In sekundenschnelle lief mir durch den Kopf, was ich tun sollte und was nicht.
Schreien?
Nein, dann hörten mich vielleicht noch andere Männer, die dann auch zum 'spielen' kommen würden.
Einer war schon genug.
Weglaufen?
Ich war eigentlich ziemlich schnell, aber da ich mich hier nicht auskannte, hielt ich auch weglaufen für keine gute Idee. Außerdem glaubte ich nicht, dass ich schneller als ein durchtrainierter Mann laufen könnte. Und dieser Mann war sicherlich gut trainiert.
Also blieb nur noch wehren.
Kämpfen.
Mein Vater hatte mir gezeigt, dass man sich am besten wehren konnte, wenn man eine gute Deckung hatte und die empfindlichen Stellen des Menschen kannte.Ich zog mein Kinn an meine Brust, sodass er mich nicht würgen konnte.
Dann wartete ich.
Vermutlich versuchte mein Angreifer, mich einzuschätzen.
Ich blieb angespannt.Als er mich schließlich berührte, wurde in mir etwas wach. Etwas wie ein kampflustiger Löwe, der geschlafen hatte und jetzt mit lautem Gebrüll aufwachte.
Er riss mich grob am Arm, worauf ich ihm mein Knie in seine untere Magengegend rammte.
Keuchend sackte er zusammen.Und ich rannte doch.
Unglücklicherweise hatte er sich schnell erholt und zog mich von hinten an meinen Haaren.
Und das tat verdammt weh.
Trotzdem schrie ich nicht, als er mich nun auf den eiskalten Fußboden warf. Ich versuchte, mich geschickt abzurollen, aber er war schneller und nahm mich in den Schwitzkasten.
Darauf drückte er mir so brutal die Luft ab, dass mir schwarz vor Augen wurde.Nein! Das durfte nicht sein! Ich musste mich doch wehren!
Also ließ ich meinen Körper erschlaffen, als ob ich schon ohnmächtig geworden wäre.
Darauf lockerte er seinen Griff um meinen Hals ein wenig und versuchte, mich wegzuschleppen.Ich benutzte meinen Überraschungsmoment.
Blitzschnell schlug ich meine Hand gegen seine Nasenwurzel.
Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass das verdammt wehtat und ich hoffte, dass ich mich so aus seinem Würgegriff befreien konnte.
Es war ein erbitterter Kampf. Wir keuchten beide vor Anstrengung. Doch niemand wollte nachgeben.
Schließlich hatte ich seinen Kopf so weit zurück geschoben, dass ich wieder Luft bekam. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun konnte, um ihn außer Gefecht zu setzen.
Schließlich kam mir die rettende Idee.
So dicht an seinen Körper gepresst, hob ich mein Knie an und schob es mit all meiner Kraft zwischen seine Beine.
Mein Angreifer stoß einen Schrei aus, der mein Blut in den Adern gefrieren ließ.
Augenblicklich ließ er mich los und stürzte zu Boden, wo er sich vor Schmerzen krümmte.
Jetzt konnte ich endlich weglaufen.
Aber wie so oft kam ich nicht weit.
Eine Tür öffnete sich, und heraus stürzte - Flynn!Vor Erleichterung musste ich wieder weinen.
„Sal? Was ist denn los? Wer hat da so geschrien? Bist du verletzt?"
Besorgt nahm Flynn mich in seine Arme. Ich bemerkte jetzt erst, dass mehr auf den Schrei meines Angreifers aufmerksam geworden waren. Überall öffnete sich Türen, und Männer stürmten heraus.
Es herrschte Chaos.
Plötzlich tauchte Sebastian auf.
„Sal? Was ist denn hier los? Wer hat hier so geschrien?"Er ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen. Mir fiel auf, dass Sebastian und Flynn mich fast genau das selbe gefragt hatten.
Lustig.Auf einmal erschienen zwei Männer, die einen dritten stützen. Dieser hatte eine geschwollene Nase und ging noch immer gebückt vor Schmerzen.
Mein Angreifer.
Erschrocken schnappte ich nach Luft, während ich noch immer den Mann anstarrte. Er starrte zurück, sagte aber nichts. Doch seine Augen sendeten eine deutliche Botschaft an mich: Na warte, dich krieg ich schon noch!
Sebastian und Flynn wurden auf meinen Angreifer aufmerksam, der mich immer noch mit mörderischen Blicken durchbohrte.
Sie traten beide gleichzeitig vor mich.
Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf.„Hey, was ist denn hier los?", wurde plötzlich die Stille unterbrochen. Jake und Max stolzierten herbei.
„Nikolai hat versucht, das neue Küchenmädchen mit auf sein Zimmer zu nehmen", hörte ich einen von den herumstehenden Typen sagen.
Da platzte mir der Kragen. Das war ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts!
„Das stimmt überhaupt nicht!", schrie ich entrüstet.
Schallendes Gelächter ertönte. Mir schoss die Röte ins Gesicht. Hier hatte eine Frau ja mal gar nichts zu melden.
Sebastian nahm mich am Arm.
„Komm mit, Sal", sagte er beruhigend und führte mich durch die Menge hindurch und in die Küche zurück.Inzwischen liefen mir Tränen über die Wangen. Es war so ungerecht!
Sebastian sah mich durchdringend aus seinen tiefgründigen braunen Augen an.
„Warte hier", befahl er mir und sah mich noch einmal beruhigend an, bevor er verschwand.Als ich ihn nicht mehr sehen konnte, kam plötzlich die Angst. Was, wenn einer der Männer zurückkam, um es noch einmal zu versuchen?
Mein Atem ging schneller, und Schweiß bildete sich auf meiner Haut. Am liebsten hätte ich mich versteckt.Aber ich wusste, dass Sebastian zurückkommen würde. Aber als er dann endlich wieder und die warme, gemütliche Küche hineinschlüpfte, stoß ich einen Schrei aus.
„Sal! Ich bin es doch nur!", versuchte er mich zu beruhigen.
„Sie sind weg, sie werden die nichts mehr tun", log er. Aber ich war ihm dankbar dafür, denn es half mir, mich wieder etwas zu besinnen.
„Komm her", flüsterte er und nahm mich vorsichtig in den Arm.
„Alles wird gut."
Lächelnd lehnte ich mich erschöpft an seine Schulter.
Sein Griff verstärkte sich.
„Darf ich mir deine Wunden ansehen?"
Wunden? Fragend zog ich meine Augenbrauen nach oben.
„Komm mal mit."
Er stand auf und bugsierte mich vorsichtig vor sich her.
Dann schob er mich in ein kleines Zimmer, in dem nur ein Bett, ein Spiegel und eine kleine Kommode standen.Er schob mich geradewegs vor den Spiegel. Obwohl er an manchen Stellen schon blind war, konnte ich mich dennoch gut sehen. Und was ich da sah, erschrak mich. Mein Gesicht war übersät von Kratzern und mein Hals war wundgescheuert und blau.
Vorsichtig griff ich mir an den Hals. Sobald meine Finger die wunde Haut berührten, tat es höllisch weh. Dazu kam vermutlich auch, dass meinem Körper das Adrenalin ausgegangen war, denn uch fühlte mich schwach und ausgelaugt.
Ich ließ meine Hand schlapp nach unten fallen.
Im Spiegel konnte ich Sebastian beobachten, der angestrengt in seiner Kommode herumkramte. Schließlich fand er, was er gesucht hatte: Schmerztabletten.
Ich schüttelte meinen Kopf. Wann immer ich Schmerztabletten eingenommen hatte, war ich sehr müde geworden und hatte ziemlich lange geschlafen.Aber Sebastian konnte sehr stur sein: „Sal, du siehst aus wie - sorry- der lebende Tod. Ich möchte mich jetzt wirklich nicht noch einmal mit dir streiten, also tu mir bitte den Gefallen. Und nachdem was du heute durchgemacht hast - "
„Sebastian", unterbrach ich ihn.
„Das ist es ja, warum ich nicht schlafen will. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich Albträume haben werde."
Zittrig holte ich tief Luft. Sebastians Gesichtszüge waren weich geworden, und als er jetzt zu mir kam, hatte er einen sehr ernsten Blick.„Sal, ich verspreche dir, dass ich da sein werde. Ich passe auf dich auf. Ich bleibe die ganze Nacht auf, wenn du das willst. Keiner wird dich anfassen. Ich schlage sie davor zuerst k.o., versprochen."
Geschlagen lächelte ich und streckte meine Hand für die Tablette aus. Ich vertraute Sebastian voll und ganz. Ich wusste, dass er sein Versprechen halten würde, koste es was es wolle. Er war jemand, der nicht leichtfertig etwas versprach, was er nicht halten konnte. Sebastian war aufrichtig.Er legte die Pille in meine Hand und ich führte sie zu meinem Mund. Als ich sie heruntergeschluckt hatte, merkte ich sofort, wie der tiefe, traumlose Schlaf mich zu übermannen drohte. Ich legte mich ohne zu fragen in sein Bett, doch bevor ich komplett weg war, konnte ich ihn noch sagen hören:
„Ich bin da, ich passe auf dich auf. Versprochen."
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RUNAWAY (on hold)
Adventure„Aber bevor wir alle willenlos gemacht werden, hauen wir eben ab", scherzte er. Scherz oder grausame Wahrheit? Freund oder Feind? Kann man das herausfinden, in einer Welt voll Krieg und Lügen?