e p i l o g u e

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Ich erinner mich noch.

Der Regentag.

Sie hat versucht sich umzubringen.

Ich bin nach Hause gegangen. In mein Zuhause, der Anstalt. Sie stand im Regen, hat sich kaum bewegt. Nur in die Ferne gestarrt. Sie hatte glasige Augen, wo hatte sie die Drogen her? Ihre Haare hingen pitschnass herunter. Sie muss lange dort gestanden haben, ihr Pulli tropfte. Ich habe sie angesprochen, sie hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Ich wollte sie dort nicht stehen lassen, hab sie mitgenommen. Sie auf mein Bett gesetzt. Ihr Pulli war so nass ich habe ihn ihr ausgezogen. Mein Blick fällt auf ihren Bauch, die Rippen stehen hervor. Ich kann mich nicht zurückhalten und muss über ihre Rippenbögen streichen. Sachte berühre ich ihre samtweiche Haut mit einem Finger. Sie reagiert nicht. Lässt sich einfach berühren. Ich kann sie so so nicht dort sitzen lassen, sie wird frieren. Mein Blick fällt auf meinen babyblauen Pulli, der über dem Stuhl hängt. Sie hat ihn geliebt.
Sie hat mich mal aus Spaß gefragt ob sie ihn haben könnte.
Ich nehme den Pulli und streife ihn ihr über, er ist ihr viel zu groß. Aber sie wird nicht frieren. Ich hebe sie kurz hoch, um sie komplett auf dem Bett abzulegen. Ich lege meine Decke über sie und küsse sie sanft auf die Stirn. Sie ist eiskalt.
Mitten in der Nacht wache ich auf, sie ist immer noch zu kalt.
Ich entscheide mich, sie unter die Dusche zu stellen. Ich ziehe sie bis auf die Unterwäsche aus und trage sie Richtung Badezimmer. Ich streife mir meine Klamotten vom Körper und stelle mich in Boxershorts zu ihr in die Dusche. Langsam drehe ich das warme Wasser auf. Zum ersten Mal reagiert sie. Sie schlingt ihre dünnen Arme um meine Taille und legt ihren Kopf auf meine Brust. Ich ziehe sie näher an mich ran. Es ist ein schönes Gefühl, sie so nah bei mir zu haben.
Die ganze Nacht habe ich neben ihr gesessen. Manchmal auch gelegen. Mein Arm um ihren dünnen Bauch. Am nächsten Morgen war sie weg. Wohin wusste ich nicht.
Sie hat es nochmal versucht. Sie hat es geschafft.

Vielleicht hätte ich ihr helfen können. Wenn ich ihr zugehört hätte. Hätte.
Ich habe mich nie wirklich mit ihr beschäftigt. Sie wusste es nicht, ich wusste es nicht. Aber ich habe sie geliebt. Vielleicht hat sie mich auch geliebt.

Denn sie ist in meinem babyblauen Pulli gestorben.

Be an Angel  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt