Als ich das nächste Mal die Augen öffnete stand die Sonne etwas tiefer und ich spürte die abgestandene Nachmittagshitze, die die noch etwas feuchte Straße leicht zum dampfen brachte oder bildete ich mir das nur ein?. Ich fühlte mich immer noch unheimlich ausgelaugt und müde, doch wenigstens hatten sich die Kopfschmerzen ein wenig gelegt.
Wir standen im Stau und sie schaute immer wieder abwechselnd ungeduldig auf die Uhr und den Verkehr. Sie warf mir einen besorgten Seitenblick zu. Als sie bemerkte, dass ich wach war atmete sie erleichtert auf.
Mit einem Blick meinerseits auf die Uhr stellte ich fest, dass es schon 4 Uhr nachmittags war. Hatte ich etwa so lange geschlafen?
Sie griff auf dem Rücksitz und reichte mir eine Papiertüte, welche ich sofort öffnete. Mein Magen begann zu knurren als ich den Inhalt der Tüte hervorholte und herzhaft in ein belegtes Brötchen biss.
"Danke", nuschelte ich zwischen zwei Bissen, woraufhin sie mir ein flüchtiges Lächeln schenkte.
Nachdem ich etwas gegessen und getrunken hatte fühlte ich mich besser und mir war es zumindest halbwegs möglich einen klaren Gedanken zu fassen. Dies brachte mich auch dazu mir Gedanken über den Ort zu machen, wo ich mich gerade befand und dazu noch die Tatsache mit wem ich mich hier befand und was diese gewisse Person neben mir machte. Ich hätte sie niemals auf 18 geschätzt. Allemal 16.... dachte ich.
Ich haderte mit mir ob ich sie fragen sollte, gab mich dann aber der Neugier hin.
"Darfst du überhaupt... naja.. kannst du...", stotterte ich. Ich holte tief Luft und versuchte es erneut.
"Hast du eigentlich einen Führerschein?"
Zögernd schüttelte sie den Kopf. Das konnte ich wahr sein! Mal abgesehen davon, dass sie offensichtlich Auto fahren konnte, konnte diese Aktion schwere Folgen für sie und für mich haben (zumindest war ich in diesem Moment davon fest überzeugt)! Und um ehrlich zu sein... Ich hing an meinem Führerschein!
"Wie fahren bei der Nächsten Ausfahrt raus und tauschen Plätze! Ist das klar?", fuhr ich sie wütend an.
Das Autofahren entspannte mich. Es war angenehm sich auf etwas konzentrieren zu können, das mit meiner jetzigen Situation rein gar nichts zu tun hatte. Für die Zeit, die ich hinterm Steuer saß, war mein Kopf einfach leer. Mein Körper arbeitete wie von allein die Automatismen des Fahrens ab, die mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen waren und ich verfiel in eine Art Trance ohne Sorgen, ohne Stress und vor allem ohne Kopfschmerzen. Die ganze Zeit war nichts zu hören, außer dem leisen Gedudel des Radios.
Nach einer Weile fuhr ich von der Autobahn an und suchte in einem nahe gelegenen Ort eine Tankstelle. (Ja, okay! Ich weiß, dass ich auch an der Autobahn hätte tanken können, aber der Sprit ist mir dort einfach zu teuer! Ihr könnt mich ruhig geizig oder sonst was nennen, das ist mir egal. Ich bin noch Schüler hab nicht viel Geld.)
Als ich schließlich eine gefunden hatte und mich nach dem tanken wieder ans Steuer setzte um weiter zu fahren, wurde mit plötzlich bewusst, dass ich keine Ahnung hatte wohin wir überhaupt fuhren. Ich bin einfach die ganze Zeit auf der Autobahn geblieben ohne überhaupt darüber nachzudenken. Ich drehte mich zu ihr, aber sie sie schenkte mir keine Aufmerksamkeit. Ich versuchte ihren Blick zu erhaschen, doch es gelang mir nicht. Sie starrte einfach nur geradeaus durch die Windschutzscheibe und fixierte mit weit aufgerissenen Augen irgendeinem Punkt in der Landschaft.
"Wo fahren wir eigentlich hin? Hast du ein festes Ziel?"
Sie schüttelte den Kopf und zeigte in die Ferne. Ihr Blick blieb starr nach vorne gerichtet.
"Einfach irgendwo hin?"
Sie nickte.
"Und warum?"
