Wenn es nur so einfach wäre

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Jetzt

Caty

Mit verschränkten Armen und in ein Handtuch gewickelt stand ich vor meinem Kleiderschrank. Was sollte ich mir nur anziehen?
Wenigstens hatte ich schon das Auto abgeholt. Joey hatte mich bei dieser Gelegenheit nochmal daran erinnert das er um viertel nach Fünf vor meiner Tür stehen würde.
So war ich also hier gelandet und fragte mich zum wiederholten Male, was ich zu diesem Date anziehen sollte. Früher hätte ich Abby angerufen. Heute musste ich irgendwie allein damit klar kommen. Natalie und Bianca waren nämlich keine Option, sie würden nachbohren wohin ich ging, was ich machte und am wichtigsten natürlich mit wem. Und im Moment wollte ich einfach nicht das sie es wussten. Es ging sie einfach nichts an. Da sieht man mal wieder wie nahe ich meinen zwei besten Freundinnen stand. Kilometer entfernt.
Das Problem mit der Kleidung hatte ich aber immer noch nicht gelöst. Irgendwie wollte ich nicht das übliche Zeug anziehen. So konnte ich vielleicht all diese Highschool Jungen um den Finger wickeln, doch etwas sagte mir, dass das bei Joey nicht der Fall war. Also fiel traurigerweise die Hälfte meines Kleiderschranks weg. Naja, zugegeben eher 70 % meines Kleiderschranks. Die restlichen Sachen waren allesamt schon etwas älter und ganz ehrlich, meiner Meinung nach auch ziemlich langweilig. Während ich noch überlegte hörte ich direkt wie Sekunde um Sekunde verstrich und ich einfach keine Ahnung hatte.
Nun gut, kein Grund in Panik auszubrechen. Hätte ich mich besonders anziehen müssen, also sportlich oder sehr schick hätte mir Joey bestimmt bescheid gesagt. Also musste es normal aber trotzdem schick sein. Innerlich feuerte ich mein Hirn an. Warum spuckte es nicht endlich eine Lösung aus. Und genau in dem Moment in dem ich mich schon damit abgefunden hatte nackt zu gehen stach mir etwas ins Auge. Keine Sorge ich meinte das nicht wortwörtlich, doch ich fand etwas passendes. Es war sportlich, ein bisschen Schick und luftig. Perfekt.
Mit einer höllischen Erleichterung schlüpfte ich in den schwarzen Rock, der luftig um meine Oberschenkel flatterte und in das rosa Top mit der spitze oben. Es sagte nicht nur Sommer sondern war auch nocht schick genug. Die Fingernägel hatte ich davor schon in einem hellen Rosa angemalt und passten perfekt dazu. Auch mit meinen Haaren hielt ich mich nicht lange auf, ein hoher Pferdeschwanz und meine Locken kamen trotzdem noch zur Geltung. Ein bisschen Wimperntusche und Eyeliner und ich war fast fertig. Unten schnappte ich mir meine schwarzen Ballerinas und meine Handtasche. Ich schaute mich noch einmal im Spiegel an und musste feststellen das ich schon lange nicht mehr so...brav ausgesehen hatte. Aber es gefiel mir irgendwie. Das aufmunternde Lächen schenkte ich mir selbst und ich wollte gerade aus der Tür spazieren als mein Vater gegen die Tür krachte und langsam daran herunter rutschte. Scheiße.
Hastig öffnete ich die Tür und stellte zu meiner Erleichterung fest, dass Joey nocht nicht zusehen war, ich hatte noch Zeit.
Mein Handtasche auf die Kommode werfend, öffnete ich die Haustür ganz und schaute auf meinen schnarchenden Vater herunter, eine Schnapsflasche unter dem Arm lag er da, seelenruhig. Ich verspürte wirklich den Drang ihm fest gegen den Kopf zu trehten und ihn einfach so liegen zu lassen. Mit was hatte ich diesen Waschlappen als Erziehungsberechtigten verdient?
Letztendlich hatte ich keine Wahl.
Schnaubend beugte ich mich hinunter, griff unter die Arme meines Vaters und begann langsam ihn ins Haus zu zerren. Und nein, er würde mich nicht zum weinen bringen. Er hatte weder genug Bedeutung um mich wütend zu machen, noch mich verzweifeln zu lassen. Sobald ich genug Geld hatte und alt genug war würde ich aus diesem verfluchten Haus verschwinden. Dann musste ich nicht dabei zusehen wie er sich zu Tode trank wegen einer Frau, die ihn nicht einmal verdient hatte. Meine verfluchte Mutter.
Ich hatte ihn schon fast über die Türschwelle gezogen, als ich mich nicht mehr zurückhalten konnte: „Verdammter Scheißkerl. Du versaust echt alles. Man, scheiße, scheiße scheiße, ich hätte dich einfach da draußen liegen lassen sollen."
Das Blut stieg mir in den Kopf während ich ihn endlich im Gang liegen hatte und die Tür hinter ihm schließen konnte. Die nächsen Schritte gingen von selbst, erst schlug ich ihm auf die Wange, dann rüttelte ich kräftig an seinen Schultern, zu guter letzt half nur das kalte Wasser ins Gesicht. Leise keuchend und heftig blinzelt erwachte mein Vater und starrte mich aus meinen eigenen Augen an: „Was?...waaa..sss iiss?"
Ich seuftze: „Nichts Dad, nur komm schon beweg dich. Allein schaff ich das nicht."
Er nickte hastig, kämpfte sich schwankend auf die Beine und ich beeilte mich ihn zu stützen. Zusammen schafften wir es irgendwie ihn auf das Sofa zu verfrachten, ich holte eine flasche Wasser und einen Eimer in den er sich übergeben konnte. Er schlief schon wieder.
Ich gönnte mir einen Moment, setzte mich neben ihm, strich ihm verfilzte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wenn das so weiter ging, würde er bald keinen Job mehr haben. Er war dort noch nie betrunken aufgetaucht, aber auch das war nur eine Frage der Zeit. Und wenn das erst einmal passierte, mein Vater würde sich nirgends mehr festhalten können, er würde entgültig in die Tiefe stürzen. Und abgesehen von meinem Hass auf ihn, weil ich ihm nicht genug war, war da mein Hass auf meine Mutter weil sie ihn zerstört hatte und es sie einen Scheißdreck interessierte.

The nice guyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt