13.Kapitel

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„Sal? Aufwachen", hörte ich Sebastian vernebelt sagen.
Ich räkelte mich gähnend. Was war gestern passiert? Warum hatte ich so tief geschlafen?

Mit einem Schlag kamen alle Erinnerungen zurück. Der Angreifer, Flynn, der Schmerz und die Schmerztablette.

Ich schreckte hoch.
„Wo bin ich? Was ist los? Kommt jemand?", fragte ich panisch.

„Nein, alles ist gut. Beruhig dich wieder. Ich musste dich wecken, weil ich jetzt die täglichen Besorgungen erledigen muss."

„Tägliche Besorgungen?"

„Ja, ich bin so etwas wie der Dienstbote der SOW. Echt anstrengend, aber manchmal kann es auch cool sein. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommen willst."

„Klar. Leider hab nur nichts zum anziehen."
Ich deutete auf mein zerissenes t-shirt und die dreckige Jacke.

Aber Sebastian zeigte auf einen schwarzen Kapuzenpulli, der ordentlich zusammengefaltet auf seiner Kommode lag.
„Daran hab ich schon gedacht. Leider habe ich keinen kleineren gefunden."
Er beäugte mich kritisch.
„Na, was solls. Dann ist es eben ein oversized Outfit."
Er zwinkerte mir zu.

Ich musste lachen. Dann schnappte ich mir den Pulli und sagte zu ihm: „ Umdrehen."

„Warte. Ich hab ein kleines Bad. Da kannst du dich waschen und umziehen."
♦♦♦♦♦
Zehn Minuten später waren wir auf dem Weg nach draußen. Ich hatte die Kapuze tief in die Stirn gezogen, sodass niemand mein Gesicht erkennen konnte.
Auf dem Weg erklärte Sebastian mir:
„Leider können wir nicht mit einem Auto fahren, die komplette Tiefgarage wurde bei dem Bombenangriff verschüttet. Die Stadt sieht wahrscheinlich auch nicht blendend aus", meinte er besorgt.

„Wie kommen wir dann nach draußen?", fragte ich neugierig.

„Also, dumm ist die SOW jetzt auch nicht gerade. Natürlich gibt es einen geheimen Ausgang. Stell dich schon mal auf Dunkelheit ein", antwortete er.

Wir machten einen kleinen Umweg über die Küche, in der Sebastian einen Gürtel holte, an dem ein scharfes Messer, eine Pistole und eine Taschenlampe hingen.
Dann gingen wir zu der Treppe, durch die Flynn und ich hereingekommen waren. Sebastian öffnete ein Belüftungsgitter in dem Boden und stieg ohne zu Zögern hinein.

„Komm schon!", erklang es dumpf hervor.

Ich schluckte und trat näher heran.
Bei der näheren Betrachtung fiel mir auf, dass da außer Dunkelheit noch etwas anderes war.
Sprossen einer Leiter.
Also stieg ich auch hinunter.
Dabei musste ich immer wieder nach der nächsten Sprosse tasten, weil es stockfinster war. Es war so dunkel, dass ich nicht einmal, wie man so schön sagt, meine eigene Hand vor Augen sehen konnte.
Plötzlich spürte ich Hände an meiner Hüfte.
Bevor ich aufschreien konnte, zischte Sebastian:„Ich bin es nur. Du bist jetzt unten."
Als ich meinen Fuß jetzt auf den festen Boden setzte, platschte es.
Wasser.
Um uns herum hörte ich, wie Wassertropfen immer wieder mit einem leisen Tröpfeln auf einer dünnen Wasserschicht aufkamen.

„Sag jetzt nicht, dass wir in einer Kanalisation sind", stöhnte ich auf.

„Leider ja", war die ernüchternde Antwort. „Warum ist das so schlimm für dich?"

„Wimmelt es da nicht von Ratten?"

Ich bekam schallendes Gelächter zur Antwort. Das hörte sich gruselig an, da es in der Kanalisation von allen Seiten her widerhallte.

„Jetzt komm, du Rattenschreck", hörte ich Sebastian sagen. Im gleichen Moment flackerte das Licht der Taschenlampe auf.

Jetzt konnte ich die Backsteine des engen Tunnels erkennen.
Sebastian war schon weitergegangen, deshalb setzte ich mutig meine Sohle des weichen, schwarzen Sneakers auf den schlammigen Untergrund und eilte hinterher.

Nach einer halben Stunde waren wir leider immer noch in der Kanalisation. Ich fragte mich, wie Sebastian sich hier orientierte, denn für mich sah jede Biegung gleich aus. Aber Sebastian wählte auch von gegabelten Wegen immer zielstrebig und ohne zu Zögern einen Tunnel, während ich immer seufzend hinter ihm herstolperte.
Wenigstens hatte ich bis jetzt noch keine Ratten gehört oder gesehen.

Aber letztendlich führt jeder Weg zum Ziel.
Wir gelangten in eine große 'Halle' , sozusagen das Zentrum der Kanalisation.

„Wir haben es geschafft", stellte ich verblüfft fest.
Sebastian wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Noch nicht ganz", sagte er und deutete nach oben.
„Siehst du das? Der kleine helle Fleck da oben? Das ist der Gullideckel, durch den wir rauskommen. Hier muss auch irgendwo die Leiter sein", klärte er mich weiter auf, während er mit der Taschenlampe herumleuchtete, um die Leiter zu finden.
„Ah, da!", rief er erleichtert. Meine Augen folgten dem Strahl der Taschenlampe und konnten undeutlich den Umriss einer klapprigen Leiter erkennen.
Sebastian kletterte vor, und ich folgte, ohne zu meckern, denn langsam begann mir das Spaß zu machen.


Geschickt zog ich mich durch die enge Öffnung des Gullideckels, sodass Sebastian mir gar nicht helfen musste.
Als ich nun wieder trockenen Boden unter meinen Füßen hatte, orientierte ich mich erstmal.
„Oh, scheiße", entfuhr es mir, als ich von der Anhöhe, auf der wir standen, nach unten blickte. Ich vermutete, dass dort die Stadt gewesen sein musste, denn alles war in Schutt und Asche.
Auch Sebastian war bleich geworden, als er nun hinunter auf die Trümmer der Stadt blickte.
„Was machen wir jetzt?", fragte ich.
„Na, ja, im Grunde war das meine Aufgabe. Herauszufinden, wie schlimm es ist."
„Das heißt, dass wir jetzt schon wieder zurückgehen müssen, obwohl wir doch gerade an die frische Luft gekommen sind?", fragte ich entsetzt.
Sebastian sah mich fragend an.
„Was würdest du gerne noch machen?"
Ich zögerte.
„Also, du hast mir doch erzählt, dass du schon zehn Jahre lang Kampfsport trainierst. Und wegen dem, was gestern passiert ist, wollte ich dich fragen, ob du mir nicht ein paar effektive Griffe zeigen kannst..."
Sebastian grinste und nickte.
„Aber klar doch. Das ist ziemlich sinnvoll, weil ich glaube, dass dir so etwas noch öfters passieren wird."
Er schnappte mein Handgelenk und zog mich in die Mitte der Wiese.

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