Endlich drehte sie sich zu mir. In ihrem Blick konnte ich ihre Gefühle lesen. Sie war zu tiefst besorgt und hatte Angst. Für einen kurzen Moment glaubte ich so etwas wie Reue und Schuldgefühle in ihren Augen aufblitzen zu sehen, doch der Moment war so schnell wieder vorbei, dass ich dachte, ich hätte mir das nur eingebildet.
Mir war schleierhaft, warum sie so empfand. Es musste also irgendwas in den Zeitraum meiner Erinnerungslücke passiert sein. Aber was? Sobald mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, setzten Die Kopfschmerzen wieder ein.
Das alles machte mich einfach wahnsinnig. Ich hatte noch nie einen kompletten Filmriss gehabt. Selbst nicht nach den "schlimmsten Alkohol-Exzessen" die ich hatte, und wenn mir mal Ereignisse gefehlt haben, kamen die Erinnerungen nach einer Weile wieder. Ich hatte einfach keine Kontrolle über die Situation.
Kontrolle war mir sehr wichtig. Das soll jetzt noch heißen, dass ich ein Kontroll-Freak bin, der alles und jeden um sich herum unterdrückt und kontrolliert. Das heißt einfach nur, dass ich gerne Kontrolle über mich habe. Ich bin gerne selbst für Sachen verantwortlich und möchte gerne abschätzen können, was passiert. Versteht ihr? Doch seit sie aufgetaucht ist, steht mein Leben Kopf. Ich kann nichts mehr abschätzen und weiß einfach nicht was als nächstes auf mich zukommt. Genau wie jetzt in dieser Situation.
Langsam schüttelte sie den Kopf. Ich seufzte, startete den Motor und fuhr weiter. Ich blieb auf Landstraßen und folgte willkürlich irgendwelchen Straßen. Bäume und Felder zogen an uns vorbei und draußen begann es langsam an zu dämmern.
Mach einer Weile entdeckte ich einen Mann am Straßenrand. Er schien per Anhalter fahren zu wollen und ich überlegte ob wir ihn mitnehmen sollten. Ich machte sie darauf aufmerksam und fragte sie, ob sie einverstanden wäre. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ich dachte mir nichts dabei. Jemanden fremden mitzunehmen war wirklich etwas seltsam.
Als wir an den Mann vorbei fuhren warf ich ihm einen kurzen Seitenblick zu. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke, doch diese geringe Zeit reichte, um mir das Bild seiner Augen für immer ins Gedächtnis zu brennen.
Seine Augen sahen einfach unheimlich aus. Die Pupillen tief schwarz und ohne jeglichen Glanz. Es sah so aus, als würden sie die Iris um sie herum in sich aufsaugen. Wieso kommt mir das so bekannt vor? Schoss es mir durch den Kopf. Ich versuchte den Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, damit ich mich aufs Autofahren konzentrieren konnte, doch es gelang mir nicht. Immer wieder blitzte das Bild dieser Augen in meinem Kopf auf und jedes Mal zuckte ein Schmerzensblitz durch meinen Körper. Es machte mich einfach wahnsinnig. Ich begann ruckartig den Kopf zu schütteln. Ein letzter verzweifelter Versuch dieses Bild aus meinem Kopf zu verbannen, doch nichts half.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Ich drehte den Kopf und blickte in zwei angst- und sorgenerfüllte Augen und genau in diesem Moment begann die Mauer in meinem Kopf zu brechen. Die Erinnerungen fluteten über mich ein und ich spürte nichts mehr außer unendlichen Schmerzen. Meine Sicht verschwamm und ganz am Rande bemerkte ich wie ich das Lenkrad herumriss und was Auto ins Schleudern geriet.
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Hallo ihr Lieben :)
Endlich bin ich fertig mit diesem Kapitel! Es tut mir leid, dass das Kapitel so spät kommt.
Ich hoffe es gefällt euch trotzdem. Anbei seht ihr, wie ich mir die beschriebenen Augen vorstelle :)
Ich wünsche euch eine schöne Karnevallszeit und für diejenigen die Fasching genau so wenig leiden können wie ich, dass die schnell vorbei geht. :)Alles Liebe
Ellie
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Die Kinder des Himmels
FantasyMael führt das normale Leben eines 18 jährigen. Er lebt in einer kleinen Stadt an Meer, hat eine große Schwester die im Ausland studiert, ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern, macht bald sein Abitur und hat eine Freundin mit der er sehr glücklich i...