20.

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Als ich ein wenig später an der Schlucht ankomme, setze ich mich mit baumelnden Beinen auf die Brücke. Wie konnte ich nur jemals denken, dass Eric mich lieben kann? Er ist ein gottverdammter Anführer, und ich eine kleine unbedeutende Initiantin. Er wollte wahrscheinlich nur das eine, und jetzt, da ich nachgegeben habe, lässt er mich fallen. Ich drücke meine Stirn an das kalte Metallgeländer, und starre die Schlucht herunter. Wie einfach wäre es jetzt zu springen? Einfach hinunter und niemals wieder müsste ich sowas erleben. Ob sich Al genauso gefühlt hat, als er an dem Abend hier war? Hat er auch in das tosende Wasser geschaut und auf Erlösung gehofft? Und war es für ihn einfach zu springen, oder stand er noch lange hier? So viele Fragen, und keiner hat Antworten. Als mich von hinten jemand an der Schulter fest hält, falle ich um ein Haar, weil ich nach vorne rutsche, wirklich fast von der Brücke. „Ich bins.", höre ich Fours Stimme. Ich sehe zu ihm hoch. „Was machst du hier?", fragt er. „Ich denke nach.", antworte ich monoton und sehe wieder hinunter. „Komm, du solltest nicht hier sein. Wenn du da runterfällst, kann dir keiner mehr helfen.", sagt Four und versucht mich hochzuziehen. „Ich will hier bleiben.", bitte ich leise, aber Four hört nicht auf mich. „Wolltest du springen? Bist du deswegen hier?" Ich zucke die Schultern, und Four sieht mich streng an. „Niemand gibt auf! Du hast einen guten Rang, was hat dich zu dieser Idee bewegt?" „Ich wollte nicht springen. Ich habe mich gefragt, wie Al sich hier gefühlt hat, als er hier war.", murmle ich Four leise zu. „Warum denkst du nach?" „Darf ich nicht?" Ich sehe etwas wie Wut in seinen Augen, und stöhne ergeben. „Liebeskummer. Zufrieden?", knurre ich, und laufe von der Brücke und an Four vorbei. Er hält mich aber fest. „Wegen Peter?" „Nein.", fauche ich und reiße mich von ihm los. Warum denkt jeder, dass man mich einfach wie eine Schachfigur hin und her schieben kann? „Geh jetzt in deinen Schlafsaal. Morgen ist die Prüfung, ihr sollt fit sein.", meint Four wieder ganz der Ausbilder.
Ich nicke ergeben, und laufe einfach ohne ein weiteres Wort an ihn davon.

Auf dem Weg begegnen mir weder Eric noch Doro. Dafür aber Uriah. „Warte kurz. Können wir reden?", bitte ich ihn schüchtern. Er weiß nicht, was zwischen Eric und mir ist oder war, und er hat eine kleine Erklärung verdient. „Klar.", meint er und lässt sich von mir in eine dunkle Ecke ziehen. „Das was ich vorher zu Eric gesagt habe....", fange ich an, aber er unterbricht mich. „Es geht mich nichts an, dass weiß ich. Ich erzähle nichts herum, wenn es das ist, was du willst." Ich nicke dankbar. „Du hast ihm echt eine verpasst. Für so mutig hätte ich dich nicht gehalten." Uriah grinst verschmitzt, und ich kichere. „Du hast mich eben unterschätzt." „Sieht so aus." Eine Weile ist es still, keiner weiß was er sagen soll. „Erinnerst du dich an die Party?", bricht Uriah das Eis. „Ein bisschen." „Das ich dich angegraben habe tut mir leid. Aber du warst so wunderschön. Und ich betrunken.", meint er und sieht zu Boden. „Du warst betrunken und ich auch etwas. Es ist nicht deine Schuld.", beruhige ich ihn. „Wärst du nicht auf einmal weg gewesen, wären wir wahrscheinlich zusammen im Bett gelandet, dass weißt du oder?", fragt er leise und ich nicke nachdenklich.
Da wir beide nicht unbedingt bei Sinnen waren, wäre es wahrscheinlich am Ende so ausgegangen. Ich weiß nicht wirklich, ob ich es bereut hätte. „Es tut mir echt leid.", entschuldigt er sich wieder und ich umarme ihn kurz. „Es ist nicht deine Schuld." „Warst du an dem Abend bei Eric?", fragt er leise, und drückt mich kurz an sich. Als ich zögere, löst er sich und lächelt nachsichtig. „Du musst es nicht erzählen.", rudert er zurück und ich nicke dankbar. „Was hast du da?", er deutet auf meine Hand. „Angebrochen.", gebe ich zurück. „Wie hast du das geschafft?" „Ich habe eine Säule verprügelt.", erkläre ich und er lacht leise. „Wenn du es schon mit Säulen aufnimmst, muss dir ziemlich langweilig sein." Ich lache kurz auf. Dann herrscht wieder kurz schweigen, aber wir grinsen noch immer. „Ich sollte mich auf den Weg machen.", sage ich schließlich leise. Uriah nickt. „Viel Glück für morgen.", wünscht er mir noch, als sich unsere Wege trennen. „Dir auch.", rufe ich über die Schulter, und mache mich endlich auf den Weg in den Schlafsaal. Irgendwie glaube ich, dass Uriah auf einem guten Weg ist, ein sehr guter Freund von mir zu werden.

I'm DivergentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt