Nevion war am Ende und hatte fast seine gesamten Kraftreserven aufgebraucht. Noch immer fragte er sich, wie es ihm gelungen war aus der Festung zu fliehen, bevor die Decke über ihm einstürzen konnte.
Seine Beine zitterten vor Anstrengung und trugen ihn nur unsicher voran. Wankend ließ er das riesige Gebäude hinter sich und betrat die vom Chaos beherrschte Stadt. Nevions Magen verkrampfte, als er auf die vielen Leichen aufmerksam wurde, die den Weg vor ihm pflasterten. Silas Anhänger hatten ganze Arbeit geleistet und eine Schneise der Zerstörung hinterlassen.
Ein Blick zum Marktplatz bestätigte den Eindruck und er schüttelte traurig den Kopf. Selbst die Kisten mit den wichtigen Lebensmitteln wurden zerstört. Es war ganz offensichtlich, dass sie den Elfen keine Chance lassen wollten, die Stadt erneut aufzubauen. Ein Banner der schwarzen Legion prangte zwischen den Trümmern eines Marktstands und wehte leicht im Wind. Es zeigte eine eiserne Faust auf schwarzem Hintergrund und symbolisierte Macht sowie Einfluss.
Trotz der Schwäche, die Nevions Körper befallen hatte tobte unbändige Wut in ihm. Wut, die mit jeder Sekunde in denen er das Leid um sich herum ertragen musste, weiter anstieg. Silas hatte es nicht verdient zu gewinnen. Er hatte es nicht verdient die Genugtuung zu erhalten, Taleth fallen zu sehen und erst recht, hatte er Elly nicht verdient.
Ein Stich der Eifersucht bohrte sich in sein Herz, als er daran dachte wie sie Silas geküsst hatte. So leidenschaftlich und hingebungsvoll, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig was für schreckliche Dinge er tat. Nevion wusste zwar, dass sie genauso ein Opfer von ihm war wie alle anderen auch doch das änderte nichts an der Tatsache, dass es ihn rasend machte. Allein der Gedanke daran, wie dieser Mann seine schmutzigen Lippen auf ihre legte, reichte aus, um ihn zur Weißglut zu bringen. Er konnte es einfach nicht ertragen, wie Silas sein Spiel mit ihr spielte und Elly mit jeder seiner Berührungen weiter um den Finger wickelte.
Während Nevion der Straße folgte und den Kampf der beiden Drachen am Himmel ausblendete, fragte er sich wieviel Zeit ihm wohl noch bliebe, um sie zu finden bevor Silas seinen Feind überwältigte und ebenfalls nach ihr suchte. Nevion konzentrierte sich auf seine Atmung. Jeder Schritt zerrte an ihm, doch er durfte jetzt nicht aufgeben. Als er an eine Kreuzung kam, sah er sich um und überlegte welchen Weg Elly wohl eingeschlagen hatte.
Nevion lächelte schwach und ein ungewohntes Prickeln breitete sich in seinem Körper aus, als er über sie nachdachte. In einer Sache hatte Silas recht: Elly bedeutete ihm tatsächlich etwas. Es waren die kurzen Momente ihrer Klarheit, die etwas tief in ihm berührten. Ihr knappes Lächeln, ein unterdrücktes Schmunzeln, sowie der Klang ihrer Stimme, wenn sie unsicher war und kurzzeitig ihr wahres Ich offenbarte. Sicher würden sie sich gut verstehen, wenn Elly ersteinmal den Trank genommen hatte und sie wieder sie selbst war.
Elly traf keine Schuld an den grausamen Dingen die Heute geschehen waren. Schließlich konnte sie nicht wirklich etwas dafür. Er selbst war es, der das Massaker hätte verhindern können wenn er nur ein wenig aufmerksamer gewesen wäre und sie nicht alleine im Zimmer gelassen hätte.
Mittlerweile war er fest davon überzeugt, das Miwa, der kleine Drache den er in der Festung getroffen hatte, für Ellys Befreiung verantwortlich war. Zumindest fiel ihm keine andere Möglichkeit ein, wie sie sich sonst hätte befreien können. Zu schade, dass die Kleine schnell war und entkommen konnte bevor er die Dämonen getötet hatte. Ein paar Antworten wären gut gewesen.
"Und ich dachte schon, ich wäre die Einzige, die am heutigen Tag zu kurz kommen würde" die Stimme einer Unbekannten drang an seine Ohren und ließ ihn inne halten. Nevions Blick fiel auf eine rothaarige Schönheit, die lässig an einem Holzkarren lehnte. Sie trug braune Federohringe und ihre Augen funkelten in einem dunklen Grün. Freundlich lächelte sie ihn an. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus denn er spürte, dass Gefahr drohte. Diese Frau war keineswegs so freundlich, wie sie den Anschein machte.
Nevion zog instinktiv seine Waffe obwohl er wusste, dass er ohnehin zu schwach für einen Kampf war. Sie kicherte und bewegte sich elegant auf ihn zu. "Hast du vielleicht die Auserwählte gesehen?" fragte sie zuckersüss, während kleine Schneeflocken in ihren Haaren landeten. "Es wäre wirklich lieb, wenn du mir meine Frage beantworten würdest." Nevion umklammerte seine Waffe fester doch eine Ranke schoss aus dem Boden und entwaffnete ihn sogleich.
"Ich weiß es nicht und selbst wenn, würde ich es dir nicht verraten" mühsam wich er der Pflanze aus, die ihn nun immer wieder von neuem attackierte. Schweiß klebte an Nevions Stirn und sein Herz raste.
"Wie schade" sagte sie knapp und klang ein wenig enttäuscht. Als er schließlich keine Kraft mehr hatte um sich weiter zu verteidigen, schlängelte sich die Ranke seinen Körper entlang nach oben und umklammerte seinen Hals, ohne ihm die Luft vollständig abzuschnüren.
Die Straßenpflaster barsten, als weitere Pflanzen aus dem Boden schossen und seine Beine packten. Die Rothaarige blieb vor ihm stehen, legte den Kopf zur Seite und musterte ihn intensiv. "Ich habe nicht damit gerechnet, jemanden wie dich hier anzutreffen. Du bist Nevion nicht wahr?" sie legte eine Hand auf seine Brust und beugte sich näher zu ihm. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als ihre Lippen nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt waren.
"Ich habe schon viel von dir gehört. Du sollst ziemlich geschickt sein und bereits mehr Leben genommen haben, als so manch andere Elfen in ihrem ganzen Leben" sie streichelte mit dem Daumen über seinen Mund und schaute ihm tief in die Augen.
"Das ist nichts worauf ich stolz b..." fing er an, doch die Fremde unterbrach ihn und legte einen Finger über seine Lippen. "Ich mag starke Männer" hauchte sie verführerisch und Galle stieg in Nevion auf.
"Es gibt da nur leider ein Problem" ihre Finger hoben vorsichtig sein Kinn an und sie leckte über ihre eigenen Lippen, ehe sie ihn zärtlich küsste. "Du bist ein Elf." Die Unbekannte biss ihm fest in die Unterlippe, bis er sein eigenes Blut schmeckte und schmerzhaft aufstöhnte. "Und ich könnte mich nie auf einen Elf einlassen. Zu schade um dich, du siehst garnicht mal so schlecht aus."
Mit diesen Worten ließ sie ihn los und die Ranken drückten zu. Die Fremde hauchte ihm einen Handkuss zu, verwandelte sich vor seinen Augen in einen Raben und erhob sich in die Lüfte. Vermutlich um nach Elly zu suchen. Mit einem krächzen entfernte sie sich von Nevion und überließ ihm seinem Schicksal.
Minuten schienen zu vergehen. Die Luft wurde knapper und die Pflanzen zogen sich immer weiter zusammen, um ihn zu erwürgen. Er konnte nichts tun, als auf seinen eigenen Tot zu warten doch als er annahm, dass es jede Sekunde soweit sein könnte, spürte er wie sich die Ranken um ihn lösten und er zu Boden fiel.
"Schnell helft ihm" hörte er Kelajas vertraute Stimme und Adrenalin schoss durch seinen Körper. Noch lebte er, noch konnte Elly gerettet werden. Ohne darüber nachzudenken legte er seine Hand auf den Beutel, indem sich der Trank befand. "Auserwählte" kam es ganz leise über seine Lippen.
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Gefährtin des Schwarzdrachen
خيال (فانتازيا)Der Frieden auf dem Planeten Aerrion gehört der Vergangenheit an, es herrscht Chaos und brennende Städte sind längst keine Seltenheit mehr. Grund dafür ist Silas, der Herrscher der Finsternis. Als er das erste Mal auf Elly, eine junge Menschenfrau t...