Über die Kunst ein Künstler zu sein

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Wir sind alle Künstler.
Deswegen sollten wir zumindest für heute begreifen, was es bedeutet, ein Künstler zu sein.
Ob nun jeder von uns ästhetische Veranlagungen hat, ist ohne jeden Zweifel ein strittiges Thema. Zu oft vergleichen wir uns dafür mit anderen und sind selten vollends von unserem Können überzeugt. Kunst jedoch hat viele unterschiedliche Ebenen, neben den klassischen Ästheten, Musikern und Schriftstellern kennen wir auch noch die Überlebenskünstler doch auch diese sollen nicht unser aktueller Schwerpunkt sein. Wenn ich behaupte, dass jeder von uns ein Künstler ist, dann meine ich es genau so und niemand kann diese Aussage für mich widerlegen. An einem Beispiel ist dies jedoch, sicher leichter zu verstehen.
Ich erinnere mich genau an den letzten Abend meiner Studienfahrt, als ich mitten in der Nacht mit ein paar meiner Mitschüler am Strand lag und wir über die letzten Tage sprachen. Irgendwann lag ich dann einfach abseits der anderen im Sand mit einer Freundin und versuchte ihr zu erklären, dass es ganz leicht ist, manche der scheinbar schlimmen Momente zu überwinden, indem wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die jetzigen Umstände lenken. Statt im Alltag zu ersticken, wollte ich ihr offenbaren, was es bedeutet ausatmen zu können. Seitdem kann ich nicht mehr vergessen, was wir in diesem Moment alles wahrgenommen haben und wie einfach die gesamte Existenz für einen Augenblick war.
Liegt man auf dem Rücken, sieht man zu seinen Seiten nur noch wenig und trotzdem erkennt man auch mitten in der Nacht noch die unterschiedlichsten Farben und in unserem Fall konnte man sogar noch einen schmalen Streifen des Meeres sehen. Zur linken Seite gab es die Häuser, die leuchteten, Straßenlaternen und die ganzen Schatten. Über uns stattdessen war eine völlig neue Welt, die einzig und allein aus Sternen zu bestehen schien. Die Stimmen der anderen waren zu hören, der Wind im Sand, im Wasser, die Wellen selbst. Manchmal vereinzelte Schritte und keinesfalls die Stille, die man sonst zu hören glaubte. Wenn man die Augen dann zu schließen begann, konnte man noch viel mehr wahrnehmen. Den Sand, der auf Dauer immer unbequemer wurde und wie es für Sand typisch ist, plötzlich einfach überall ist. Jedes Stück Stoff auf der Haut, die einzelnen Körperteile selbst. Alles war um uns herum vorhanden und wartete nur darauf, dass wir ihm Beachtung schenkten. Die Frage, wie wir uns nach diesem Moment fühlten, erübrigt sich. 
Doch wie man vielleicht denken kann, wurden wir nicht dadurch zu Künstlern, weil wir diesen Moment erschaffen haben, sondern weil wir uns an ihr erinnern und ihn jedes Mal auf ein Neues erschaffen können und müssen. So wie ich mich an den Ablauf erinnere, ist er nur für mich gewesen und selbst dabei kann ich mir nicht sicher sein. Die Fähigkeit uns an die Dinge zu erinnern, sie neu zu erschaffen und mit ihnen zu leben, macht jeden von uns zu einem Künstler. Die Kunstwerke in unserem Kopf müssen dafür nie geteilt werden.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 04, 2016 ⏰

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