, Sebastian wieder zuhaben.
"Soll ich deine Eiscreme bezahlen?" Jetzt erst fiel mir wieder ein, warum ich eigentlich hier war. Und Sebastian und ich standen gerade in einem Supermarkt herum und kuschelten. Peinlich berührt ließ ich ihn los und hob die Box Eiscreme auf, die ich fallen ließ. Kurzerhand drückte ich sie ihm in die Hand. "Kostet drei Dollar und neunundneunzig Cent." Sebastian grinste von oben auf mich herab. Da fiel mir erst auf, wie groß er war. Okay, wir hatten uns fünf Jahre lang nicht gesehen. Klar, er hatte sich verändert- tiefere Stimme, härtere Gesichtszüge und eine andere Frisur. Aber manches war geblieben: Die Augen, in denen man so viel lesen konnte und dennoch so verschlossen waren, das Grinsen, seine Art und Weise zu sprechen und wie er mich umarmte.
Ich nahm Sebastian mit in die Wohnung meiner Eltern. Wir setzten uns auf mein Bett und aßen die Eiscreme. Für einen Moment war mein Leben perfekt.
Sebastian und ich erzählten viel. Er wohnte in einem anderen Stadtteil New Yorks, war aber bei Freunden in meiner Nähe und mit ihnen im Central Park gewesen, wo auch ich ihn gesehen hatte.
Es war, als wären wir nicht fünf Jahre lang getrennt gewesen. Wie früher lachten wir, erzählten und hatten Spaß. Einmal war mein Leben perfekt. Meine Mum zerstörte den Augenblick, indem sie in mein Zimmer platzte. "Anabeth es gibt... Wer ist das?" Sie schien Sebastian nicht zu erkennen, was eigentlich nicht möglich war, denn er hatte früher ständig bei mir übernachtet. "Sebastian", erwiederte ich grinsend. Kurz musterte sie ihn von Kopf bis Fuß, dann blickte sie mich an. "Beth, das erklärst du mir nachher bitte nochmal. Habt noch Spaß." Sie drehte sich um und schloss die Tür hinter sich. Sebastian sah auf seine Armbanduhr. "Ich muss langsam los, Eric, der Junge, bei dem ich übernachte fragt sich bestimmt schon, wo ich bin." Ich brachte ihn aus der Wohnung nach draußen. Sebastian umarmte mich nochmal. "Sehen wir uns wieder?", fragte er. Ich nickte. Er ließ mich los und lächelte mich an. Dann drehte er sich um und ging. Später fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, ihn nach seiner Nummer zu fragen.
"Also, wer war das gerade?", fragte Mum mich bei einer Tasse Kaffee. "Sebastian. Mein ehemals bester Freund aus Wien." "Der, der weggezogen ist?" "Ja." "Der, der dich veranlasste eine ganze Woche lang nur die Wand anzustarren, weil du ihn einfach so verloren hast?" Ich senkte den Kopf. Klar, Mum fand es nicht toll, dass der Junge, der mir früher am wichtigsten war plötzlich wieder auftauchte und in unsere Wohnung herein spazierte. "Ja." Kurz sah sie mich an. "Hat er sich verändert?", fragte sie. Ich schluckte. Ob sie ihn mögen würde hing von meiner Antwort ab. Wobei ich den Sinn dahinter nicht verstand, er war ja nur ein Freund. "Ein bisschen. Er ist reifer geworden. Intelligenter. Fürsorglicher. Er ist aber immer noch wie früher. Mach dir keine Sorgen Mum." Sie nickte.
Leon freute sich, dass Sebastian zurück war. Die beiden hatten sich schon immer gut verstanden. Dad wusste nicht, was er zu Sebastians plötzlichem Auftauchens sagen sollte, darum schwieg er einfach.

"Wie jetzt, du musst an meinen Facebook-Account?" Am selben Abend hatte ich Jason angerufen. Ich hatte Sebastians Nummer nicht, aber vielleicht konnte ich ihn über Facebook erreichen. "Bitte Jason. Einmal. Ich mach auch alles, was du willst, aber ich muss einfach jemanden auf Facebook finden." Meinen Freunden in New York hatte ich nie Sebastians Namen genannt. Ich wollte ihn einfach vergessen, weshalb ich auch seinen Namen nie nannte. "Lass mich raten, du suchst den Jungen aus dem Park?", fragte Jason. "Ja." "Kennst du überhaupt seinen Namen?" "Jason, es ist der Junge von früher, ich hab ihn heute beim Einkaufen getroffen, wir haben zusammen Eis gegessen und wollen den Kontakt halten, haben aber unsere Nummern nicht. Bitte, lass' mich ihn anschreiben, nur fünf Minuten und dann mach ich alles was du willst, bitte!" "Für jemanden, der nicht an die große Liebe glaubt, bist du ziemlich anhänglich." "Jason! Ich freu mich einfach nur ihn wieder zu sehen und will den Kontakt halten. Da sind keine Gefühle!" Ein Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. "Darf ich Trauzeuge werden?" Ich stöhnte. "Jason, bitte!" "Klar, kannst jederzeit vorbei kommen." "Danke."

Nach dem Abendessen fuhr ich mit dem Fahrrad und einer Tafel Schokolade im Gepäck zu Jason.
In seinem Zimmer setzten wir uns vor seinen Laptop und suchten ihn auf Facebook. "Er heißt Sebastian Stan?", fragte Jason. "Ja, wieso?" "Ich kenne ihn. Ein Kumpel von mir ist mit ihm befreundet." Jason sah mich mitleidig an und knuffte meine Wange. "Er hat eine Freundin. Arme Beth, wirst wahrscheinlich nicht mit ihm zusammen sein." Ich boxte ihn als Antwort auf die Schulter. Dann fand ich endlich Sebastians Profil. In seiner Beschreibung stand zwar nicht seine Nummer, aber seine EMail. Ich zog mein Handy heraus und schrieb eine Nachricht an die EMail-Adresse. "Danke Jason!", sagte ich und gab ihm die Tafel Schokolade, die ich mitgenommen hatte.

Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt