Kapitel 9 (überarbeitet)

22.2K 1K 39
                                    

Es dämmerte bereits, als sie die Stadt in der Ferne ausmachen konnten. Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht.  Auf den ersten Blick wirkte Arvening unscheinbar, eine gewöhnliche, kleine Stadt, umgeben von einer Schutzmauer aus Steinen. Die spitzen Dächer der Gebäude funkelten in der Abenddämmerung und auf der höchsten Turmspitze war ein rostiger Wetterhahn zu sehen.

Als sie näher an die Stadt herantraten und die Tore durchquerten, wurde ihr jedoch ganz anders zumute. Arvening befand sich ohne Zweifel in katastrophalem Zustand. Simon hatte nicht übertrieben.

Einige von Dreck bedeckte Bewohner der Stadt waren gerade dabei die Steinmauer wieder herzurichten, die an einigen Stellen eingebrochen war. Andere gaben sich Mühe, die Fenster ihrer Häuser mit Holzbalken zu verriegeln, oder die Stabilität ihrer Türen zu verstärken.

In jedem einzigen Gesicht konnte sie Spuren von Angst erkennen. Sie alle fürchteten sich vor der anbrechenden Nacht, als wüssten sie genau, was sie in der Dunkelheit erwarten würde.

Einige Hühner rannten frei umher und gackerten, während sie den Boden nach Körnern absuchten. Ellys Blick fiel auf mehrere Marktstände an denen Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch verkauft wurde. Die Nahrungsmittel waren jedoch allesamt knapp und so gab es an jedem der Stände nur noch wenig zu kaufen.

Die Menschen, die hier überall herumliefen, unterhielten sich angeregt miteinander und einer der Verkäufer war ganz erpicht darauf, seine Ware zu verkaufen. 

"Frisches Obst und Gemüse", rief er quer über den Marktplatz und bediente anschließend eine Kundin, die sich für einen Apfel entschieden hatte.

Ellys Magen knurrte laut und sie gab Simon ein Zeichen, dass er kurz warten sollte. Endlich bekam sie die Gelegenheit dazu, etwas zu Essen zu kaufen. Das würde sie sich sicher nicht entgehen lassen. Rasch steuerte sie den Obststand an und kaufte einen Apfel, der zwar nicht mehr ganz so frisch war, wie der Verkäufer ihr weiß machen wollte, aber dennoch ihren Hunger stillen würde. Zumindest fürs erste. Kurz blickte sie über die Schulter zu Simon, der gerade in die Hocke gegangen war und Nayrah seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Die beiden waren sicher ein gutes Team.

"Kommt sonst noch etwas dazu, oder war das alles?", fragte der füllige Verkäufer schließlich.

"Ich nehme noch einen weiteren Apfel", entschied sie sich und überreichte ihm drei Kupferlinge im Austausch für das Obst. Bevor sie zu Simon und Nayrah zurückkehrte, kaufte sie auch noch ein Stück Brot.

"Das hat aber ganz schön lange gedauert, hast du den halben Marktplatz leergekauft?", scherzte Simon, als sie wieder bei ihnen war. Elly antwortete ihm nicht, sondern warf ihm stattdessen einen Apfel zu, den er sogleich mit den Händen auffing. "Danke", sagte Simon überrascht und schaute sie an, woraufhin sie ihn nur anlächelte. Er hatte ihr sehr geholfen und sie war schon immer eine Frau gewesen, die gerne etwas zurückgab.

Während Simon herzhaft in seinen Apfel biss, kaute Elly genüsslich auf ihrem Brot herum. Sie war mehr als dankbar für diese kleine Mahlzeit und erst jetzt wurde ihr wieder bewusst, wie gut Brot schmeckte. Auch wenn es schon etwas älter war.

"Ich bringe dich noch zum Gasthof, dann trennen sich unsere Wege vorerst wieder", sagte Simon mit vollem Mund und folgte dann einer gepflasterten Straße, die sie quer durch die Stadt führte. Die meisten Menschen hatten sich wohl auf dem Marktplatz versammelt, nur wenige Leute kreuzten ihren Weg.

Elly warf einen Blick auf die verriegelten Häuser, an denen sie vorbei kamen. Sie versuchte sich in die Lage der Stadtbewohner einzufühlen. Es musste schrecklich sein, jederzeit damit rechnen zu müssen, dass ihre geliebte Stadt in Trümmern gelegt werden konnte.

Gefährtin des Schwarzdrachen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt