Wie oft stellen uns doch mehr oder weniger unbekannte Personen diese Frage. Wer bist du? Wer bin ich? Wir können daraufhin unseren Namen, unser Alter, unsere Herkunft und noch so viele andere Dinge über uns selbst nennen, doch erklärt das wirklich, wer wir sind?
Niemand möchte freilich auf der Straße seine tiefsten Ängste offenbaren und jede noch so kleine Peinlichkeit und große Freude des Lebens mit dem Gegenüber teilen. Ist „Wer bist du?" also eine genauso floskelhafte Frage wie „Wie geht es dir?" und wollen wir wirklich wissen, mit wem wir da sprechen? Die Antwort ist wohl bei jeder Person eine andere.
Wer nun aber bin ich denn? Zumindest mir selbst sollte diese Antwort doch vorliegen, da ich von meiner eigenen Identität schließlich überzeugt bin. Bei mir selbst kann ich, anders als bei meinen Mitmenschen, nicht von heute auf morgen beschließen, dass sie mir gleichgültig sind und ich ihnen für immer aus dem Weg gehen möchte. Sich selbst entkommt niemand so schnell und trotzdem bleibt es offen zu hoffen, dass niemand sich voll und ganz versteht. Genauso wenig wie über die anderen möchten wir jede Kleinigkeit über uns selbst wissen und manchmal tut eine etwas eingeschränkte Subjektivität wirklich gut.
Präzisieren wir die Frage also lieber: Wer bin ich jetzt gerade? Doch auch darauf lässt sich nur schwer eine Antwort finden und eine neue Frage rückt stattdessen in den Vordergrund: Wer bin ich gewesen? Ohne die Vergangenheit zu berücksichtigen, lässt sich eine aktuelle Aussage über die eigene Persönlichkeit kaum treffen. Nun kann ich also beginnen, mir anzuschauen, wer ich früher war, vorausgesetzt, meine eigenen Erinnerungen reichen dafür aus und ich muss nicht in die Verlegenheit geraten, festzustellen, dass weder bildhafte noch textbasierende Überbleibsel meiner letzten Jahre existieren. Die Aussagen anderer Personen darf man durchaus mit einbeziehen, so gut sie uns aber auch zu kennen glauben, beschreiben sie doch nur eine facettenhafte Abbildung unserer selbst.
Ist die Vergangenheit einmal ausreichend betrachtet, widmen wir uns also wieder dem Hier und Jetzt. Verschwommen und vage können wir uns je nach aktuellem Befinden ausmalen, wer wir gerade sind. Es scheint jedoch nur ein Bruchteil dessen zu sein, was wir eigentlich unter unserer Persönlichkeit verstehen und deswegen führt diese Frage ins Nichts.
Wir sind zu keinem Zeitpunkt nur die lebende Vergangenheit unserer Erinnerungen, aber auch keine ausschließliche Momentaufnahme. Hinzu kommt außerdem die Frage danach, wer wir sein werden, über die erst noch entschieden wird. Fragen wir uns also, wer wir sind, können wir lediglich darauf antworten, dass wir ein Produkt unserer Vergangenheit, der Hoffnung auf Zukunft und dem schmalen Grad des jetzigen Augenblicks sind. In jedem weiteren Moment sind wir ein Stück weit jemand anderes und doch immer noch dieselbe Person, die man mit oberflächlichen Angaben beschreiben kann.
Wenn man mich also fragt, wer ich bin, dann antworte ich: Ich bin jemand den man kennenlernen muss, um zu wissen, wer er ist. Ich bin jemand gewesen und werde morgen voraussichtlich auch noch sein. Wer jedoch bist du?
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BLACK WHITE GRAY
PoesiaDie Welt ist nicht immer schwarz, nicht immer weiß, meistens ist sie grau und trotzdem erkennen wir sie nicht als solche. Öffne die Augen und du wirst sehen, wie wunderschön sie ist. Schwarz ist nicht immer schlecht, weiß nicht immer gut und grau ni...